Nach mutmasslicher Vergewaltigung Frau wird spitalreif geprügelt – und wirft Polizei Täterschutz vor

dmu

23.5.2024

Die Aufnahme auf einem Smartphone zeigt den Tatort der Prügelattacke: die Wohnung des Anwalts.
Die Aufnahme auf einem Smartphone zeigt den Tatort der Prügelattacke: die Wohnung des Anwalts.
Screenshot SRF

Eine Frau soll im Kanton Schaffhausen vergewaltigt und verprügelt worden sein. Sie wirft den Behörden vor, die mutmasslichen Täter mit Samthandschuhen anzufassen.

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  • Die Schaffhauserin Fabienne W. soll 2021 von einem Mann vergewaltigt worden sein.
  • Um sie von einer Anzeige abzuhalten, sollen der Anwalt des Mannes und seine Kollegen die Frau spitalreif geprügelt haben.
  • Die Schaffhauser Behörden hätten bei den Ermittlungsarbeiten schwere Fehler gemacht.

Eine Frau erhebt Vorwürfe gegen die Schaffhauser Polizei: Ihre Peiniger, die sie nach ihren Angaben vergewaltigten und verprügelten, seien von den Beamten mit Samthandschuhen angefasst worden – und würden noch frei herumlaufen, wie sie zu SRF sagt. Aber der Reihe nach.

Fabienne W. wird im Dezember 2021 in die Schaffhauser Privatwohnung eines Anwalts zum Znacht eingeladen. Sie glaubt, der Anwalt interessiere sich für ihre Musik, in Wahrheit will er sie aber von einer Anzeige gegen seinen Kumpel abhalten. Dieser soll Fabienne W. rund eine Woche vorher vergewaltigt haben.

Aber Fabienne W. lässt sich nicht von einer Anzeige abbringen. Drei Kollegen des Anwalts sind ebenfalls in der Wohnung anwesend. Einige Stunden später wird die Hobbymusikerin in der Wohnung spitalreif verprügelt. Am nächsten Morgen wird sie in der Schaffhauser Altstadt gefunden.

Vermutlich sei es um Einschüchterung gegangen, sagt sie zu SRF. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe: Sie hätten lediglich versucht, die Frau zu beruhigen, weil sie randaliert habe.

Anwalt hilft der Polizei bei Ermittlung

Die Vorgänge in der Tatnacht lassen sich heute aufgrund von zwei Überwachungskameras in der Wohnung rekonstruieren. Aber genau um die Beschaffung der Bilder drehen sich im Kern die Vorwürfe gegen die Behörden.

So soll die Polizei bei der ersten Durchsuchung der Wohnung die Aufnahmen vom Handy des Anwalts abgefilmt haben – ohne Ton und in schlechter Qualität.

Weil sie erst dann von der zweiten Überwachungskamera erfuhren, mussten die Beamten am nächsten Tag nochmals ausrücken. Mithilfe des beschuldigten Anwalts werden die Bilder auf einem USB-Stick gesichert.

«Die Polizei hat ihren Auftrag schlicht nicht erfüllt», wird der Strafverteidiger Konrad Jeker von SRF zitiert. Insbesondere die erste Durchsuchung habe allen bekannten kriminalistischen Standards widersprochen. Das Verhalten der Schaffhauser Polizei sei «unglaublich».

«Nichts anderes als Befehlsverweigerung»

In Frühling 2023 rückt die Polizei für eine dritte Durchsuchung aus – und kehrt mit einem Handy des Anwalts zurück. Ob mehrere Mobiltelefone existieren, wurde trotz anders lautenden Auftrags nicht abgeklärt.

Der Kommentar von Jeker dazu lautet erneut: «Job nicht gemacht.» Die Aufträge der Staatsanwaltschaft seien mehrfach nicht ausgeführt worden. «Das ist nichts anderes als Befehlsverweigerung.»

SRF hat die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement im Kanton Schaffhausen mit den Vorwürfen konfrontiert. In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme weisen sie sämtliche Vorwürfe als haltlos und falsch zurück. Der beschuldigte Anwalt habe auf mehrere Anfragen nicht reagiert.

Keine Anklage erhoben

Das Verfahren wegen Vergewaltigung respektive Schändung wurde inzwischen eingestellt. Fabienne W. hat bereits Beschwerde eingelegt. Wegen der schweren Misshandlungen wurde noch keine Anklage erhoben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Folgen haben die Geschehnisse für Fabienne W. aber allemal: Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, habe Schlafstörungen und Gemütsschwankungen und bleibe fast nur noch für sich. Nicht nur die Übergriffe hätten sie traumatisiert, sondern auch das Vorgehen der Behörden.