Wohnungsnot in Berner Touristen-Hotspot«Im schlimmsten Fall müssen wir nach 22 Jahren hier wegziehen»
Carsten Dörges
19.10.2023
Der Tourismus ist für viele Städte und Gemeinden in der Schweiz ein lohnendes Geschäft. Doch oft tauchen auch gravierende Probleme auf. Für eine Familie im Touristen-Hotspot Wengen BE wird die Wohnungssuche zu einem Albtraum.
Carsten Dörges
19.10.2023, 17:06
19.10.2023, 17:11
Carsten Dörges
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Massentourismus sorgt in Gemeinden in der Schweiz für Gewinn, aber auch für Probleme.
Durch die höheren Mietrenditen bei Ferienwohnungen ist der Wohnungsmarkt leergefegt.
In Wengen BE ist die Familie Schlemmer-Catino auf Wohnungssuche und muss um ihre Zukunft bangen.
Das Problem ist bekannt, doch noch sind funktionierende Lösungen Mangelware.
Tourismus ist für viele Gemeinden in der Schweiz eigentlich ein Segen. Die Gäste kommen aus aller Welt, bringen das Geld in die Orte. Ein Leben ohne Gäste – unvorstellbar.
Doch da die Mietrenditen bei Ferienwohnungen höher sind als bei Festvermietungen, gibt es für die arbeitende Bevölkerung ein Problem – es gibt fast keinen bezahlbaren Wohnraum mehr.
Die Familie Schlemmer-Catino steht genau aus diesem Grund jetzt vor einer ungewissen Zukunft, wie der «Blick» berichtet. Die Familie lebt in Wengen, einem touristischen Anziehungspunkt in der Gemeinde Lauterbrunnen im Berner Oberland. Berge, idyllische Holzhäuser, über der Strasse flattern die Fahnen der Schweiz. Wengen hat normalerweise 1300 Einwohner, in der winterlichen Hochsaison aber mehr als 10‘000 und in der sommerlichen Ferienzeit etwa 5000 Bewohner.
Vermieter mit Eigenbedarf
Leerer Wohnraum ist da schnell Mangelware. Ein grosses Problem für die Schlemmer-Catinos, denn vor drei Monaten gab es die Kündigung, der Vermieter meldete Eigenbedarf für die 4,5-Zimmer-Wohnung an, eine neue Wohnung wird gesucht. Doch wohin?
Seit 22 Jahren wohnt die Familie in dem Ort. Mutter Cristina ist medizinische Sekretärin, Vater Davide arbeitet als Hauswart in einem örtlichen Ferienheim, die beiden Kinder sind in Wengen stark verwurzelt. Geregeltes Einkommen, doch die Mieten und Immobilienpreise sind überdurchschnittlich hoch.
Die Familie hat im Internet und im Dorf Inserate veröffentlicht, bei der Gemeinde nachgefragt – ohne Erfolg. Die Gemeinde Lauterbrunnen stösst an ihre Grenzen, letztes Jahr hatten die Hotels fast 460‘000 Logiernächte, dazu noch die Ferienwohnungen mit 200‘000. Geschäftstüchtige Einheimische verdienen durch die Vermietung viel Geld, Einwohner finden keinen bezahlbaren Wohnraum mehr.
Gemeinde muss handeln
Das Problem ist bekannt, die Berner SP-Stadträtin Lena Allenspach ist in der Gemeinde aufgewachsen und stellt im «Blick» klar: «Auf Eigenverantwortung zu setzen reicht nicht. Es braucht konkrete Massnahmen. Die Gemeinde muss deshalb jetzt handeln und bestehenden Wohnraum schützen.» In einer Gemeindesitzung wurde das Problem diskutiert, doch noch ist nicht viel passiert.
Sicherlich für die Familie Schlemmer-Catino im Moment noch keine Rettung, doch die Hoffnung bleibt. Vielleicht kann ja ein Termin bei der Schlichtungsstelle Ende Oktober für ein positives Ende der momentanen Wohnungs-Odyssee sorgen – wenn auch nur für eine gewisse Zeit.