Politik auf Social Media Wenn Facebook die Werbung als Fake News einordnet

Von Lukas Meyer

18.5.2021

Der Abstimmungskampf findet immer stärker auch auf Facebook statt – doch Anzeigen können schnell gesperrt werden. Diese Erfahrung haben auch Schweizer Kampagnen gemacht.

Von Lukas Meyer

18.5.2021

Am 13. Juni stimmen die Schweizer Stimmberechtigten mit der Pestizid- und der Trinkwasser-Initiative über zwei Agrarthemen ab. Die Diskussion ist aufgeheizt – das zeigt sich zum Beispiel an der Zerstörung von Plakaten, was schon mehrere Strafanzeigen nach sich gezogen hat, wie Nau.ch berichtet.

Geworben und diskutiert wird auch in den sozialen Medien. Dort ist man den Regeln der jeweiligen Plattform unterworfen, und diese schauen seit den Erfahrungen von 2016 mit Brexit und Trump-Wahl immer genauer hin. So kann eine Werbeanzeige schnell als Fake News gelten, vor allem, wenn sie von vielen Nutzern gemeldet wird. Trotzdem nutzen die Vertreter der verschiedenen Seiten gerade Facebook sehr gern.

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Franziska Herren von der Trinkwasser-Initiative etwa sagt: «Facebook ist neben anderen Kanälen ein wesentlicher Teil unserer Online-Kampagne.» Gerade in den vergangenen Monaten hätten sie die Menschen besser digital als auf der Strasse erreicht, da diese wegen der Corona-Massnahmen nicht mehr so oft unterwegs seien. «Zudem haben wir auf Facebook eine aktive Unterstützer-Community, die gern unsere Videos und relevante Medienberichte teilt und kommentiert.»

Eine Anzeige der Trinkwasser-Initiative hat Facebook bisher gesperrt. «Nach einer kurzen Abklärung mit dem Support-Dienst von Facebook wurde klar, dass es keinerlei Verstoss gegen die Regeln von Facebook gab», so Herren. Die Anzeige sei rasch wieder freigeschaltet worden, warum sie gesperrt wurde, erfuhren die Initianten nicht.

Auch für den Schweizer Bauernverband ist Facebook ein wichtiges Instrument im Abstimmungskampf. «Wir wollen den Stimmbürger gezielt abholen mit unseren Botschaften», sagt Mediensprecherin Sandra Helfenstein auf Anfrage von «blue News». Bisher sei noch nie eine Anzeige gesperrt worden – «wir deklarieren alles ganz klar als politische Werbung, wie von Facebook gefordert».

Nach wenigen Tagen auf Facebook blockiert

Die Bio-Stiftung Schweiz hat eine Website über die «Mythen der Pestizid-Industrie» aufgeschaltet. Dies ist aber nicht als politische Aktivität oder als Kampagne gedacht, sondern soll der Bewusstseinsbildung im Vorfeld der Absrimmung dienen. «Wir setzen uns ein für eine biologische Landwirtschaft und wollen die Menschen ganzheitlich informieren», sagt Geschäftsführer Mathias Forster im Gespräch mit «blue News».

Das erste Video aus der Reihe «Mythen der Pestizid-Industrie» der Bio-Stiftung Schweiz.

Youtube/Bio-Stiftung Schweiz

Diese Kampagne lief auch auf Social Media: «Wir machen das zum ersten Mal und hoffen, so mit wenig Geld viele Leute erreichen zu können», so Forster. Auf Facebook und Instagram wurden die Anzeigen allerdings nach wenigen Tagen blockiert.

Der zuständige Business Manager habe zusätzliche Infos zur Verifizierung verlangt, wobei wegen eines technischen Defekts momentan nicht klar sei, was nachgeliefert werden soll. «Wir haben einen notariell beglaubigten HR-Auszug, die Gemeinnützigkeitsbescheinigung, Rechnungen und andere Dokumente geliefert. Aber anscheinend scheint dies nicht zu reichen», sagt Forster.

Erneute Überprüfung der Anzeige

Facebook verweist auf Anfrage von «blue News» auf die Werberichtlinien und die Werbebibliothek, in der alle Anzeigen abgerufen werden können. Jene der Bio-Stiftung Schweiz etwa haben den Status als «inaktiv» und bisher je rund 3000 Impressionen. Warum sie inaktiv sind, steht allerdings nicht. 

Dass man mit gezieltem Melden von Anzeigen diese entfernen kann, verneint Facebook. «Ein massenhaftes Melden von Anzeigen würde wohl zu einer erneuten Überprüfung der Anzeige führen, verstösst die Anzeige aber nicht gegen die Werberichtlinien, bleibt sie aktiv», teilt das Unternehmen mit.

Keine Rückschlüsse auf Beeinflussung der Meinung

Wie wichtig ist Facebook allgemein in der Schweizer Politlandschaft? Politiker*innen nutzten die Plattform auf verschiedene Weisen, wie Politologe Maël Kubli von der Universität Zürich erklärt. Sie hätten entweder ein privates Profil, bei dem die Limite allerdings bei 5000 Freunden liegt und keine Werbung geschaltet werden kann. Bei einer eigenen Seite sind die Likes, also Follower, unbegrenzt, und man kann Werbeanzeigen schalten. Diese Möglichkeit werde bis heute aber nicht stark genutzt.

«Es ist sehr schwer, den Einfluss von Werbung auf Facebook auf die Abstimmungen zu messen», so Kubli weiter. Es gebe zwar die Ad Library, die politische Werbung verfolgt und misst, wie viele Leute die Werbung im Feed haben. «Dies lässt aber keine Rückschlüsse zu, wie viele Leute dies ermutigt, abstimmen zu gehen, oder deren Meinung beeinflusst werden kann.»

Gefahr für die Demokratie?

Auch der Bund beschäftigt sich mit dem Thema und lässt untersuchen, welchen Einfluss Facebook und vergleichbare Plattformen auf die öffentliche Meinung haben. Dass private Konzerne bestimmen, wie weit die freie Debatte gehen kann und welche Informationen zugelassen werden, könnte eine Gefahr für die Demokratie sein – zu diesem Schluss kommen mehrere vom Bund beauftragte Juristen, wie CH Media berichtet.