Rutsch bedroht Brienz GR «Die Leute haben die Zuversicht verloren»

Von Stefan Michel

5.5.2023

Der Brienzer Felssturz wird mit jedem Tag wahrscheinlicher. Doch es besteht Hoffnung, dass das Dorf danach wieder bewohnbar wird.
Der Brienzer Felssturz wird mit jedem Tag wahrscheinlicher. Doch es besteht Hoffnung, dass das Dorf danach wieder bewohnbar wird.
Bild: Keystone

Die Brienzer*innen müssen wohl ihre Koffer packen. Christian Gartmann vom Gemeindeführungsstab erklärt blue News, was die nächsten Schritte sind und wie die Dorfbevölkerung damit umgeht.

Von Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der befürchtete Felssturz in Brienz GR rückt näher. Die Dorfbewohner*innen haben die Aufforderung erhalten, die Evakuierung vorzubereiten.
  • Nicht alle haben die Realität akzeptiert, sagt Christian Gartmann, Krisen-Manager im Führungsstab der Gemeinde. 
  • Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Felsmassen in kleineren Portionen abrutschen und das Dorf danach wieder bewohnbar ist.

Heute hat die Bündner Gemeinde Albula/Alvra die Bewohner*innen des Dorfes Brienz aufgefordert, sich auf die Evakuierung vorzubereiten. Die Experten erwarten einen Felssturz in zwei bis sechs Wochen. Sollte sich die Bewegung des «Insel» genannten Bereichs erneut beschleunigen, folgt die Aufforderung, das Dorf zu verlassen.

Die Experten erwarten, dass die Insel in zwei bis sechs Wochen abbrechen und Richtung Brienz abrutschen oder abstürzen könnte. Heisst das, spätestens in zwei Wochen muss Brienz evakuiert sein?

Nein. Ob und wann eine Evakuierung nötig wird, können wir noch immer nicht genau sagen. Das kann in wenigen Tagen oder in mehreren Wochen der Fall sein. Es ist auch immer noch möglich, dass nichts passiert. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht.

Wie gehen die Menschen im Dorf damit um?

Es gibt wenige, die das Geschehen und die Gefahr nicht akzeptieren wollen. Sie wissen, dass in Brienz immer Steine und Felsbrocken herunterkommen und das Dorf rutscht. Die Leute kennen das Problem seit Generationen, dass ihr Haus immer mehr kaputtgeht. Und jetzt ist das Problem zur Krise geworden. Sie haben die Zuversicht verloren.

Was geschieht, wenn sich jemand weigert, das Dorf zu verlassen?

Wir reden mit den Leuten und werden versuchen, sie zu überzeugen. Aber letztlich ist die Evakuierung nicht freiwillig. Ab einem bestimmten Zeitpunkt gilt ein Betretungsverbot im Dorf.

Wo gehen die Brienzer*innen hin?

Bei der letzten Befragung hatten zwei Drittel der Bevölkerung eine private Lösung. 17 Personen wussten da noch nicht, wo sie unterkommen. Wir erfahren aber viel Solidarität. Zweitwohnungsbesitzer und weitere Personen haben uns Wohnungen angeboten. Viele davon sogar kostenlos.

Besteht Hoffnung, dass die Brienzer Bevölkerung in das Dorf zurückkehren kann?

Diese Hoffnung besteht. Es ist laut den Experten das wahrscheinlichste Szenario, dass die Insel in kleineren Felsstürzen abbricht. So würde das Dorf am ehesten verschont und die Menschen könnten danach wieder ohne Gefahr in Brienz leben.

Rutscht nicht das ganze Dorf ab?

Es gibt eine grosse Rutschung und eine kleine. Die Grosse hat sich auch dank des Sondierstollens verlangsamt. Oben auf dieser riesigen Rutschung gibt es eine kleinere Rutschung, die wir «Insel» nennen. Und sie rutscht sehr viel schneller und droht nun, abzubrechen. Sobald die Insel unten ist, können wir uns wieder auf die grosse Bewegung konzentrieren.

Könnte man die Insel dann nicht sprengen, sodass das Dorf wieder sicher ist?

Wir haben schon viele Vorschläge erhalten. Vom Sprengen bis zur Bombardierung der Insel durch die Armee. Aber dieses Problem lässt sich nicht technisch lösen. Wir müssen warten, bis das Ereignis von selber eintritt.

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