Munitionslager: 87 Bewohner müssen Mitholz nicht zwingend verlassen
Die Räumung des Armee-Munitionslagers in Mitholz BE stellt 87 Bewohner des Dorfs vor eine schwierige Entscheidung. Entgegen der ursprünglichen Planung dürfen sie nun doch im Dorf bleiben, wenn sie dies wollen.
10.03.2022
Ein ganzes Dorf muss umziehen: Davon war in Mitholz im Berner Oberland stets die Rede, weil ein ehemaliges Munitionslager geräumt werden muss. Jetzt steht fest: 87 Bewohner*innen können bleiben – mehr als erhofft.
«Das ist ein freudiges Ereignis», sagt Roman Lanz. Der Gemeindepräsident von Mitholz hat seit dem Mittwoch mehr Klarheit, wie es für die Leute im Dorf weitergeht.
87 von ihnen dürfen bleiben, wenn sie wollen. Ihre Häuser liegen im äussersten Bereich der Gefahrenzone, wenn das einstige Munitionslager auf dem Gemeindegebiet geräumt wird. «Das sind mehr, als wir gedacht hatten», sagt Lanz zu blue News. Für weitere 51 Bewohner*innen bleibt es dagegen dabei: Sie müssen an einen sichereren Ort umziehen.
Doch auch jene Bewohner*innen, die bleiben dürfen, stehen vor keiner einfachen Entscheidung: Ihre Lebensqualität dürfte wegen der Bauarbeiten über Jahre hinweg eingeschränkt sein. Lärm, Staub und Erschütterungen seien wegen der Räumung des ehemaligen Munitionslagers zu erwarten, teilte das Eidgenössische Verteidigungsdepartement (VBS) am Mittwoch mit. Das VBS sei deshalb weiterhin bereit, sämtliche Liegenschaften im Berner Oberländer Dorf zu kaufen.
Gleichwohl spricht der Gemeindepräsident von guten Nachrichten: «Für viele im Dorf eröffnen sich jetzt neue Perspektiven. Sie haben jetzt länger Zeit, zu einer guten Entscheidung zu finden.»
Ab 2030 wird geräumt
Zunächst ging man davon aus, dass alle Bewohner*innen ihre Häuser spätestens 2030 aus Sicherheitsgründen verlassen müssen. Die «heisse Phase» der Räumung wird danach etwa zehn Jahre dauern.
Das Gebiet um das ehemalige Munitionslager in Mitholz: Die Bewohner*innen müssen das Dorf verlassen.
Doch müssen wirklich alle gehen? Ob manche Teile des Dorfes bewohnbar bleiben, lässt das Verteidigungsdepartement VBS abklären.
Grund sind die aufwändigen Räumungsarbeiten eines ehemaligen Munitionslagers. Am 19. und 20. Dezember 1947 kam es in einem Depot oberhalb von Mitholz zu mehreren Explosionen von insgesamt 7000 Tonnen Munition, die das Dorf völlig verwüstete.
Neun Menschen kamen ums Leben, sieben weitere wurden verletzt, mehr als 100 Gebäude wurden zerstört oder beschädigt.
Die Räumung soll 2030 beginnen und rund zehn Jahre dauern – ob die Bewohner*innen wieder zurückkehren können, ist offen.
Eine Informationsveranstaltung im Februar 2020 für die Bevölkerung mit Vertreter*innen von Gemeinde und Armee in Kandersteg.
Das Verteidigungsdepartement VBS ist bereit, sämtlichen Bewohner*innen ihre Liegenschaften abzukaufen und sie beim Umzug zu unterstützen.
Für die Menschen, die teils seit Generationen in dem Dorf im Berner Oberland leben, stehen schwierige Entscheide an.
Liegenschaften in Mitholz werden bewertet
Das Gebiet um das ehemalige Munitionslager in Mitholz: Die Bewohner*innen müssen das Dorf verlassen.
Doch müssen wirklich alle gehen? Ob manche Teile des Dorfes bewohnbar bleiben, lässt das Verteidigungsdepartement VBS abklären.
Grund sind die aufwändigen Räumungsarbeiten eines ehemaligen Munitionslagers. Am 19. und 20. Dezember 1947 kam es in einem Depot oberhalb von Mitholz zu mehreren Explosionen von insgesamt 7000 Tonnen Munition, die das Dorf völlig verwüstete.
Neun Menschen kamen ums Leben, sieben weitere wurden verletzt, mehr als 100 Gebäude wurden zerstört oder beschädigt.
Die Räumung soll 2030 beginnen und rund zehn Jahre dauern – ob die Bewohner*innen wieder zurückkehren können, ist offen.
Eine Informationsveranstaltung im Februar 2020 für die Bevölkerung mit Vertreter*innen von Gemeinde und Armee in Kandersteg.
Das Verteidigungsdepartement VBS ist bereit, sämtlichen Bewohner*innen ihre Liegenschaften abzukaufen und sie beim Umzug zu unterstützen.
Für die Menschen, die teils seit Generationen in dem Dorf im Berner Oberland leben, stehen schwierige Entscheide an.
Neue Hoffnung kam im Dorf auf, als im vergangenen Herbst ein «Schalenmodell» mit abgestuften Gefahrenzonen angekündigt wurde. Über die Resultate wurden die Menschen am Mittwochabend in Mitholz und die Medienvertreter*innen in Bern informiert.
Das riesige unterirdische Munitionslager wurde 1947 bei einer Explosion verschüttet. In den eingestürzten Anlageteilen und Schuttkegeln sollen noch Tausende Tonnen Munition liegen. 2018 kamen Experten zum Schluss, dass vom Lager eine grössere Gefahr ausgeht als bis dahin angenommen. Seither laufen die Vorarbeiten für die möglichst vollständige Räumung.
Der Wohnort entscheidet, wer bleiben darf
Der Dialog mit der Bevölkerung ist seit Längerem im Gang. Das VBS hat bisher vier Liegenschaften gekauft, vier weitere folgen in Kürze. Die Kaufpreise sind nicht bekannt. Drei Familien sind bereits weggezogen, wie es an der Medienorientierung in Bern hiess.
Die Liegenschaftskäufe und Umzüge müssten spätestens 2030 abgeschlossen sein. Für den Bau der Schutzbauten für Strasse und Bahn müssen erste Bewohner*innen ihre Häuser allerdings schon 2025 verlassen. «Diese stehen jetzt am meisten unter Druck», sagt Roman Lanz, «und wir vom Gemeinderat müssen ihnen so gut helfen, wie wir können.»
Ein Dorf wird geräumt – «hoffentlich darf ich vorher sterben»
Ein ganzes Dorf muss geräumt werden, weil das ehemalige Munitionslager Mitholz laut Bundesrat noch immer gefährlich ist. Vor rund 70 Jahren haben neun Menschen ihr Leben verloren. Gemeindepräsident Roman Lanz im «blue News»-Interview.
07.12.2020
Doch auch wer umziehen muss, kann unter Umständen in Mitholz bleiben: Geplant sei, neue Bauzonen ausserhalb des Sperrgebiets zu öffnen, sagt Lanz. Spruchreif sei zwar noch nichts, doch die Hoffnungen seien gross.
Linienführung geklärt
Bekannt ist nun auch die künftige Linienführung der Nationalstrasse, welche die Kantone Bern und Wallis verbindet. Damit sie während der Räumung geschützt ist, soll der bestehende Lawinenschutztunnel in Richtung Frutigen verlängert werden. Diese Schutzbaute wird nach Abschluss der Räumung als Ortsumfahrung bestehen bleiben.
Mehrere Varianten wurden geprüft, entschieden haben sich die Behörden für eine Linienführung östlich der heutigen Ortsdurchfahrt. Mit einem im Fels erstellten Tunnelteil tangiere diese nur wenige Gebäude, ermögliche eine gute Baustellensituation und passe gut ins Ortsbild, hiess es an der Medienorientierung.
Notlösung möglich
Zunächst geht es für das VBS nun darum, mit allen betroffenen Bewohner*innen persönliche Gespräche zu führen. Im zweiten Quartal dieses Jahres folgt eine Mitwirkung zum Sachplan-Objektblatt Mitholz.
Bis Ende 2022 wird der Bundesrat die nötigen Kredite für die Räumung im Parlament beantragen. Gemäss früheren Angaben werden die Kosten auf 500 bis 900 Millionen Franken geschätzt.
Ob das 1947 verschüttete Munitionslager wirklich komplett geräumt werden kann, ist noch offen. Klarheit wird erst im Lauf der Räumung herrschen. Zur Not könnte die gesamte Anlage mit Gestein überdeckt werden.
SDA/gbi