Erklärung des Nationalrats«Eine Mischung aus Unverständnis und Ungeduld»
Von Lukas Meyer
3.3.2021
Der Nationalrat fordert den Bundesrat mit einer Erklärung zu weiteren Öffnungsschritten auf. Politologe Lukas Golder analysiert, warum gerade dieses Mittel gewählt wurde und was es für den Bundesrat bedeutet.
Von Lukas Meyer
03.03.2021, 16:01
03.03.2021, 16:45
Lukas Meyer
Herr Golder, die heute vom Nationalrat angenommene Erklärung ist nicht bindend – was ist dann der Zweck dahinter?
Ich sehe sie als Element eines permanenten Wahlkampfs. Das Parlament steht selber unter Druck, was die eigene Rolle angeht – und geht nun in einer Mischung aus Unverständnis und Ungeduld diesen aussergewöhnlichen Schritt, um den Druck auf den Bundesrat zu erhöhen. Irritierend dabei ist, dass die Parteien, die dafür gestimmt haben, im Bundesrat eine Mehrheit haben.
Zur Person
zvg
Lukas Golder ist Politologe und Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern.
Mitte-Nationalrat Martin Landolt argumentiert, man wolle nicht in die Aufgabenteilung unter den Institutionen eingreifen und gebe darum eine solche Erklärung ab. Ist das schlüssig?
Ja, alles andere wäre noch irritierender. Die Kompetenzen sind im Epidemiegesetz klar geregelt, und diese Frage nach den Kompetenzen ist zentral.
Nächste Woche wird es im Nationalrat um eine verbindliche Gesetzesänderung gehen. Werden dann viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier anders stimmen?
Ich denke schon – die Mitte hat dazu klare Signale gesendet. Sie tariert aus und nimmt ihre Scharnierfunktion in beiden Räten wahr. Das Gesetz wird nicht geändert werden und die Kompetenzen bleiben. Die demokratischen Rechte funktionieren weiterhin sehr gut: Alle Massnahmen erfolgen auf Grundlage des Epidemiegesetzes, das vom Volk angenommen worden ist, Abstimmungen können nun wieder ohne Probleme durchgeführt werden. Ich sehe keine Krise der Institutionen und der Demokratie.
Der Bundesrat muss gleichzeitig versuchen, Impulse von aussen vernünftig zu verarbeiten und innerhalb des Gremiums gut zu funktionieren. In der Vergangenheit hatte man den Eindruck, der Bundesrat sei etwas abgekoppelt. Ich bin aber überzeugt, dass alle Impulse ankommen, wenn sie gut strukturiert sind – so auch diese Botschaft.
SVP-Präsident Marco Chiesa bezeichnet die Erklärung als «ein schönes Zeichen», dem aber Taten folgen sollten. Was halten Sie davon?
Es ist für die Führung in der Krise schwer nachvollziehbar, wenn das Parlament versucht, das Virus zu steuern. Die Bewältigung der Krise sollte weiterhin objektiv und auf Basis der Fakten und der Wissenschaft erfolgen. Das Parlament ist hier nicht im Lead, sondern soll den politischen Rahmen strukturieren.
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