Zu wenig Impf-Kapazität Booster-Impfung für alle kommt wohl erst nächstes Jahr

lpe, SDA

21.11.2021

Die Kantone haben nach dem Sommer teilweise die Impf-Kapazität stark runter gefahren. Mit den Booster-Impfungen kommen sie nun schnell an den Anschlag.
Die Kantone haben nach dem Sommer teilweise die Impf-Kapazität stark runter gefahren. Mit den Booster-Impfungen kommen sie nun schnell an den Anschlag.
KEYSTONE (Symbolbild)

Viele Kantone sind nicht bereit, unter 65-jährigen Menschen die Booster-Impfung gegen Covid-19 ab Anfang Dezember zu verabreichen. Ein Infektiologe fordert, dass die Armee aushelfen soll.

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Einige Woche müssten sich die unter 65-Jährigen noch gedulden, dann würde die Booster-Impfung auch für sie empfohlen, sagte Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, diese Woche vor den Medien. Viele hoffen nun darauf, sich noch vor den Weihnachten ein drittes Mal impfen zu können.

Doch eine Umfrage der «SonntagsZeitung» bei verschiedenen Kantonen zeigt: Daraus wird wohl nichts. Die Kantone können die nötigen Impfkapazitäten nicht bereitstellen, um ab Dezember allen Interessenten die dritte Impfung zu verabreichen.

Bern hat die Impf-Kapazität um zwei Drittel gesenkt

Deutlich wird das im Kanton Bern: «Für die unter 65-Jährigen werden wir die Boosterimpfung erst Anfang Januar zugänglich machen», und zwar gestaffelt nach Altersgruppen, sagt Gundekar Giebel, Sprecher der kantonalen Gesundheitsdirektion.

Denn Giebel rechnet nicht damit, dass bis Weihnachten alle über 65-Jährigen geimpft werden können. Anders als in Spitzenzeiten im Frühsommer, als täglich bis zu 100'000 Dosen pro Wochen verimpft wurden, seien im November und Dezember nur noch mit maximal 35'000 Dosen zu rechnen, also etwas über einen Drittel dieser Menge. «So hohe Kapazitäten wie zu Spitzenzeiten im Frühjahr sind nicht mehr möglich, weil das für Impfungen qualifizierte Personal jetzt wieder anderswo eingesetzt werden muss», sagt Giebel.

35'000 Dosen sind 35'000 verfügbare Termine – doch davon sind laut der Zeitung nur 25'000 für Booster-Impfungen vorgesehen. Laut Berechnungen der «SonntagsZeitung» würde es alleine sechs Wochen in Anspruch nehmen, wenn nur 70 Prozent der rund 220'000 über 65-Jährigen in Bern eine dritte Impfung wünschten.

Kantone wollen Booster-Impfung vor Weihnachten nicht garantieren

Ein wenig zuversichtlicher ist der Kanton Basel-Stadt gestimmt. Man werde «noch vor Weihnachten» bei den unter 65-jährigen Personen mit Auffrischungsimpfungen «beginnen», sagt Anna Lüthi, Sprecherin des Gesundheitsdepartement zu der Zeitung. Auch Zürich und Luzern stellen ähnliche Prognosen – wollen eine Booster-Impfung für alle jedoch nicht garantieren.

Dass die Kantone die Impf-Infrastruktur runtergefahren haben, kritisiert GLP-Nationalrat Martin Bäumle gegenüber der «SonntagsZeitung». Es sei schon im Frühjahr absehbar gewesen, dass eine Auffrisch-Impfung im Herbst nötig werden könnte. Er fordert darum eine schnelle Reaktion der Kantone, um die neue Welle abzubremsen: «Jetzt gibt es keine Ausreden mehr», genug Impfstoff sei verfügbar. «Die Kantone dürfen keine Zeit verlieren und müssen die Infrastruktur sofort erhöhen.»

Weniger zur Eile drängt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen, es sei das Wichtigste, dass nun die vulnerablen Gruppen und das Gesundheitspersonal geboostert werden könnten. Für den Aufbau der Kapazitäten für den Rest der Bevölkerung sei noch Zeit, da bei den meisten die zweite Impfung noch keine sechs Monate zurückliegt.

Infektiologe warnt vor ähnlicher Situation wie in Österreich

Der Zürcher Infektiologen Huldrych Günthard hingegen will mit dem Booster für alle nicht zuwarten: Auch für Jüngere sei der Booster rasch nötig. «Sonst kommen wir bald in die Situation, in der Österreich jetzt schon ist.», sagt Günthard im Interview mit derselben Zeitung. Im Nachbarland gilt ab Montag ein Lockdown für alle. Während die Ausgangsbeschränkungen für Geimpfte und Genesene spätestens am 13. Dezember enden sollen, ist der Lockdown für Ungeimpfte unbefristet.



Es sei zudem unverständlich, «dass die Kantone nicht alles unternehmen, um diese älteren und gefährdeten Personen jetzt und nicht erst bis Ende Dezember zu boostern», sagte Günthard. Die über 65-Jährigen müssten die dritte Impfung eigentlich bereits erhalten haben.

Günthard: Armee und Zivilschutz sollen helfen

Fehle in den Kantonen das nötige Personal für das rasche Impfen, müsste nach Ansicht von Günthard die Armee oder der Zivilschutz aushelfen. Zumindest wer die Sanitäts-RS absolviere, könne selbst impfen. Auch gebe es in Impfstrassen viele Arbeiten, die nicht von geschultem Gesundheitspersonal erledigt werden müssten.



Die in der Schweiz verabreichten mRNA-Impfstoffe verzögerten wohl den Anstieg der Spitaleinweisungen. Verhindern könnten diese Impfstoffe «eine sehr problematische Situation» nicht, «weil einfach zu wenige geimpft und geboostert sind», sagte Günthard. Vom Bundesrat forderte er rasch wirkungsvollere Schutzmassnahmen.