Fragen und Antworten Was unternimmt die Schweiz gegen die Affenpocken?

tafi

24.5.2022

Videografik: Affenpocken – Wissenswertes zur Virus-Erkrankung

Videografik: Affenpocken – Wissenswertes zur Virus-Erkrankung

Videografik: Affenpocken – Wissenswertes zur Virus-Erkrankung

01.06.2022

Mit einem schnellen Ende der Affenpocken-Welle rechnen Fachleute nicht. In ersten Ländern gibt es Impfungen und lange Quarantänezeiten. Die Schweiz ist noch entspannt, bereitet sich aber vor. 

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Die Pocken zählten lange zu den gefährlichsten Krankheiten überhaupt für den Menschen. Impfstoffe brachten die Rettung, seit 1980 gilt die Welt als pockenfrei. Ein verwandter, aber harmloserer Erreger sorgt nun aber für eine ungewöhnliche Infektionshäufung.

Was bedeutet das vermehrte Auftreten von Affenpocken-Infektionen? Gibt es einen Impfstoff? Droht gar eine neue Pandemie? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sind Affenpocken?

Bei den Affenpocken (offiziell Monkeypox virus, MPV) beim Menschen handelt es sich um eine Viruserkrankung, die für gewöhnlich in Afrika vorkommt. Die Viren gehören zu einer Unterfamilie der herkömmlichen Pockenviren und haben ihr Reservoir vermutlich in Nagetieren, sind aber auch auf Menschen übertragbar. Affen, woher die Erreger ihren Namen haben, gelten indes lediglich als sogenannte «Fehlwirte». Auch beim Menschen können die Viren eine pockenähnliche Erkrankung auslösen, die sich meist mild äussert.

Was sind die Symptome von Affenpocken?

Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.

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Wieso treten Affenpocken derzeit gehäuft auf?

Das wissen die Experten noch nicht. Sie sind sich aber einig, dass der aktuelle Ausbruch auffällig ist. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.

Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Die kürzlich nachgewiesenen Infektionen seien unter anderem deshalb atypisch, weil die meisten Betroffenen nicht nach West- oder Zentralafrika gereist seien, heisst es in einem Statement von Hans Kluge, Regionaldirektor für Europa bei der WHO.

Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Spitäler und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.

Weltweit sind inzwischen weit über 100 Fälle nachgewiesen, wegen der langen Inkubationszeit von bis zu drei Wochen gehen Experten von einer Vielzahl weiterer Meldungen in nächster Zeit aus.

Wie viele Fälle sind in der Schweiz bekannt?

In der Schweiz ist ein erster Fall von Affenpocken bestätigt. Es handelt sich um einen Fall im Kanton Bern, wie die kantonale Gesundheitsdirektion am Samstag mitteilte. Der Fall wurde am Freitag gemeldet und hat sich nach Laboruntersuchungen bestätigt.

Wie gefährlich sind Affenpocken?

Die Virus-Erkrankung ruft laut Gesundheitsbehörden verschiedener Länder meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. «Wir schätzen das Risiko zurzeit als gering ein, die epidemiologischen Daten sind aber noch beschränkt», wird Céline Gardiol, Leiterin der Sektion Impfempfehlungen und Bekämpfungsmassnahmen im Bundesamt für Gesundheit (BAG), bei SRF zitiert.

Gibt es einen Impfstoff gegen Affenpocken?

Einen spezifischen Impfstoff gegen Affenpocken gibt es gemäss BAG nicht. Herkömmliche Pockenimpfstoffe der ersten und zweiten Generation würden aber bereits einen wirksamen Schutz bieten. Diese wurden im Rahmen des Programms zur Ausrottung der Pocken in der Schweiz bis 1972 verabreicht.

Die Personen, die bis dahin mit dem Pocken-Impfstoff geimpft worden seien, würden «wahrscheinlich eine gewisse Immunität» auch gegen das Affenpocken-Virus haben, sagte Nartey. «Wie gut diese Immunität ist, kann ich derzeit nicht sagen.» Das BAG prüfe derzeit die Beschaffung eines Impfstoffes. Die Behörde sieht allerdings keinen Grund für Panik.

Das in der Schweiz zurzeit kein Impfstoff gegen (Affen-)Pocken zugelassen ist, liege daran, dass «die Krankheit ausgerottet war, keine Impfungen mehr stattfanden und die Firmen auf die Zulassung der von vor Jahren zugelassenen Arzneimittel verzichtet haben», erklärt Swissmedic-Mediensprecher Alex Josty auf Nachfrage von blue News.

Ein Pocken-Impfstoff der dritten Generation (MVA-BN/Imvanex), der auch Schutz gegen Affenpocken bietet, wurde in der EU für die Immunisierung gegen Pocken bei Erwachsenen zugelassen. Dieser Impfstoff ist allerdings gemäss dem BAG in der Schweiz nicht verfügbar respektive zugelassen.

Warum ist der neuartige Impfstoff in der Schweiz nicht zugelassen?

Impfstoffe werden von Swissmedic zugelassen. Die Arzneimittelbehörde wird allerdings nicht selbst aktiv, sondern nur auf Gesuch von Herstellerfirmen. «Swissmedic hat im Moment keine Anträge auf Zulassung von Arzneimittel zur Bekämpfung von (Affen-)Pocken im Haus und auch in den letzten Jahren keine erhalten», informiert Alex Josty.

Allerdings dürften Medizinalpersonen mit bestimmten Bewilligungen und unter gewissen Voraussetzungen «Medikamente zur Behandlung einer Infektion mit Affenpocken, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, ohne Bewilligung von Swissmedic einführen». Dies sei gestützt auf Artikel 49 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung.

Ein Off-Label-Use von Impfstoffen oder Arznei aus den Nachbarländern wäre damit in der Schweiz grundsätzlich erlaubt. «Die rechtlichen Grundlagen dafür liegen – wie auch die Kontrolle über die Berufsausübung der Ärztinnen und Ärzte – im Zuständigkeitsbereich der Kantone» heisst es dazu bei Swissmedic.

Wie werden Affenpocken behandelt?

Behandelt werden in der Regel die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen. In der EU gibt es mit dem Medikament Tecovirimat eine antivirale Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung, die allerdings in der Schweiz nicht zugelassen ist.

Welche besonderen Vorsichtsmassnahmen solltest du beachten?

Personen, die aus einem Risikogebiet (West- und Zentralafrika) zurückkehren, sollten den Gesundheitszustand beobachten und bei Symptomen eine ärztliche Fachperson aufsuchen. Letzteres rät das BAG generell allen Personen mit Symptomen.

Bei Kontakt mit einer infizierten Person solltest du dich schützen. Hygiene ist wie bei allen Infektionskrankheiten besonders wichtig: Also einmal öfter Hände waschen und desinfizieren.

Das BAG empfiehlt auf seiner Homepage zudem, Verdachtsfälle zu isolieren und zu testen.

Wie ansteckend ist das Affenpocken-Virus im Vergleich mit dem Coronavirus?

Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar. Aktuell scheint die Übertragung bei Affenpocken zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, sagen Fachleute. «Basierend auf dem, was man über das Virus weiss, kann man davon ausgehen, dass es weniger übertragbar ist als das Coronavirus», sagt Linda Nartey bei SRF.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei nur bei engem Kontakt möglich, könne aber etwa auch durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf Infizierter vorkommen.

Werden Infizierte in Quarantäne geschickt?

Erste Länder beginnen mit Impfungen und setzen bereits lange Quarantänezeiten fest. Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA empfiehlt eine Quarantänezeit für enge Kontaktpersonen von Infizierten von drei Wochen.

Belgische Behörden ordnen eine 21-tägige Isolation für Infizierte an, wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Montag bestätigte. Für Kontaktpersonen gilt dies nicht, ihnen wird nur zu besonderer Vorsicht geraten. In Deutschland gibt es noch keine solchen Empfehlungen, es werde aber daran gearbeitet.

Gibt es jetzt die nächste Pandemie?

Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, sagen Forscher. Ob das Virus die Nische besetzt, die durch die Ausrottung der Pockenkrankheit freigeworden ist, sei momentan aber noch nicht abschätzbar.

Man habe im Moment keine Hinweise darauf, «dass wir vor einer neuen Pandemie stehen», sagt BAG-Chefin Linda Nartey bei SRF. Allerdings müsse die Situation beobachtet werden. Für Infektiologie-Professor Jan Fehr ist diese Sensibilisierung wichtig, um «gut in die Zukunft zu kommen». Es werde mehr solche Krankheiten geben, «das ist zumindest meine Prognose».

Mit Material der Nachrichtenagenturen Keystone-SDA und dpa.

Ausschlag an der Hand eines Kindes nach einer Affenpocken-Infektion. (Archiv)
Ausschlag an der Hand eines Kindes nach einer Affenpocken-Infektion. (Archiv)
Bild: Keystone