Verzollen schon ab 50 Franken? Detailhändler, Bauern und Preisüberwacher streiten über Einkaufstourismus

Von Tobias Benz

16.2.2024

Das deutsche Einkaufszentrum Lago in Konstanz zählt zu den beliebtesten Zielen von Schweizer Einkaufstouristen.
Das deutsche Einkaufszentrum Lago in Konstanz zählt zu den beliebtesten Zielen von Schweizer Einkaufstouristen.
Bild: KEYSTONE

Einkaufstourismus im Ausland könnte für Schweizerinnen und Schweizer schon bald teurer werden. Der Bundesrat will, dass bereits ab einem Einkauf von 150 Franken eine Mehrwertsteuer fällig wird. Den Detailhändlern und dem Bauernverband reicht das nicht.

Von Tobias Benz

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Shoppingtouristen sollen künftig schon ab einem Einkauf von 150 Franken statt der bislang gültigen 300 Franken besteuert werden. Das will der Bundesrat.
  • Für Detailhändler und Bauern ist auch das noch zu viel – sie verlangen eine Senkung der Zollfreigrenze auf 50 Franken.
  • Der Preisüberwacher hält dagegen und fordert eine Bekämpfung der «Hochpreisinsel Schweiz». Im Inland die Preise hochzuhalten, widerspreche zudem dem Gedanken der freien Marktwirtschaft.
  • Bei einer Senkung der Zollfreigrenze besteht zudem die Gefahr auf einen Mehraufwand an den Grenzen. Hier macht den Befürwortern die Quickzoll-App einen Strich durch die Rechnung.

Wer im Ausland auf Shoppingtour geht, bleibt aktuell bis zu einem Einkauf von 300 Franken mehrwertsteuerfrei. Dafür sorgt die sogenannte Wertfreigrenze oder Zollfreigrenze: Einkaufstouristen müssen bei ihrer Rückreise in die Schweiz erst dann die Mehrwertsteuer bezahlen, wenn der Wert der Waren mehr als 300 Franken pro Person überschreitet.

Um Schweizer Geschäfte zu stärken und den Einkaufstourismus im Ausland einzudämmen, will der Bundesrat die Wertfreigrenze im kommenden Jahr auf 150 Franken herabsetzen. Zurzeit läuft das Vernehmlassungsverfahren.

Gegen das Vorhaben des Bundes regt sich Widerstand – und auch die Profiteure sind mit den Überlegungen nicht ganz einverstanden. Zum einen ist da der Preisüberwacher, der eine Senkung der Wertfreigrenze grundsätzlich für falsch hält, auf der anderen Seite stehen Detailhändler und Bauernverband, denen die Reduktion nicht ausreicht.

Milliardenverlust für den Bund?

Die Bauern unterstützen die Senkung der Wertfreigrenze zwar, sind aber der Meinung, dass diese auf 50 Franken festgelegt werden soll, heisst es auf Nachfrage beim Verband.

«Mit der Senkung der Zollfreigrenze wird ein ungerechtes Steuerschlupfloch geschlossen. Es ist nicht fair, wenn auf den Einkäufen aus dem Einkaufstourismus nirgends eine Mehrwertsteuer bezahlt wird», sagt Sandra Helfenstein, Kommunikationsleiterin des Bauernverbands, zu blue News. Die aktuelle Wertfreigrenze sei zum Nachteil jener Konsumenten, die in der Schweiz einkaufen.

Der Verband der Detailhandelsunternehmen schlägt in die gleiche Kerbe. «Das heutige System setzt nicht nur falsche Anreize, sondern subventioniert faktisch den ausländischen Detailhandel», heisst es in einer Stellungnahme. In der aktuellen Gesetzeslage entgingen dem Bund damit jährlich 10 Milliarden Franken Steuersubstrat, rechnet der Verband vor.

Ein Schweizer Nummernschild vor dem italienischen Supermarkt Belforte in Varese.
Ein Schweizer Nummernschild vor dem italienischen Supermarkt Belforte in Varese.
Bild: KEYSTONE

Preisüberwacher: «Das ist nicht der richtige Weg»

Der Preisüberwacher hält die Senkung der Wertfreigrenze für falsch. «Diese Massnahme wird den Einkaufstourismus kaum wesentlich beeinflussen können, weil die Mehrwertsteuer die teils riesigen Preisunterschiede zwischen der Schweiz und dem angrenzenden Ausland bei weitem nicht kompensieren kann», heisst es auf Anfrage von blue News.

«Die Bemühungen des Parlamentes sollten deshalb darauf abzielen, die Hochpreisinsel zu bekämpfen, das würde auch dem heimischen Handel weit mehr nützen, als die Senkung der Mehrwertsteuerfreigrenze.» Im Inland die Preise hochzuhalten, widerspreche zudem dem Gedanken der freien Marktwirtschaft, sagt der Preisüberwacher. «Das ist sicher nicht der richtige Weg.»

Für den Bauernverband zählt dieses Argument nicht. «Lebensmittel kosten bei uns im Verhältnis zur Kaufkraft so wenig wie nirgendwo sonst auf der Welt», sagt Helfenstein. «Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt gibt gerade mal 6,2 Prozent seines verfügbaren Haushaltsbudgets fürs Lebensmittel aus.»

«Quickzoll-App» würde für Mehraufwand sorgen

Ein anderes Problem wäre der potenzielle Mehraufwand für den Staat. Bei einer Senkung der Zollfreigrenze auf 150 Franken rechnet der Bund mit vermehrten Verzollungen an den Schaltern und dadurch auch mit Verkehrsbehinderungen an den Grenzübergängen.

Die Problematik: Die Quickzoll-App, die das Warten am Schalter verhindern soll, besteuert alle Waren mit demselben Mehrwertsteuersatz von 8,1 Prozent. Wer Lebensmittel einkauft, für den lohnt sich der Gang an den Schalter deshalb – dort gilt für solche Einkäufe nämlich der reduzierte Steuersatz von 2,6 Prozent, der auf der App bis auf Weiteres noch nicht verfügbar ist.

Mindestens, solange die Vermehrwertsteuerung nicht auf einfache Weise über die App erfolgen könne, sei dies ein Verlustgeschäft für den Staat, heisst es seitens der Preisüberwachung.