Lebensader Rhein Der Klimawandel bedroht das Schweizer Tor zur Welt

Von Oliver Kohlmaier

14.4.2023

Niedrigwasser-Gastanker Gas 94 auf dem Rhein bei Bingen in Deutschland.
Niedrigwasser-Gastanker Gas 94 auf dem Rhein bei Bingen in Deutschland.
IMAGO/blickwinkel

Der Rhein hat als eine der verkehrsreichsten Wasserstrassen der Welt auch für die Schweiz eine enorme Bedeutung. Der Klimawandel jedoch bedroht die Schifffahrt zwischen Basel und Rotterdam.

Von Oliver Kohlmaier

Nur wenige Flüsse haben für die Kultur Europas eine so grosse Bedeutung wie der Rhein. In der Geschichte der Anrainerstaaten spielt der Strom eine Schlüsselrolle, in Deutschland prägte die Rheinromantik eine ganze Epoche. Auch die Schweizer haben eine innige Verbindung zu jenem Fluss, der die Entwicklung Europas so sehr prägte.

Das betrifft insbesondere seine Rolle als wichtiger Verkehrsweg. Schon die Römer nutzten ihn für den Handel auf Schiffen, heute ist er eine der verkehrsreichsten Wasserstrassen der Welt. Doch die Zukunft des Rheins als Handelsweg ist gefährdet, wie der vergangene Sommer drastisch vor Augen führte.

So regnete es wochenlang im gesamten Einzugsgebiet nicht, vielerorts fielen die Wasserstände auf Tiefstwerte. Weltweit Schlagzeilen machte dies aber nicht etwa wegen gravierender Folgen für die Ökosysteme des Flusses, sondern wegen der eingeschränkten Schifffahrt.

Der Rhein ist das Schweizer Tor zur Welt

Niedrigwasser ab einem bestimmten Schwellenwert bringt Millionenverluste mit sich – pro Tag. Noch im September waren die Wasserstände so niedrig, dass die Lastkähne nur ein Viertel der üblichen Ladung aufnehmen konnten, was Transporte verteuerte.

Auch in Basel kamen deshalb weitaus weniger Frachter an als üblich, weil viele Reedereien den Schiffsverkehr ganz eingestellt hatten.

Die Basler Rheinhäfen sind eine bedeutende Drehscheibe für den Aussenhandel der Schweiz.
Die Basler Rheinhäfen sind eine bedeutende Drehscheibe für den Aussenhandel der Schweiz.
KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER (Archivbild)

Der Rhein ist eine Schlagader des europäischen Handels und hat auch für die Schweiz enorme Bedeutung. Bereits im Jahr 1868 liess sich das Binnenland mit der Mannheimer Akte ihren Zugang zur Nordsee völkerrechtlich garantieren. Basel ist somit gleichsam das Schweizer Tor zur Welt, zumindest auf dem Wasser.

Prognosen gehen trotz zwischenzeitlichem Rückgang mit weiter steigendem Güterverkehr aus. Die Kapazitäten in Basel sollen daher weiter ausgebaut werden.

Langfristig jedoch ist die Zukunft des Rheins als Wasserstrasse ungewiss und hängt sowohl von den Anstrengungen beim Klimaschutz als auch von kostspieligen Investitionen in die Infrastruktur ab — etwa die in Deutschland immer wieder geforderten Vertiefungen der Fahrrinne. 

«Niedrigere Abflüsse werden extremer»

Niedrigwasser kommt am Rhein immer wieder vor. Nur selten wird die Schifffahrt stark beeinträchtigt — hauptsächlich aber im Sommer. Doch bereits diesen März gab es nach mangelnden Niederschlägen niedrige Pegel vor allem am Mittelrhein. In einer Zeit also, in der üblicherweise eher die Gefahr von Hochwassern droht.

Viel Niederschlag in den vergangenen Wochen und damit Entspannung ändert jedoch nichts an einem klaren Trend: Der Klimawandel verändert vor allem die Niederschlagsmuster so stark, dass sich die Anrainerstaaten auf häufigere und länger anhaltende Extremereignisse vorbereiten müssen.

Grösster Binnenhafen der Welt: Die Duisburg-Ruhrorter Häfen an der Mündung der Ruhr in den Niederrhein.
Grösster Binnenhafen der Welt: Die Duisburg-Ruhrorter Häfen an der Mündung der Ruhr in den Niederrhein.
IMAGO/Hans Blossey

Dürresommer mit wochenlanger Beeinträchtigung der Schifffahrt wie vergangenen Sommer oder auch 2018 werden also heftiger und häufiger auftreten.

So kommt die Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebiets unter der Beteiligung der Uni Zürich sowie des Bundesamts für Umwelt (Bafu) in ihrem Synthesebericht zu dem Schluss, dass der Klimawandel die Wassernutzung und damit auch die Schifffahrt auf dem Rhein drastisch beeinflussen wird: «Niedrigere Abflüsse werden extremer, insbesondere flussabwärts von Basel.» So werde der bereits heute reduzierte Anteil der Eisschmelze «zeitnah» noch geringer werden, heisst es weiter.

Am Mittelrhein würden «Perioden mit Beeinträchtigungen der Schifffahrt deutlich länger und in den Niederlanden Warnstufen öfter erreicht», schreiben die Forscher.

Zehnfach gestiegene Transportkosten

Was das bedeutet, bekamen die Autolenker*innen in der Schweiz an der Zapfsäule zu spüren. Schiffe auf dem Rhein konnten nur einen Viertel der Fracht transportieren, die sie normalerweise befördern. 

Die Frachtkosten von Rotterdam nach Basel stiegen zwischenzeitlich von 20 bis 30 Franken pro Tonne auf 260 Franken. Die Kosten waren damit mehr als zehn Mal so hoch, was den Benzinpreis nach oben trieb.

Schlagader Europas: Der Rhein bei der Loreley und der Burg Katz, wo sich der Fluss tief in das Rheinische Schiefergebirge eingeschnitten hat.
Schlagader Europas: Der Rhein bei der Loreley und der Burg Katz, wo sich der Fluss tief in das Rheinische Schiefergebirge eingeschnitten hat.
IMAGO/Volker Preußer

Ohnehin werden rund 10 Prozent des gesamten Handels des Landes über die Rheinhäfen in Basel abgewickelt. Bei bestimmten Produkten ist ein schiffbarer Rhein bislang unerlässlich: Ausgerechnet bei jenen fossilen Energieträgern, deren Verbrennung erst für die niedrigen Pegelstände mitverantwortlich sind.

Neben den Niederschlagsmustern sind auch die Gletscher sowie die winterliche Schneedecke bedeutsam. Klar ist: Mit dem drastisch voranschreitenden Klimawandel nimmt die Schneedecke in den Alpen sowie den nördlich gelegenen Mittelgebirgen schon jetzt drastisch ab — Tendenz weiter steigend.

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