Wasservorrat schwindetDer fehlende Schnee bringt Mittel- und Südeuropa in Bedrängnis
smi
22.2.2023
Historisch wenig Schnee in den Alpen wird für viele Skigebiete zum Problem. Gibt es in den kommenden Wochen nicht ausgiebige Niederschläge, droht Wassermangel in den grössten Flüssen Europas.
smi
22.02.2023, 13:48
22.02.2023, 13:53
smi
Wer dieser Tage Skiferien macht, darf sich über grossartiges Bergwetter freuen. Auch die milden Temperaturen sorgen für ein angenehmeres Pistenerlebnis. Weniger erfreulich ist die Schneedecke, die vielerorts die grün-braunen Hänge nur noch knapp bedeckt. Wenn überhaupt.
Christoph Marty, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, erklärt in der «Südostschweiz», in 40 Prozent der Messstationen über 1000 Metern sei zu diesem Zeitpunkt noch nie so wenig Schnee gemessen worden. Bei weiteren Stellen liege so wenig wie in den Negativrekord-Wintern 1964, 1990 und 2007.
Die aktuellen Werte sind extrem, aber sie folgen einem langfristigen Trend. So ist die durchschnittliche Schneehöhe in Sedrun (1420 m. ü. m.) seit 1990 von 51 auf 36 Zentimeter gesunken. In Klosters (1200 m. ü. m.) sind es 44 statt 76 Zentimeter. David Volken, Hydrologe des Bundesamts für Umwelt ergänzt, die Schneedecke müsste eigentlich doppelt so dick sein. Die Stände Mitte Februar enstsprächen dem längährigen Mittel Ende März bis Mitte April.
Zu trocken und zu warm
Ursache für die dünne Schneedecke sei eine Kombination aus Klimawandel und aussergewöhnlicher Trockenheit, die bereits im vergangenen Sommer begonnen hat. Laut Klaus Marquardt von MeteoNews hatte der Kanton Graubünden nur ein Drittel der Niederschläge, die im Schnitt in den letzten 30 Jahren niedergegangen sind.
Und als das Wasser von oben kam, war es zu warm. An Weihnachten hat es bis auf 2000 Meter Höhe geregnet. «Wäre dieser Niederschlag als Schnee anstatt als Regen gefallen, sähe die Situation jetzt anders aus», zitiert die «Südostschweiz» den Wissenschaftler.
Immerhin: Die Klima-Prognosen sehen voraus, dass die Niederschlagsmenge in den nächsten Jahrzehnten konstant bleibt. Dann braucht es freilich immer noch anhaltend Winter-würdige Temperaturen, damit erstens Schnee fällt und zweitens dieser nicht vorzeitig wegschmilzt.
Europas Flüsse brauchen Schnee in den Alpen
Der fehlende Schnee beschleunigt auch den Gletscherschwund, da er sich normalerweise wie eine Isolationsschicht über die Eismassen legt. Marquardt betont, für die Gletscher sei die anhaltende Trockenheit katastrophal. Es drohe eine Schmelze wie im vergangenen besonders heissen und trockenen Sommer.
Und es lauert ein weiteres Problem: Die winterliche Schneedecke ist ein wichtiger Wasservorrat, der im Frühling in die Gewässer gelangt. Manuela Brunner leitet am SLF die Forschungsgruppe Hydrologie und Klimafolgen in Gebirgsregionen. Sie hat in einer Studie ermittelt, dass in den letzten 50 Jahren wenig Schnee im Winter zu Dürren im Sommer geführt hat. Solche Situationen seien zudem deutlich häufiger geworden.
Das weckt Erinnerungen an den trockenen Sommer 2022, der in der Schweiz und besonders dramatisch in Norditalien Bäche, Flüsse und Seen austrocknen liess. 2023 droht ein ähnliches Szenario – und das nicht nur in der Schweiz und in Norditalien.
Keine Besserung in Sicht
40 bis 50 Prozent des Wassers der grossen Flüsse Europas stamme aus der Schneeschmelze, erklärt David Volken, Hydrologe beim Bundesamt für Umwelt, dem SRF. In den Alpen entspringen die Rhone, der Rhein, der Ticino, der den Po speist und der Inn, der in die Donau fliesst. Damit ist ganz Mittel- und Südosteuropa vom Schneemangel in den Alpen betroffen.
Die Rettung brächten ausgiebige Schneefälle oder ein verregneter Frühling. Danach sieht es nach aktuellen Prognosen nicht aus. Zwar wird es in den kommenden Tagen etwas regnen und oberhalb von 1500 Metern schneien. Das sei aber nur Kosmetik, urteilt Marquardt von MeteoNews.