Abstimmung vom 13. Juni Das Terrorismus-Gesetz kurz erklärt

Von Anna Kappeler

18.5.2021

Die Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter (r.) und Viola Amherd besuchen die Alarmzentrale des Bundesamts für Polizei Fedpol.
Die Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter (r.) und Viola Amherd besuchen die Alarmzentrale des Bundesamts für Polizei Fedpol.
Bild: Keystone

Am 13. Juni stimmen wir über einen besseren Schutz gegen Terrorismus ab. Wird die Schweiz damit sicherer? Oder ritzt das Gesetz stattdessen an unseren Grundrechten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Anna Kappeler

Nach dem Attentat auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» 2015 in Paris verschärften mehrere europäische Länder ihre Anti-Terror-Gesetze. Auch die Schweiz. Jetzt wollen Bundesrat und Parlament die Bevölkerung noch besser vor Terrorismus schützen können. Dies, weil der Nachrichtendienst des Bundes die Gefahr terroristischer Bedrohungen seit 2015 als erhöht einschätzt.

Worum geht es am 13. Juni?

Mit dem neuen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) könnte die Polizei präventiv einschreiten, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Dagegen wurde das Referendum ergriffen. Jetzt entscheidet das Volk.

Was heisst «präventiv eingreifen»?

Mit dem neuen Gesetz will die Polizei terroristische Ideen frühzeitig und präventiv verhindern. Heute kann die Polizei erst einschreiten, wenn es bereits zu einer Straftat gekommen ist. Das soll sich ändern – und das ist höchst umstritten.

Was genau würde sich ändern?

Liegen «konkrete Anhaltspunkte von Ausübung terroristischer Aktivität» vor, greift das neue Gesetz. Besteht ein Verdacht, kann dieser durch einen Kanton, den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) oder eine Gemeinde gemeldet werden. Die Massnahmen reichen von einer Meldepflicht auf dem Polizeiposten über Kontakt- und Ausreiseverbote bis hin zu Hausarrest. Einige Massnahmen gelten schon ab einem Alter von zwölf Jahren. 

Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus: Kernelemente des neuen Gesetzes (nicht abschliessende Aufzählung).
Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus: Kernelemente des neuen Gesetzes (nicht abschliessende Aufzählung).
Grafik: Bundesamt für Polizei Fedpol

Wer wäre vom Gesetz betroffen?

Darüber sind sich Befürworter*innen und Gegner*innen einig. Befürworter René Bühler, stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Polizei Fedpol, sagte dem SRF: «Ob eine Person eine terroristische Gefahr darstellt, muss in jedem einzelnen Fall spezifisch geprüft werden.»

Eine terroristische Aktivität sei eine Handlung, die darauf ausgerichtet sei, die staatliche Ordnung umzustürzen. Radikalisiere sich jemand im Boxclub, könne ein Rayonverbot ausgesprochen werden. Auch Justizministerin Karin Keller-Sutter preist die Vorteile gegen solche «Gefährder» unermüdlich an.

Wie viele Gefährder*innen gibt es in der Schweiz?

Gemäss Fedpol gibt es hierzulande rund 50 Menschen, die zu Terrorismus aufrufen oder dessen Idee unterstützen. Die Gegner*innen des Gesetzes befürchten indes, dass angesichts der schwammigen Begrifflichkeiten jede x-beliebige Person ins Visier der Polizei geraten könnte. Etwa auch Journalist*innen, die für Recherchen gewisse Seiten aufrufen oder mit gewissen Leuten sprechen.

Verletzen die Massnahmen Grund- und Menschenrechte?

Nein, sagen die Befürworter*innen, Ja dagegen die Gegner*innen. Zwar schreibt auch der Bund im Abstimmungsbüchlein, dass die Massnahmen in mehrere Grund- und Menschenrechte eingreifen. Doch die Rechtsstaatlichkeit bleibe gewährleistet. Dies deshalb, weil der Hausarrest von einem Gericht genehmigt werden müsse. Zudem könnten sämtliche Massnahmen nachträglich angefochten werden.

Anders sehen das 60 Rechtsprofessor*innen und auch einige UNO-Sonderberichterstatter. Der Hausarrest für potenzielle «Gefährder» stehe in Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Auch verstosse das PMT gegen die UNO-Kinderrechtskonvention, da die Massnahmen nur schwer mit dem übergeordneten Interesse des Kindeswohls in Einklang zu bringen seien.

Was sind drei Argumente für das PMT?

- Laut dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) bleibt die Terrorbedrohung auch in der Schweiz erhöht. Die Befürworter wollen deshalb mehr Mittel für die Polizei, um solche möglichen Anschläge verhindern zu können.

- Das PMT soll mit den Präventiv-Massnahmen eine Lücke schliessen – und so die Schweiz sicherer machen.

- Das Gesetz bleibt verhältnismässig.

Was sind drei Argumente dagegen?

- Im PMT spiegle sich der Wunsch nach absoluter Sicherheit, die es so nie geben werde.

- Neu müsste eine Straftat weder geplant noch ausgeführt werden. Verdächtig sei theoretisch jeder – so ist der Begriff des «Willkür-Paragraphen» der Gegner*innen entstanden.

- Die Polizei könnte bei einem Verdacht ohne gerichtliche Genehmigung Massnahmen anordnen und auch umsetzen. Das sei ein Risiko für die Gewaltenteilung.

Werden wir konkret: Wer sagt Ja, wer sagt Nein?

Für das PMT sind SVP, FDP und Die Mitte sowie Bundesrat und Parlament. Im Nationalrat gab es 112 Ja- und 84 Nein-Stimmen, im Ständerat waren es 33 Ja- gegen 11 Nein-Stimmen. Dagegen sind die SP, die Grünen sowie zudem auch die GLP, die Jungfreisinnigen und die Operation Libero, sowie NGOs wie Amnesty International.