Flüchtlingsunterbringung Schweizer Städte stehen vor grossen Herausforderungen 

Red.

28.4.2022

«Berufliche Qualifikationen grundsätzlich gut»

«Berufliche Qualifikationen grundsätzlich gut»

Philipp Berger informierte am Point de presse der Ukraine-Fachexperten über die Arbeitssituation der Geflüchteten. So habe man eine Stichprobe von mehreren tausend Personen angeschaut. 80 Prozent sind Frauen und 20 Prozent Männer. Ein Viertel der Berufe falle etwa in den Dienstleistungsbereich. Etwa ein Viertel sind akademische Berufe.

28.04.2022

Mehr als 42'000 Menschen aus der Ukraine sind vor dem Krieg in die Schweiz geflüchtet. Plätze für die Unterbringung gibt es genug – die Kantone werden jedoch unterschiedlich belastet. Bund und Kantone informierten am Donnerstag an einer Medienkonferenz. 

Red.

Städte sind bei Wohnungssuche für Geflüchtete herausgefordert

Die Schweizer Städte sehen sich bei der Suche nach Wohnungen für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen vor grosse Herausforderungen gestellt. Ihr Ziel ist es, in den Kollektivunterkünften möglichst schnell wieder Kapazitäten zu schaffen, um weitere Geflüchtete beherbergen zu können.

In Winterthur habe man eine erste Welle von Geflüchteten erst einmal in Hotels und später in eilends bereitgestellten Kollektivunterkünften untergebracht, erklärte Nicolas Galladé, Vertreter des Schweizerischen Städteverbandes und Sozialvorsteher der Stadt, am Donnerstag vor den Medien in Bern. Da viele Geflüchtete Städte vorzögen, seien eben auch die Städte stark belastet.

Gewisse Kulanz bei der Verteilung 

Bund und Kantone verfügen zurzeit über genügend Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Von den gut 9000 Betten des Bundes sind derzeit rund 5000 belegt, wie das SEM schrieb. Auch die Kantone hätten genügend Reserven, um die ihnen zugewiesenen Menschen mit Schutzstatus S aufzunehmen.

Der Verteilschlüssel werde vorläufig mit einer gewissen Kulanz angewendet, sagte Keller. Wohne jemand bereits in einem Schweizer Haushalt und die Kinder seien bereits eingeschult, mache eine Veränderung wenig Sinn. Komme aber jemand mit einem Adresszettel, «sind wir schon heute klar und sagen, dass das nicht mehr geht».

Dass seit Montag ankommende Flüchtlinge prioritär Kantonen zugewiesen würden, die gemessen an der Einwohnerzahl bisher weniger Geflüchtete aufnahmen, begrüsse der Sonderstab Asyl.

Berufliche Qualifikationen der Geflüchteten «vergleichsweise gut»

Die beruflichen Qualifikationen der in die Schweiz geflüchteten ukrainischen Staatsangehörigen lassen sich gemäss einer Erhebung des Bundes mit jener der ersten Einwanderergeneration vergleichen. Wegen fehlender Sprachkompetenzen sei eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt aber zuweilen schwierig.

Das sagte Philipp Berger, Abteilungschef Zulassung Arbeitsmarkt im Staatssekretariat für Migration (SEM), am Donnerstag vor den Medien in Bern. Er bezeichnete die beruflichen Qualifikationen von Ukrainer*innen  mit S-Status als «vergleichsweise gut».

Die Auswertung des SEM stützt sich auf Angaben einer Kurzbefragung der Geflüchteten bei deren Registrierung. Es handelt sich laut Berger um eine Stichprobe. Diese sei nur «bedingt aussagekräftig».

Die 1338 analysierten Dossiers stammen zu achtzig Prozent von Frauen und zwanzig Prozent von Männern. Entsprechend lassen sich auch Unterschiede bei der Verteilung nach Branchen erkennen. Rund ein Viertel der Befragten gab an, über Qualifikationen im Dienstleistungssektor zu verfügen. Der Anteil an Führungskräften beträgt etwas weniger als ein Zehntel. Rund ein Viertel der befragten Personen haben nach eigenen Angaben einen akademischen Abschluss.

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    Vielen Dank für das Interesse.

  • 14.41 Uhr

    Können Jugendliche aus der Ukraine eine Lehre machen? 

    Ja, sagt Berger, sofern sie den Schutzstatus S besitzen. «Beginnen dürfen sie eine Lehre auf jeden Fall.»

  • 14.40 Uhr

    Wie viele Personen haben bereits eine Anstellung?

    Berger antwortet, es seien rund 200 Personen, die in den Arbeitsmarkt eingetreten seien. Es zeige sich ein recht heterogenes Bild bezüglich Branchen. Insgesamt seien die Stellen auf etwa 15 Branchen verteilt. So seien beispielsweise 25 Personen in der Beratung und Planung tätig. 25 seien im Gastgewerbe. Weitere würden in der Landwirtschaft arbeiten. 

  • 14.38 Uhr

    Wie viele ukrainische Kinder wurden eingeschult?

    Szöllösy sagt, sie habe keine genauen Zahlen dazu. Sie könne dafür aber vermelden, dass die Kantone derzeit 6200 freie Plätze für Flüchtlinge aus der Ukraine hätten. Gleichwohl befänden sich einzelne Kantone am Anschlag. Das System der bevölkerungsproportionalen Verteilung sei gut, aber zwischendurch müssten einzelne Kantone für einige Tage geschont werden, etwa bis sie eine grössere Unterkunft in Betrieb nehmen könnten.

  • 14.34

    Was sind die Kriterien für den Schutzstatus S?

    Ganz genau könne er das auch nicht ausführen, sagt Keller. Entscheidend sei aber, dass eine Person, die den Schutzstatus S beantragt, schon länger in der Ukraine gelebt habe und eine Rückreise nicht zumutbar sei.

    Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, ergänzt, dass 96 Prozent der Antragsteller auf den Schutzsszatus ukrainische Staatsangehörige seien. Allerdings kämen die Antragsteller aus rund 80 Nationen. Genau 1580 Personen hätten keine ukrainische Staatsbürgerschaft.

  • 14.30 Uhr

    Die Fragerunde beginnt

    Ein Journalist will wissen, wieso der Kanton Tessin so viele Flüchtlinge aufgenommen habe.

    Keller antwortet, es habe positive Signale in Bezug auf Solidarität aus dem Tessin gegeben. Ausserdem habe es viele Angebote bei der Privatunterbringung gegeben. 

  • 14.27 Uhr 

    Verdoppelung der Flüchtlingszahlen in Winterthur innert zwei Monaten

    Galladé sagt, in Winterthur müsse wegen hoher Flüchtlingszahlen nach weiteren Unterkünften gesucht werden. Womöglich müssten auch Geflüchtete, die sich bislang in Gastfamilien befänden, künftig anders untergebracht werden, auch weil die Gastfamilien wieder zurück in ihre Intimität zurück wollten. Momentan unterstütze man 450 Geflüchtete in Winterthur. Das sei eine «Verdoppelung innert zwei Monaten.» Auch habe man hier inzwischen rund 100 Schüler*innen aus der Ukraine eingeschult.

  • 14.21 Uhr

    «Die Herausforderung ist gross»

    Galladé lobt, dass man die Geflüchteten inzwischen innerhalb von 24 Stunden unterbringen könne. Bedeutsam bei der Problematik sei vor allem die Mobilität der Geflüchteten, die sich frei im Schengenraum bewegen könnten. «Die Herausforderung ist gross», sagt er. Die Flüchtlingszahlen seien bereits grösser als bei der Flüchtlingsbewegung des Jahres 2015.

  • 14.20 Uhr

    Städte agieren schnell und pragmatisch

    Nicolas Galladé, Vertreter des Schweizerischen Städteverbandes und Leiter des Departements Soziales, Stadt Winterthur, berichtet über die Situation bei den Städten und Gemeinden. Eine besonders grosse Bedeutung komme in der derzeitigen Situation den Städten zu, sagt er. Diese handelten pragmatisch. 

  • 14.17 Uhr 

    Qualifikationen sind «prinzipiell gut»

    Die beruflichen Qualifikationen seien – auch im Bereich zu anderen Flüchtlingsgruppen – prinzipiell gut, sagt Berger. Allerdings könne man häufig nicht sagen, ob die Personen einen abgeschlossenen Beruf hätten oder sich noch in der Ausbildung befinden würden. Auch seien die Berufe entsprechend der Tatsache, dass viele Frauen hier seien, häufig im Dienstleistungsbereich angesiedelt. Ausserdem würden sich Ausbildung und berufliche Kompetenz nicht 1:1 übertragen lassen. Deshalb rechne das SEM mit etwas tieferen Qualifikationen. Gründe dafür seien beispielsweise fehlende Sprachkenntnisse.

  • 14.14 Uhr

    Arbeitsmarktqualifikationen der Geflüchteten

    Philipp Berger, Abteilungschef Zulassung Arbeitsmarkt, Staatssekretariat für Migration SEM, berichtet nun über die Arbeitsmarktqualifikationen der aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Das SEM habe die beruflichen Qualifikationen von ukrainischen Flüchtlingen ausgewertet. Die Berufsangaben wurden in einer Kurzbefragung erhoben. Diese würden aber nur auf Stichproben beruhen.

    80 Prozent der Antragsteller seien Frauen, 20 Prozent Männer, führt Berger aus. Ingesamt habe man über 7000 Dossiers angeschaut. Bei mehr als 1000 habe man die Berufe identifizieren können.

    Etwa ein Viertel der Berufe würden in den Dienstleistungsbereich fallen. Dazu würden beispielsweise auch Techniker*innen fallen. Etwa ein Viertel seien akademische Berufe. 

  • 14.10 Uhr

    Verteilung wird noch nicht ganz konsequent vollzogen

    Die Verteilung nach dem Verteilschlüssel auf die Kantone könne derzeit noch nicht konsequent vollzogen werden, sagt Keller. Es sei nicht in jedem Fall sinnvoll, die Flüchtlinge auf andere Kantone zu verteilen, etwa wenn Kinder bereits in einer Schule seien. Hier gebe es aber eine gewisse Übergangszeit, bei der man Kulanz walten lasse. Er rechne mit einer Übergangszeit von etwa zwei Monaten. Gleichwohl müsse man auch im Hinterkopf behalten, dass sich die Situation stets ändern könne in der Ukraine und entsprechend auch in der Schweiz. «Wir haben wirklich eine grosse Aufgabe vor uns», sagt Keller. 

  • 14.08 Uhr 

    Westschweiz hinkt noch hinterher

    Die Westschweizer Kantone seien derzeit noch unterbelegt, weil das entsprechende Asylzentrum noch nicht ganz auf Kurs sei, sagt Keller. Man sei hier aber auch dabei aufzuholen.

  • 14.06

    Weniger private Unterbringung

    Anschliessend geht Keller darauf ein, wie es um die ungleiche Verteilung der Flüchtling steht. Zu Beginn der Krise sei die Privatunterbringung ein überaus wichtiges Instrument gewesen, so Keller. Inzwischen sei die private Unterbringung nicht mehr so bedeutsam, führt er aus. Gerade die private Unterbringung habe dabei auch zu grösseren Unterschieden in den Kantonen geführt.  Beispielhaft für einen Kanton, der über Proporz aufgenommen habe, nennt Keller das Tessin, der rund 800 Personen zu viel aufgenommen habe, als er vom Verteilschlüssel her hätte aufnehmen müssen. Auch der Kanton Appenzell Ausserrhoden habe überproportional viele Personen aufgenommen. In einem Heim seien beispielsweise 40 bis 50 Waisenkinder übernommen worden.

  • 14.04 Uhr

    Neues Online-System zur Verteilung

    Das Online-System, mit dem man die Flüchtlinge bislang gearbeitet habe, werde ab morgen Geschichte sein, sagt Keller. Am Freitag werden die letzten solcher Anmeldungen erfolgen. Dann steige man auf ein neues System um. Insgesamt seien 18'000 Personen so verarbeitet worden. 

  • 14.01 Uhr

    Die Medienkonferenz beginnt

    Als Erstes spricht David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration SEM. Er sagt, die Lage sei weiterhin unverändert. Täglich kämen rund 800 Personen aus der Ukraine dazu. Von den etwa 9500 vorgehaltenen Betten sei rund die Hälfte belegt. Man stehe als momentan gut da. Allerdings könne sich die Lage rasch ändern, weshalb man über die Reserve sehr froh sei, so Keller.

Bis Mittwoch sind rund 5,3 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet. In der Schweiz wurden 42'246 Menschen aus dem Kriegsland registriert, wovon 34'949 den Schutzstatus S erhalten haben.

Um Ungleichgewichte ihrer Verteilung der Geflüchteten auf die Kantone zu reduzieren, wird seit Montag wieder der zwischen den Kantonen vereinbarte bevölkerungsproportionale Verteilschlüssel angewandt. Ausnahmen bestehen hier für Familienmitglieder, die beieinander wohnen wollen oder auch für vulnerable Personen.

Entspannt hatte sich hingegen zuletzt die Lage in den Bundesasylzentren, wie das Staatssekretariat für Migration SEM mitteilt. Aktuell werden hier 500 und 1000 Personen am Tag gezählt. Man verfüge dabei über «9000 Unterbringungsplätze, von denen rund 5000 belegt sind». Ebenfalls hätten die Kantone ausreichende Reserven, schreibt das SEM in einer in Mitteilung.

Zur aktuellen Lage der Integration der aus der Ukraine geflüchteten Menschen informieren ab 14 Uhr die Expert*innen von Bund und Kantonen.

Folgende Expert*innen informieren

  • David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration SEM
  • Philipp Berger, Abteilungschef Zulassung Arbeitsmarkt, Staatssekretariat für Migration SEM
  • Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK
  • Nicolas Galladé, Vertreter des Schweizerischen Städteverbandes und Leiter des Departements Soziales, Stadt Winterthur
Daniel Keller, Leiter Krisenstab Asyl am Staatssekretariat für Migration SEM, spricht am Point de Presse des SEM auf Fachebene zur Flüchtlingssituation aufgrund des Krieges in der Ukraine, am Donnerstag, 28. April 2022 in Bern.
Daniel Keller, Leiter Krisenstab Asyl am Staatssekretariat für Migration SEM, spricht am Point de Presse des SEM auf Fachebene zur Flüchtlingssituation aufgrund des Krieges in der Ukraine, am Donnerstag, 28. April 2022 in Bern.
KEYSTONE/Alessandro della Valle