Biolog*innen kritisieren neue Regelung Je mehr Wölfe geschossen werden, desto mehr rücken nach

aru

6.12.2023

«Jetzt sind wir in der steilen Phase»

«Jetzt sind wir in der steilen Phase»

Obwohl Wölfe derzeit zum Abschuss freigegeben sind, könnte es sein dass die Population nicht verringert wird. Warum erklärt die Walliser Biologin Brigitte Wolf.

06.12.2023

Wie sinnvoll ist der Wolf-Abschuss? Im «Club» von SRF diskutieren Expert*innen darüber und kommen zu überraschenden Folgerungen. Demnach wächst die Population, je mehr Tiere erlegt werden.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bereits zwölf Gesuche zum Abschuss von Wolfsrudeln hat der Bund bewilligt.
  • Doch wie sinnvoll ist der Abschuss? Biolog*innen geben im «Club» zu bedenken, dass bei einem Abschuss die Wolf-Population sogar noch wachsen könnte.
  • Denn derzeit befinde sich die Wachstums-Population in einer Wachstums-Phase, die durch die Abschüsse womöglich nicht gebrochen werden kann.

Seit dem 1. Dezember dürfen die Kantone ganze Wolfsrudel präventiv schiessen. Aus den Kantonen Graubünden, Wallis, Waadt, St. Gallen und Tessin gelangten bereits Gesuche ans Bundesamt für Umwelt (Bafu). Zwölf der insgesamt 13 Gesuche bewilligte das Bafu, nur ein Gesuch aus dem Tessin wurde abgelehnt.

Die Kantone handhaben die Abschüsse der Wölfe aber sehr unterschiedlich. Im Wallis dürfen die Jäger das Fell behalten und in Graubünden darf es keine Fotos geben und der Kadaver muss abgegeben werden. «Es geht im Bündnerland nicht um Trophäenjagd, sondern um die Lösung eines Problems», sagte Martin Candinas, Mitte-Nationalrat aus dem Kanton Graubünden im «Club» auf SRF vom Dienstagabend.

Dass der Abschuss von Wölfen aber der richtige Weg ist, um den Bestand zu regulieren, glaubt Brigitte Wolf, Biologin und Walliser Grossrätin, nicht. Denn in der Biologie gebe es kein exponentielles Wachstum, von dem beim Wolf öfter die Rede sei. 

Aktuell sind wir in der steilen Wachstumsphase

«Nach der Etablierung eines Rudels kommt das Wachstum sehr schnell, da viel Nahrung und viel Lebensraum vorhanden ist. Das Wachstum flacht aber schnell wieder ab, da es nicht mehr als ein Rudel pro Tal gibt, der Lebensraum somit knapp wird», sagt sie.

Aktuell würden wir uns in dieser steilen Phase des grossen Wachstums befinden. «Schiessen wir nun Wölfe ab, kann es passieren, dass wir nie aus dieser Phase herauskommen», sagt Wolf weiter. Dann habe man zwar viele Wölfe geschossen, aber die Gesamtpopulation werde nicht kleiner. Denn weil viel Platz und Futter vorhanden sei, würden die Wölfe viele Junge haben.

Bereits zwölf Gesuche zum Wolf-Abschuss wurden vom Bundesamt für Umwelt bewilligt.
Bereits zwölf Gesuche zum Wolf-Abschuss wurden vom Bundesamt für Umwelt bewilligt.
Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Alle Wildtiere würden reguliert, monierte Candinas. «Sogar das Bündner Wappentier, der Steinbock, wird von den Wildhütern reguliert», sagte er in der Sendung. «Wollen wir noch eine Alpwirtschaft haben, müssen wir beim Wolf rechtzeitig reagieren.»

Wölfe und Steinböcke könne man nicht vergleichen

Biologe und ehemaliger Moderator von Netz Natur, Andreas Moser, verwies in der Sendung darauf, dass man Huftiere wie Hirsche oder Steinböcke nicht mit Raubtieren vergleichen könne. «Denn Wolfsrudel verteidigen ein relativ grosses Gebiet von 100 bis 300 Quadratkilometern und schauen, dass sich kein anderer Wolf niederlässt», sagt er. «Zerstören Sie dieses System, dann kann es sein, dass andere Wölfe ins Gebiet kommen und man mehr Wölfe pro Fläche hat als ursprünglich.»

Moser meinte, dass eine Regulierung dann sinnvoll sei, wenn überall dort, wo Wölfe leben können, Wölfe leben. «Sind die Gebiete gesättigt, kann man dem Rudel Junge entnehmen.» Natürlich reguliere sich alles irgendwann, warf Candinas ein. «Die Frage lautet aber, ob wir dann noch eine Alpwirtschaft haben.»

Bund bewilligt Abschuss von zwölf Wolfsrudeln

Bund bewilligt Abschuss von zwölf Wolfsrudeln

Die Kantone können insgesamt zwölf Wolfsrudel vollständig abschiessen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat entsprechende Gesuche aus fünf Kantonen bewilligt. Einzig ein Gesuch aus dem Tessin, das ganze Rudel im Onsernone-Tal zu entfernen, wurde abgelehnt.

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