Staatsanwaltschaft will Brian erneut ins Gefängnis bringen
Die Zürcher Staatsanwaltschaft will die Entlassung des bekanntesten Häftlings der Schweiz nicht akzeptieren. Gemäss den Anwälten des 27-jährigen Brian soll dieser wegen eines laufenden Verfahrens wieder in Untersuchungshaft.
03.11.2022
Eigentlich hätte Brian Keller freigelassen werden sollen. Doch warum sitzt er weiter in Untersuchungshaft? Die vorliegenden Untersuchungsakten sollen nun aufklären.
Das Wichtigste in Kürze
- Anfang November hat das Bundesgericht entschieden, Brian Keller aus der Sicherhheitshaft zu entlassen, wegen drohender Überhaft.
- Darauf hin hat das Zürcher Zwangsmassnahmengericht U-Haft für den schweizweit bekannten Straftäter beantragt. Der 27-Jährige kommt laut Staatsanwaltschaft bis auf Weiteres nicht frei.
- Grund für die angeordnete Untersuchungshaft ist die drohende Wiederholungsgefahr.
- Brian befindet sich seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft.
Es ist ein Hin und Her, wie es die Schweizer Justiz noch selten gesehen hat. Am 1. November beschloss das Zürcher Obergericht, den prominenten Gefangenen Brian auf freien Fuss zu setzen.
Doch daraus wurde nichts. Nur eine Woche später ordnete das Zürcher Zwangsmassnahmengericht auf Antrag des Staatsanwalts erneut Untersuchungshaft an. Der angebliche Grund laut dem Zwangsmassnahmengericht: die Wiederholungsgefahr.
Nun ist klar, was die Staatsanwaltschaft dem 27-Jährigen vorwirft. Denn Brian und seine Anwälte haben dem «Tagesanzeiger», der «NZZ» und dem Online-Magazin «Republik» Einblick in sämtliche Akten der laufenden Strafuntersuchungen gegeben. Im Sinne der Transparenz, wie Thomas Häusermann, einer der drei Verteidiger von Brian Keller, sagt.
«Wenn er die Möglichkeit hat, wird er uns etwas antun»
33 Vorfälle werden Brian zur Last gelegt. Einer darunter wiegt besonders schwer: Ein Aufseher der Justizvollzuganstalt Pöschwies zog sich blutige Kratzer zu, nachdem Brian im Januar 2019 dort eine Sicherheitsscheibe demolierte und ein Stück davon gegen die Zellentür schmiss. Diese war ein paar Zentimeter geöffnet, die einen der dahinterstehenden Aufseher verletzte.
Der Staatsanwalt wertet diesen Vorfall als versuchte schwere Körperverletzung. Brians Verteidiger sagt, es sei unmöglich, dass sein Mandant jemanden habe verletzen wollen, denn er habe die Männer gar nicht gesehen.
Zu diesem Zeitpunkt sass Brian bereis über fünf Monate in Einzehlaft. Eine Haftform, die gemäss internationalem Recht höchstens für ein paar Tage zulässig ist.
Gemäss dem «Tagesanzeiger» sei die Lage für die Aufseher dabei ungemütlich gewesen. Sie seien überzeugt gewesen, dass Brian eine Gefahr darstelle: «Wenn er die Möglichkeit hat, wird er uns etwas antun», wird einer von ihnen zitiert. Ob indes die Haftbedingungen eine solche Reaktion bei Brian provozierten, liessen die Aufseher unkommentiert.
Entlassung aus der Einzelhaft: Brians Verhalten besserte sich
In den Jahren 2019 und 2020 kam es zu einer Strafanzeige gegen einzelne Aufseher. Diese traten immer in Vollmontur und zu sechst auf, wenn sie Brian für einen Hofgang oder einen Besuch aus der Zelle holten.
In beiden Fällen schlug der Häftling mit gefesselten Händen gegen die Schutzschilde seiner Aufseher. Und beide Male brachten diese ihn «zu Boden». Das heisst, dass die Wärter Brian mit den Händen und Knien so lange auf den Boden drückten, bis er sich nicht mehr wehren konnte. Er wies danach beide Male eine geschwollene Nase auf.
Nach dreieinhalb Jahren Einzelhaft wurde Brian im Januar 2022 schliesslich ins Gefängnis in Zürich überstellt. Bis dato soll es zu 32 Vorfällen gekommen sein.
Im neuen Umfeld bewährt sich Brian, sein Verhalten besserte sich. Nur einmal schubst er einen Mitgefangenen weg, weil dieser die Gewichte auf der Kraftmaschine verstellte, an der der 27-Jährige trainierte. Der Vorgang markiert den 33. Vorfall in der laufenden Strafuntersuchung.
«Ich muss der Böse sein, die erwarten das fast von mir»
In der Sendung «Der Club» des SRF von Dienstagabend hat Brian über die neusten Wendungen in seinem Fall gesprochen. Das Interview führte die Journalistin und Moderatorin Barbara Lüthi im Gefängnis Zürich ohne Sicherheitsvorkehrungen.
Hier würde er mehr als Mensch wahrgenommen werden, meint Brian. Hingegen in der Strafanstalt Pöschwies sei er immer in eine Rolle gedrängt worden, sagt Brian: «Ich muss der Böse sein, die erwarten das fast von mir.»
Für die Diskussion, dass man die Öffentlichkeit vor ihm schützen müsse, hat Brian kein Verständnis. Man brauche vor ihm keine Angst zu haben. Er sei loyal zu den Menschen, die auch ihm gegenüber loyal seien. Das Schlimmste an der U-Haft sei, dass man nie einen Plan habe, auch jetzt nicht. Man könne nicht von Resozialisierung und Integration sprechen, wenn man ständig weggesperrt würde, verteidigt sich Brian.
Brians Anwälte haben beim Obergericht Beschwerde gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts eingelegt, mit der Begründung, es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Gewaltausbrüche seien mit der Einzelhaft erklärbar, zitiert der «Tagesanzeiger» die Verteidiger.
Diese Beschwerde kann wiederum bis vor Bundesgericht gezogen werden. Fakt ist: Der Fall wird die Schweizer Justiz weiterhin beschäftigen – das Hin und Her wird in eine nächste Runde gehen.