Aktion in Zürich«Bestrafung von Raserdelikten hat eine präventive Wirkung»
Von Lukas Meyer
4.5.2021
Zwölf Personen wurden in Zürich wegen Verdachts auf Raserdelikte verhaftet. Diese nehmen in letzter Zeit zu – trotzdem könnten Raser bald wieder weniger hart bestraft werden.
Von Lukas Meyer
04.05.2021, 16:29
04.05.2021, 20:51
Lukas Meyer
Der Kantonspolizei Zürich ist ein massiver Schlag gegen die Raserszene gelungen. Sie verhaftete elf Männer und eine Frau, die bei illegalen Rennen mit Geschwindigkeiten von bis zu 287 Kilometern pro Stunde unterwegs waren. Die Staatsanwaltschaft eröffnete in allen Fällen Strafverfahren wegen Raserdelikten. Drei der Verhafteten sitzen immer noch in Untersuchungshaft, damit sie sich nicht absprechen können. Die getunten Autos wurden sichergestellt.
Solche Aktionen haben eine hohe Signalwirkung, bestätigt Mike Egle von der Stiftung RoadCross Schweiz im Gespräch mit «blue News». «Das ist sehr wichtig, denn die Bestrafung von Raserdelikten hat eine präventive Wirkung.» Raserunfälle endeten meistens dramatisch: «Unfälle mit hoher Geschwindigkeit führen oft zu Toten und Schwerverletzten. Das zeigt die Sinnlosigkeit auf und findet Platz in den Medien.» Das sei gut so, weil es auf das Problem aufmerksam macht.
Raserdelikte nehmen derzeit zu, sagt der zuständige Zürcher Staatsanwalt Michael Huwiler gegenüber SRF. So seien in diesem Jahr im Kanton Zürich schon 40 Verfahren wegen Raserdelikten eröffnet werden, im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 25. Warum das so ist, sei schwierig zu sagen. Die Polizei sei aktiver mit Kontrollen, aber die Zahl der Raserfälle habe vermutlich zugenommen. Wichtig sei es, die Raser aus dem Verkehr zu ziehen, bevor es zu schweren Unfällen komme.
Auch in St. Gallen hat die Kantonspolizei in den letzten zwölf Monaten im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum eine Zunahme von Raserdelikten festgestellt, wie sie auf Anfrage mitteilt: «Diese Beobachtung konnte insbesondere während der Corona-Zeit mit verringertem Verkehrsaufkommen gemacht werden. Die teils leeren Strassen verleiteten zum schnelleren Fahren.» Die Zunahme sei aber auch damit zu erklären, dass man mehr Ressourcen zur Ermittlung von Rasertatbeständen geschaffen habe.
Parlament will Anpassungen bei Via Sicura
Als Raser gilt derzeit laut Gesetz, wer in einer 30er-Zone über 70 oder innerorts statt 50 Kilometer pro Stunde 100 fährt. Sind 60 km/h erlaubt, ist bei 140 die Grenze überschritten, in 80er-Zonen bei 160 km/h. Bestraft wird dies seit der Einführung des Verkehrssicherheitspakets Via Sicura im Jahr 2013 mit einem Führerausweisentzug von mindestens zwei Jahren und einer mindestens einjährigen bedingten Freiheitsstrafe.
Diese Gesetze beruhen auf Forderungen der Volksinitiative «Schutz vor Rasern». RoadCross Schweiz hatte diese 2011 eingereicht. Der Bundesrat lehnte sie ab, übernahm aber grosse Teile der Anliegen in sein Paket Via Sicura. Daraufhin wurde die Initiative zurückgezogen.
Im letzten Dezember wurde die Vernehmlassung zu einem Revisionspakets des Strassenverkehrsrechts abgeschlossen, das auch Anpassungen beim Massnahmen-Paket Via Sicura beinhält. Diese sehen unter anderem vor, dass Ersttäter mit einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe belegt würden und sie den Führerausweis nur sechs Monate abgeben müssen. Damit sollen die Vollzugsbehörden und Gerichte mehr Ermessensspielraum bekommen. Der Bundesrat will die entsprechende Botschaft bis Ende Jahr dem Parlament vorlegen.
«Wir glauben, dass das die Strassensicherheit gefährden würde», sagt Mike Egle von RoadCross. «Die präventive Wirkung von hohen Strafen könnte so abgeschwächt werden.» Mit diesen Anpassungen würden schwere Unfälle zunehmen, sagte auch der als «Raser-Jäger» bekannt gewordene Jürg Boll gegenüber «20 Minuten». «Mit dem Vorschlag würde zwischen einer groben Verkehrsregelverletzung und dem Rasertatbestand praktisch nicht mehr unterschieden», so der ehemalige Zürcher Staatsanwalt. Der Rasertatbestand würde damit auf eine Alibiübung hinauslaufen.
Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi hielt dagegen, dass die aktuelle Regelung «übertrieben, zu hart und zu starr» sei und den Richtern zu wenig Ermessensspielraum lasse. Auch wenn man mit einer krassen Geschwindigkeitsübertretung niemanden gefährdet habe und niemand zu Schaden gekommen sei, drohten harte Strafen: «Das ist unverhältnismässig.»
Ausweisentzüge flexibler handhaben
Kürzlich hat der Bundesrat auch zwei Änderungen in die Vernehmlassung geschickt, die nur bei leichten Verstössen im Strassenverkehr gelten würden. So soll es bei Führerausweisentzügen ein schnelleres und teils weniger hartes Vorgehen geben. Bei privaten Lenker*innen müssten die Behörden innert zehn Tagen entscheiden, ob der Ausweis entzogen wird. Berufschauffeure könnten unter Umständen trotz Ausweisentzug im Beruf weiterfahren. Damit soll verhindert werden, dass Betroffene ihren Arbeitsplatz riskieren.
RoadCross Schweiz steht der aktuellen Vernehmlassung eher kritisch gegenüber. «Grundsätzlich finden wir den Status quo gut», sagt Mike Egle. Gerade bei Berufsfahrern müsse man sich fragen, ob es richtig sei, wenn jemandem aufgrund eines Vergehens der Ausweis entzogen wird, im Beruf dann aber Personen transportiert: «Müsste gerade so jemand nicht ein grösseres Bewusstsein für die Verkehrssicherheit mitbringen?»