Kopfhörer, Salate und Sandwiches Berner Regierungsrat steht wegen weiterer Spesen in Kritik

dmu

5.2.2024

FDP-Regierungsrat Philippe Müller steht wegen seiner Spesenpraxis in der Kritik.
FDP-Regierungsrat Philippe Müller steht wegen seiner Spesenpraxis in der Kritik.
Archivbild: Keystone

Neue Details zur Berner Spesenposse: Unter den Auslagen für «Repräsentation» von Regierungsrat Philippe Müller sind Belege für Salate oder Mittagessen mit Parteikollegen aufgetaucht. Der Kanton wehrt sich.

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5.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Knapp drei Wochen nachdem bekannt wurde, dass einzelne Berner Regierungsräte Kleinbeträge als Spesen abgerechnet haben, sind weitere fragwürdige Belege aufgetaucht.
  • 2018 und 2019 habe Sicherheitsdirektor Philippe Müller mehrere Einkäufe für Sandwiches und Salate mit dem Vermerk «Mittagessen» abgerechnet.
  • Darunter waren Ausgaben wie ein Tomaten-Mozzarella-Salat für 6.90 Franken, ein Sandwich für 5.80 Franken plus ein Plastiksäckli aus der Migros für 10 Rappen.
  • Auch die Quittungen für zwei Lunches mit Parteikollegen wurden eingereicht.
  • Die neu bekannten Auslagen wurden als Repräsentationsspesen abgerechnet.
  • Der Kanton Bern wehrt sich gegen die Kritik und spricht von Fehlbuchungen.

Knapp drei Wochen ist es her, seit die SRF-Sendung «Kassensturz» erstmals über die Spesenpraxis von einzelnen Berner Regierungsräten berichtete. Das mediale Echo war gross: Insbesondere eine abgerechnete Banane für 20 Rappen, ein Biomehrkornbrötli für 95 Rappen und Laugenbretzeli mit Butter für 3.20 Franken auf der Spesenrechnung von Sicherheitsdirektor Philippe Müller sorgten für empörte Reaktionen.

Es handle sich dabei um Einzelfälle, liess Müller verlauten. Seither habe er keine Kleinstspesen mehr abgerechnet. Auch der Kanton Bern nahm seine Exekutive in einem Statement in Schutz: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch.»

Die «Tamedia»-Zeitungen haben die rund 300 Seiten Belege erneut gesichtet und kommen zur Erkenntnis: Philippe Müller hat weitere fragwürdige Buchungen eingegeben.

Komplexe Abrechnungspraxis

Da wären etwa zwei Paar Apple-Kopfhörer für je 44.90 Franken, die im Abstand von knapp vier Monaten gekauft wurden. Auch weitere Kleinbeträge sind aufgetaucht: 2018 und 2019 habe Müller mehrere Einkäufe für Sandwiches und Salate mit dem Vermerk «Mittagessen» abgerechnet. Am 9. November 2018 waren es etwa ein Tomaten-Mozzarella-Salat für 6.90 Franken, ein Sandwich für 5.80 Franken plus ein Plastiksäckli aus der Migros für 10 Rappen.

Dass diese Spesen erst jetzt publik wurden, liege an der komplizierten Abrechnungspraxis. Grundsätzlich kommt bei jedem Berner Regierungsrat zum jährlichen Lohn von rund 280'000 Franken eine Spesenpauschale von 8000 Franken für kleinere Ausgaben des Alltags hinzu. Reisen, Übernachtungen oder externe Verpflegungen können sie als Einzelfallentschädigung abbuchen. So geschehen etwa bei Müllers Bananen-Quittung.

Die Magistrate können gemäss «Tages-Anzeiger» ihre Auslagen aber auch über den sogenannten Repräsentationskredit ihrer jeweiligen Direktion abrechnen. Unter diesen Belegen seien die neu bekannten Kleinbeträge, die Philippe Müller einreichte, zu finden.

Lunch mit Parteikollegen

Ab dem Jahr 2020 habe Müller vermehrt Essen für Gäste in sein Büro bestellt – mehrheitlich für Kaderangestellte aus seiner Direktion. Darüber hinaus seien in Müllers Repräsentationsspesen zwei Mittagessen mit FDP-Parteikollegen aufgetaucht. Nicht nur Müller, auch die Berner Regierungsräte Christoph Ammann (SP) und Pierre Alain Schnegg (SVP) hätten mehrere Mittagessen über die Repräsentationsspesen abgerechnet – allerdings ausschliesslich mit externen Personen.

Monika Roth, emeritierte Professorin für Compliance an der Hochschule Luzern, hat wenig Verständnis für die Lunches unter Parteikollegen auf Staatskosten: «Wenn ein Regierungsrat so etwas abrechnet, ist das einfach schlechter Stil», wird sie im «Tages-Anzeiger» zitiert.

Der Berner Regierungssprecher Reto Wüthrich entgegne auf die neuerliche Kritik, dass Arbeitsessen mit «externen Personen» zu den Auslagen gehören, die in einem Exekutivamt auf Kantonsebene üblich seien. Die Abrechnung solle aber über alle Direktionen hinweg möglichst einheitlich erfolgen. Fehlbuchungen könnten dafür verantwortlich sein, dass solche Spesen auf dem persönlichen Konto eines Regierungsrats erscheinen würden.

Spesenreglement soll überarbeitet werden

Auch beteuert Wüthrich, dass die Kleinbeträge für Sandwiches oder Salate nie für Müller allein bestimmt waren: «Er hat diese nicht selbst eingekauft, hat keinen Kassenzettel zur Rückzahlung eingereicht, und ihm wurden auch keine solchen Kleinstbeträge ausbezahlt.»

Der Regierungsrat hat intern vereinbart, dass keine Mitglieder einzeln den Medien Auskunft zur Thematik geben. Vorletzte Woche teilte das Gremium aber mit, dass man das Spesenreglement überarbeiten wolle.

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