Bericht des Bundes Schweizer Grundwasser mit Pestiziden und Düngemittel belastet

SDA/uri

15.8.2019 - 09:05

Der neuste Bericht des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) zur Qualität des Schweizer Grundwassers ist brisant: Jede sechste Messstelle weist eine Nitratbelastung über dem Grenzwert auf. Schuld sei die Landwirtschaft.

Die Schweizer sind stolz auf die hohe Qualität ihres Trinkwassers. Doch nun gerate das Hahnenburger «zunehmend unter Druck», schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Die Behörde hat den Naqua-Bericht über den Zustand des Grundwassers am Donnerstag veröffentlicht. Er basiert auf Daten aus den Jahren 2007 bis 2016. Die Proben stammen von mehr als 600 Messstellen der Nationalen Grundwasserüberwachung (Naqua).

Dabei ist eine klare Verbindung zur Landwirtschaft erkennbar: Die am stärksten belasteten Gebiete befinden sich in den grossen Landwirtschaftsgebieten im Mittelland. Dort weisen 80 Prozent der Messstellen eine Nitrat-Konzentration von mehr als 10 Milligramm pro Liter (mg/l) auf. Der Grenzwert von 25 mg/l gemäss Gewässerschutzverordnung wurde 2014 an rund 15 Prozent aller Messstellen überschritten.

In Gebieten mit viel Ackerbau wurde der Grenzwert an 40 Prozent der Messstellen überschritten. An 2 Prozent der Messstellen wurde auch der höhere Grenzwert der Lebensmittelgesetzgebung von 40 mg/l nicht eingehalten. Hauptquellen für die hohen Nitratwerte sind laut Bafu-Bericht Hof- oder Mineraldünger.



Pestizide an jeder zweiten Messstelle

Neben der Nitratbelastung wegen Überdüngung sind auch Pestizide (Pflanzenschutzmittel und Biozide) sowie deren Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, ein Problem. An jeder zweiten Messstelle (53 Prozent) fanden sich derartige Wirkstoffe. In Ackerbaugebieten lassen sie sich an 95 Prozent der Messstellen nachweisen, also fast an jeder. Die Ausgangssubstanz des Pflanzenschutzmittels findet sich dabei nur sehr selten, und nicht jedes Abbauprodukt ist Trinkwasser-relevant.

Neu wurde im Jahr 2017 erstmals das Fungizid Chlorthalonil respektive dessen Abbauprodukt eindeutig identifiziert, wie Ronald Kozel, interimistischer Leiter der Abteilung Hydrologie des Bafu, vor den Medien ausführte. In der EU ist das Mittel seit Ende 2018 nicht mehr zugelassen. In der Schweiz wird es vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) derzeit neu beurteilt. Ein Widerruf der Zulassung wird für den Herbst erwartet.

Das Mittel gegen Pilzbefall stelle die Versorger insofern vor grosse Probleme, als es noch keine zuverlässige Aufbereitungsmethode gebe, so Kozel. Mit Chlorthalonil verunreinigtes Grundwasser kann bisher nur durch Vermischen mit unbelasteten Wasser entschärft werden. Oder man verzichtet ganz auf eine solche Grundwasserfassung.

Das Thema Wasserqualität ist derzeit auch in der Politik präsent: nächsten Jahr stimmt die Bevölkerung über die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» ab. Die Initiative verlangt, dass nur noch jene Landwirtschaftsbetriebe Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide einsetzen und ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung auskommen. Zudem sollen Direktzahlungsbetriebe ihren Tierbestand mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernähren können.

Der Nationalrat hat im Sommer die Trinkwasserinitiative und einen Gegenvorschlag dazu sowie die Pestizidinitiative – die einen rigoroses Verbot von chemischen Pestiziden verlangt – abgelehnt. Der Bundesrat will das Problem stattdessen mit der Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel angehen, der im Sommer 2017 eingeführt wurde.

Landwirtschaft in der Pflicht

Das Bafu fordert im Bericht schonendere Methoden in der Landwirtschaft, um Druck von der wichtigsten Trinkwasserressource zu nehmen. Konkret müssten Stoffeinträge aus der Landwirtschaft, aber auch aus der Siedlungsentwässerung und Altlasten zwingend sinken, so der Bericht, zumal sie die Effekte der Massnahmen erst mit grosser Zeitverzögerung zeigen, weil Grundwasser träge fliesst.

Das zeigt sich am Beispiel des Pflanzenschutzmittels Atrazin. Dieses ist seit zehn Jahren verboten, wird aber heute noch regelmässig in den Proben gefunden.

Regionale Projekte haben gezeigt, dass weniger Nitrat ins Grundwasser sickert, wenn der Boden im Winter in Ruhe gelassen wird.

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