«Erosion der Bilateralen»Denkfabrik zeigt Aushöhlung im Verhältnis Schweiz-EU auf
SDA/sob/uri
26.8.2021 - 06:02
Nach dem Verhandlungsabbruch um das Rahmenabkommen mit der EU befürchtet die Denkfabrik Avenir Suisse eine «Erosion des bilateralen Wegs» und fordert, der Bundesrat müsse dem Stimmvolk «reinen Wein einschenken».
26.08.2021, 06:02
26.08.2021, 08:03
SDA/sob/uri
Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse hat ein «Erosionsmonitoring» publiziert. Dieses soll aufzeigen, welche Auswirkungen ein fehlendes institutionelles Rahmenabkommen auf die Beziehung Schweiz-EU hat. Ausserdem erhebt sie fünf Forderungen für die Zukunft.
In der ersten Ausgabe des Trimester-Reports zum Stand des bilateralen Verhältnisses schreibt Avenir Suisse, «der regulatorische Graben zwischen dem sich sukzessive vertiefenden Binnenmarkt und den statischen bilateralen Verträgen» vergrössere sich mit zunehmender Zeit. Eine «Erosion des bilateralen Wegs» werde deshalb befürchtet.
Neben den bekannten «Opfern» des Streits Schweiz-EU – dem Forschungsabkommen «Horizon Europe», dem Studentenaustauschabkommen «Erasmus plus», der Medizintechnik-Branche sowie einigen Teilbereichen der Landwirtschaft – sieht Avenir Suisse künftig Probleme beim Datenschutz.
Denn die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung gilt auch für Unternehmen in der Schweiz, die in der EU tätig sind. Die Schweiz bräuchte eine Anerkennung ihres Datenschutzes als gleichwertig, was bei der EU noch nicht geschehen ist.
Zudem stehen bald mehrere Aktualisierungen beim Abkommen über technische Handelshemmnisse (MRA) an. Doch verweigerte die EU schon bei der Medtech-Branche eine Aktualisierung. Und auch beim Schienenverkehr und im Zollbereich könnte die Schweiz negative Folgen zu spüren bekommen.
Schweiz kann nicht teilnehmen
Die Denkfabrik identifiziert auch Bereiche, «wo eine dynamische Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts stattgefunden hat oder stattfindet, aber aufgrund eines fehlenden bilateralen Vertragsverhältnisses Potenziale zur Zusammenarbeit bislang nicht ausgeschöpft werden konnten».
Ohne ein Stromabkommen werde die Netzsicherheit abnehmen und die Kosten steigen. Im Gesundheitsbereich bleibt die Schweiz ohne Abkommen von der Teilnahme am Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie an der Medizinprodukte-Datenbank Eudamed ausgeschlossen.
Und bei der Chemikalienbereich bleiben Handelshemmnisse und administrativen Hürden für Schweizer Unternehmen bestehen. Auch die Teilnahme am europäischen Satellitennavigationsprogrammen Galileo und Egnos sowie an der Erdbeobachtungsinitiative Copernicus ist laut Avenir Suisse ungewiss.
Fünf Forderungen
Die Denkfabrik fordert daher die Klärung des eigenen Souveränitätsverständnisses. Der Bundesrat müsse endlich «dem Souverän reinen Wein einschenken, wonach die Mitwirkung am EU-Binnenmarkt mit einem relativen Souveränitätstransfer einhergeht».
Ausserdem plädiert Avenir Suisse für «Bilaterale Plus» und «einen institutionellen Rahmen mitsamt einem transparenten und fairen Streitbeilegungsverfahren».
Dazu müssten jedoch die Schweizer Parteien «die europapolitischen Gräben parteiintern und -übergreifend wieder zuschütten und in einem gemeinsamen Effort mehrheitsfähige Lösungen» entwickeln.
Zudem soll die Öffnung des Schweizer Binnenmarktes vorgetrieben werden. Und auch das «Potenzial des Aussenhandels» soll konsequenter ausgeschöpft werden.