Kanton Zürich Neue Partei «Aufrecht» schafft «grosse Überraschung»

mmi

14.2.2023

Die Ursprünge von «Aufrecht» gehen auf verschiedene Gruppen von Corona-Massnahmengegnern zurück.
Die Ursprünge von «Aufrecht» gehen auf verschiedene Gruppen von Corona-Massnahmengegnern zurück.
Keystone

Die Partei «Aufrecht» hat an den kantonalen Wahlen in Zürich einen Achtungserfolg erzielt. Wer die Aussenseiter-Partei ist und was das für die nationalen Wahlen im Herbst bedeutet, liest du hier.

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Die grüne Welle von 2019 ist abgeebbt. Zumindest lassen die Ergebnisse der Zürcher Kantonsratswahlen von vergangenem Sonntag darauf schliessen, wo die Grünen fast 1,5 Prozentpunkte Wählerstimmen und drei Sitze im Kantonsparlament verloren haben. 

Und die grossen Parteien haben nur bescheiden Boden gut machen können. Dabei schnitt die SVP am stärksten ab, mit einem Plus von 0,45 Prozentpunkten.

«Politischer Verein» aus Bürgerrechtsorganisationen

Neu auf dem Parkett der kantonalen Parteien in Zürich bewegt sich seit Sonntag «Aufrecht»: Die junge Partei konnte auf Anhieb 2,15 Prozent Stimmen gewinnen. Ein Achtungserfolg.

Wegen der 3-Prozent-Regel hat es der seit 2020 existierenden Partei aber nicht für einen Sitz im Kantonsparlament gereicht. Einerseits ärgert dies den Präsidenten Patrick Jetzer. Im Gespräch mit «Watson» zeigt er sich aber auch sehr zufrieden.

«Aufrecht» bezeichnet sich selbst als politischen Verein mit Vertretern verschiedener Bürcherrechtsorganisationen, welche im Frühling 2020 entstand. Hinter der Bewegung stehen Gegner der Corona-Massnahmen. 

Die Herkunft ihrer Mitglieder sei klar, sagt Jetzer bei «Watson»: «Die leugnen wir nicht.» «Aufrecht» habe Mitglieder, die unter anderem bei «Aletheia» oder «Freunde der Verfassung» aktiv gewesen seien und teilweise immer noch sind.

Das Etikett der Massnahmengegner-Partei will der Präsident nicht gelten lassen. Bei «Aufrecht» stehen Themen wie tiefere Steuern, mehr Wettbewerb im Bildungsbereich, mehr Wahlfreiheit im Gesundheitsbereich und die Wahrung der Neutralität auf der Agenda.

«Grosse Überraschung» mit allfälligem Einzug in den Nationalrat?

Politologe Lucas Golder hält den Erfolg von «Aufrecht» für eine «grosse Überraschung», wie er zu «Watson» sagt. Denn gewisse Massnahmengegner hätten es auch in anderen Kantonen probiert, sind aber gescheitert.

Hinsichtlich der nationalen Wahlen im Herbst sei dies durchaus spannend, sagt Golder und hält es in den grossen Kantonen mit niedrigem Prozentbereich an Wähleranteil für möglich, dass die Partei in den Nationalrat einziehen könnte. Der Erfolg in Zürich sei sicherlich ein Motivator, so der Politologe.

Patrick Jetzer teilt die Einschätzung des Experten und verrät, dass in den Kantonen Zürich, Thurgau, St. Gallen, Bern und Aargau vielversprechende Kandidaturen im Aufbau seien.

Sind grüne Wähler abgewandert zu «Aufrecht»?

Wenn «Aufrecht» gewonnen und die Grünen verloren haben, steht die einfache These im Raum, dass Wähler der Grünen zu «Aufrecht» abgewandert sind.

Vermuten lassen dürfte diese These, dass Wähler der Grünen sich innerhalb des linken Lagers als vergleichsweise skeptisch in Bezug auf die Corona-Impfung zeigten. Auch das Vertrauen in die Regierung ist während der Pandemie relativ tief gewesen. Das zeigen Umfrageergebnisse von Sotomo, wo nur die SVP-Wählerschaft schlechter abschnitt als die Grünen.

Gemäss dem Grünen-Fraktionspräsidenten im Kanton Zürich, Thomas Forrer, gebe es einen weiteren Hinweis auf eine mögliche Wählerwanderung. «Aufrecht» habe im Wahlkreis Winterthur-Land ein gutes Resultat erzielt, wo der grüne Kandidat Ralf Hablützel den Sitz nicht verteidigen konnte.  Für «Aufrecht» hingegen sei der Tösstaler Impfskeptiker Urs Hans angetreten. Der Biobauer politisierte in der vorherigen Legislatur für die Grünen und wurde in den Kantonsrat gewählt.

Politologe Golder vom Meinungs- und Forschungsinstitut gfs Bern geht jedoch davon aus, dass die Grünen eher an die GLP und die SP Stimmen verloren haben. Zudem glaubt Golder, dass «Aufrecht» vor allem viele Neuwähler hat mobilisieren können. Von den 2,15 Prozent dürften wohl höchstens ein halbes Prozent links-grüne Wähler abgewandert sein.

Denn die Skepsisbewegung sei eher rechtsaussen einzuordnen, so Golder.