Der Nationalrat stimmte für den indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie». Das heisst: grünes Licht für zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub.
Der Nationalrat hat sich wie der Ständerat für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ausgesprochen. Ob die vier Wochen fordernden Initianten ihr Volksbegehren nun zurückziehen, ist offen. Im Parlament wird der Ruf nach grosszügigeren Elternzeitmodellen lauter.
Ein einziger Tag wie heute? Künftig zwei, vier, acht Wochen bezahlter Urlaub für Väter? Oder doch ein Elternurlaub, eine Elternzeit nach dem Vorbild umliegender und skandinavischer Länder – je nach Modell zwischen 28 und 52 Wochen? Bei der Debatte in der grossen Kammer am Mittwoch war es zuweilen schwierig, den Überblick zu behalten. Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) fühlte sich «an einen persischen Markt» erinnert.
Am Schluss setzte sich die von der ständerätlichen Kommission ausgearbeitete und von der kleinen Kammer gutgeheissene Lösung durch. Mit 129 zu 62 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte der Nationalrat für den indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie». Das heisst grünes Licht für zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub.
Vier Wochen nicht mehrheitsfähig
Für den Kompromiss zwischen dem geltenden Recht und dem Anliegen der Initiative stimmte eine geschlossene Mitte-Links-Koalition, dagegen waren nur die grosse Mehrheit der SVP und einzelne FDP-Nationalräte. Die gesetzliche Lösung kann umgesetzt werden, wenn die Initiative an der Urne von Volk und Ständen abgelehnt wird oder wenn das Initiativkomitee sein Begehren zurückzieht.
Väter könnten dann in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub nehmen. Dieser würde wie der Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung finanziert. Die geschätzten Kosten belaufen sich laut dem Bund auf rund 229 Millionen Franken pro Jahr. Für den zweiwöchigen Urlaub würden 0,06 zusätzliche Lohnprozente je hälftig bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern erhoben.
Der vierwöchige Vaterschaftsurlaub konnte im Nationalrat wie schon im Ständerat nicht bestehen. Wie der Bundesrat empfiehlt eine Mehrheit die Initiative zur Ablehnung. Dieser Entscheid fiel mit 120 zu 67 Stimmen bei fünf Enthaltungen. Für eine Ja-Empfehlung stimmten nur SP und Grüne geschlossen.
Redemarathon vor den Wahlen
Dass die Vorlage zentral ist in der Gleichstellungspolitik und dass diese seit dem Frauenstreik im Juni an Dynamik gewonnen hat, zeigte sich allein an der Länge der Rednerliste: Rund sechzig Nationalrätinnen und Nationalräte – mehr als ein Viertel der grossen Kammer – äusserten sich zum Thema. Die Debatte dauerte über sechs Stunden. Über die Hälfte der Redezeit ging auf das Konto des links-grünen Lagers.
Dabei ging es nicht nur um die Initiative und den Gegenvorschlag. Im Gegenteil: Den Vaterschaftsurlaub bezeichneten viele als bereits veraltet. Die sogenannte Elternzeit – also eine Auszeit für Eltern mit Jobgarantie – sei das Konzept der Zukunft, weil eine solche Frauen und Männer beim Geburtsurlaub tatsächlich gleichstellen würde.
«Ehrgeizig, aber notwendig»
Vor allem die Linke ging gut einen Monat vor den nationalen Wahlen in die Offensive und machte klar, dass sie sich das Thema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" auch nach der Debatte über den Vaterschaftsurlaub auf die Fahne schreiben will. Ein solcher sei nur ein erster, minimaler Schritt, lautete der Tenor. Es brauche rasch noch bessere Rahmenbedingungen.
Für Adrian Wüthrich (SP/BE), Präsident des Initiativkomitees, ist die Initiative bereits ein Kompromiss zwischen «der Nulllösung von heute» und ausgebauten Elternzeitmodellen. Ob das Volksbegehren nun doch zugunsten einer umfassenderen Elternzeit zurückgezogen wird, liess Wüthrich während der Debatte offen.
Nach Vorstellung der SP wären das 38 Wochen Elternzeit, wie das auch die Eidgenössische Kommission für Familienfragen möchte: 14 Wochen für die Frau, 14 Wochen für den Mann und dann noch 10 Wochen, die frei aufteilbar sind. Das ist eine «ehrgeizige, aber notwendige Lösung», sagte Mathias Reynard (SP/VS).
Idee der Elternzeit in Mode
Für die Maximallösung einer solchen Elternzeit von insgesamt einem Jahr setzte sich Irène Kälin (Grüne/AG) ein. Sie forderte ein Modell mit je 26 Wochen für Mutter und Vater. «Wir sind familienpolitisch ein Entwicklungsland», argumentierte sie. Ihr Fraktionschef Balthasar Glättli (Grüne/ZH) appellierte an seine Ratskollegen: «Investieren wir in Bébés statt Bomben und Beton.»
Die Grünliberalen plädierten derweil für eine gleichberechtigte Elternzeit von 14 Wochen pro Elternteil – aber nur, wenn beide erwerbstätig sind. Isabelle Chevalley (GLP/VD) gab zu bedenken: «Wir täten damit nichts Revolutionäres.» Für solche Lösungen möchte später auch die BDP bereitstehen.
«Fass nicht zum Überlaufen bringen»
Für die Mehrheit kam schliesslich nur der indirekte Gegenvorschlag infrage. Das sei der Kompromiss zwischen den Anliegen der KMU und jener der Initianten, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU). «Wir dürfen das Fass nicht zum Überlaufen bringen.»
Ähnlich argumentierte auch die FDP. Nachdem ihr Modell gescheitert war, wonach die Eltern 16 Wochen Elternzeit eigenverantwortlich hätten aufteilen können, schwenkte sie auf den Gegenvorschlag ein. Ohne grosse Überzeugung, wie Christian Wasserfallen (FDP/BE) durchblicken liess. Eigentlich zementiere ein Vaterschaftsurlaub «ein veraltetes Rollenmodell».
Parteikollege Hans-Peter Portmann (FDP/ZH), der die Initiative als einer von wenigen Bürgerlichen unterstützte, kritisierte die Elternzeitmodelle von bis zu 52 Wochen als unseriös. Er könne darauf nur eine ebenso unseriöse Antwort geben: «Wenn so etwas durchkäme, würde ich mein Berufsengagement ändern und Samenspender werden.»
SVP für den Status quo
Vergleichsweise wortkarg gab sich die SVP. Für sie gibt es bereits heute genug Massnahmen für die Gleichstellung, einen staatlich finanzierten Vaterschaftsurlaub brauche es nicht, liessen verschiedene Parteiexponenten verlauten. Ein solcher wäre nur eine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft.
«Diejenigen, die mit Vehemenz für einen Vaterschaftsurlaub kämpfen, geben das Kind danach so schnell wie möglich in eine Fremdbetreuung», sagte Verena Herzog (SVP/TG). Sie stellte den Nutzen, die Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit eines Vaterschaftsurlaubs infrage.
Thema bleibt aktuell
Das sah sonst nur der Bundesrat so. Er empfahl ein doppeltes Nein. Innenminister Alain Berset anerkannte zwar, dass ein Vaterschaftsurlaub zur Verbesserung von Familie und Beruf beitragen könne. Wichtiger sei aber der Ausbau von Angeboten zur Kinderbetreuung.
Dass auch die am Mittwoch abgelehnten Elternzeit-Modelle aktuell bleiben werden, dafür sorgen verschiedene eingereichte Vorstösse und angedachte Volksinitiativen. Ob diese schon in absehbarer Zukunft mehrheitsfähig werden, kommt nicht zuletzt auf den Ausgang der Parlamentswahlen vom 20. Oktober an.
Dass es aber zuweilen schnell gehen kann, zeigt das aktuelle Beispiel: Noch im Frühling 2016 hatte das Parlament einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub abgelehnt. Dreieinhalb Jahre später ist es auf seinen Entscheid zurückgekommen.
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