Suisse Secrets «Es kann nicht sein, dass journalistische Arbeit verhindert wird»

Von Lia Pescatore und Alex Rudolf

21.2.2022

Die Enthüllungen eines internationalen Journalisten-Netzwerks unter Beteiligung der «Süddeutschen Zeitung» und der «New York Times» bringen die Credit Suisse in Bedrängnis.
Die Enthüllungen eines internationalen Journalisten-Netzwerks unter Beteiligung der «Süddeutschen Zeitung» und der «New York Times» bringen die Credit Suisse in Bedrängnis.
Gaetan Bally/KEYSTONE/dpa

Unter dem Titel «Suisse Secrets» haben Redaktionen weltweit Kundendaten der CS publik gemacht – die Schweizer Medien schauen zu. Grund ist eine Gesetzesänderung, die die FDP lancierte. 

Von Lia Pescatore und Alex Rudolf

Die «New York Times» und die «Süddeutsche Zeitung» haben geheime Kundendaten der Credit Suisse enthüllt. Gestern wurden die ersten Berichte der Redaktionen veröffentlicht – darunter jedoch keine Schweizer Medien, weil sie eine Strafuntersuchung vermeiden wollen. Diese droht nach Schweizer Recht jedem, der Informationen von Bankkunden aus einem Datenleck öffentlich macht.

«Journalisten können strafrechtlich belangt werden», bestätigt das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen dem «Tages-Anzeiger». Und zwar, «wenn sie Daten publizieren, die sie über eine Person erhalten haben, die das Bankgeheimnis verletzte».

Festgeschrieben ist dies im Bankgesetz, welches durch eine parlamentarische Initiative der FDP 2015 verschärft wurde. Dritte sollten nicht mehr straflos illegal beschaffte Bankdaten veröffentlichen können, auch Journalisten nicht, wie FDP-Ständerat Andrea Caroni in der Parlamentsdebatte zur Initiative sagte: «Es gehört nicht zur Aufgabe von Journalisten, geheime, intime, persönliche Daten, die gestohlen wurden, in den Medien auszubreiten und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu verletzen», verkündete er damals vom Podium. «Das gehört schlichtweg nicht zu ihrem Job.»

Heute äussert er sich differenzierter: Journalisten sollen dann über geleakte Daten berichten dürfen, wenn das Verbreiten der Informationen «zum Schutz eines übergeordneten Interesses unerlässlich ist», sagt er zum «Tages-Anzeiger»

Kontrollsystem soll möglichst korrekt funktionieren

Parteikollege und Mitglied der Wirtschaftskommission Beat Walti sieht durch die Gesetzesänderung die Pressefreiheit nicht in Gefahr.  Die aktuelle Debatte zeige gerade, dass die Medien ihre Funktion wahrnehmen könnten, «dafür müssen sie die konkreten Daten nicht veröffentlichen», sagt der Ständerat.

Bei Datenleaks seien auch die Interessen Dritter zu berücksichtigen, «sobald der Ball ins Rollen gebracht wird, können diese der Berichterstattung kaum mehr etwas entgegensetzen», obwohl sich viele der Veröffentlichungen im Nachhinein seiner Meinung nach vor allem als warme Luft herausstellten.

Das Ziel sei es, sicherzustellen, dass das Kontrollsystem der Banken möglichst korrekt funktioniere und Delikte geahndet würden, nicht darum, individuelle Fälle publik zu machen. «Darum braucht es auch ein hohes Verantwortungsbewusstsein vonseiten der Medien.»

Die Mitte will genau hinschauen

Sehen die anderen Parteien Handlungsbedarf? SP-Nationalrätin Samira Marti (BL) kündigte bereits einen Vorstoss für die Frühlingssession an, die kommende Woche startet (siehe Kasten).

Was sagen Mitte und GLP zum SP-Vorstoss?

Die SP will Artikel 47 des Bankgesetzes abändern. Nach besagtem Artikel können Personen, die Bankdaten dritten aushändigen, mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Dafür sucht die SP Verbündete bei Die Mitte und bei der GLP. «Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten», sagt Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte/OW) auf Nachfrage. Aus seiner Sicht seien die gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich der Konti für Despoten klar. Nur sei es schwierig, festzulegen, wem man ein Konto verwehrt. «König Abdullah von Jordanien steht beispielsweise auf der Liste. Dürften wir auch die Gelder anderer Monarchen nicht verwalten? Etwa jene von Prince Charles?», so Ettlin. Auch was die politische Rolle angehe, herrsche oft keine Einigkeit. «Wenn man es streng auslegt, dürfte dann wohl auch Joe Biden kein Konto in der Schweiz eröffnen.» 
»Was hält Nationalrat Roland Fischer (GLP/LU) vom angekündigten Vorstoss der Sozialdemokraten? «Damit sie erfolgreich sind, brauchen sie im Parlament breite Unterstützung. Ob dem so ist, sehen wir kommende Woche.»

«Es kann nicht sein, dass journalistische Arbeit gesetzlich verhindert wird», sagt Roland Fischer (GLP/LU). Der Präsident der nationalrätlichen Finanzkommission verweist darauf, dass mit der Regelung ursprünglich ein anderes Ziel verfolgt wurde: den Verkauf von Bankdaten zu verhindern.

Was hält er vom angekündigten Vorstoss der Sozialdemokraten? «Damit sie erfolgreich sind, brauchen sie im Parlament breite Unterstützung. Ob dem so ist, sehen wir kommende Woche.»

Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte/OW) hält eine gründliche Untersuchung für notwendig. Er stellt infrage, ob die Medien strafrechtlich hätten verfolgt werden können. «Wir müssen untersuchen, ob diese Einschätzung tatsächlich korrekt war.»