Debatte zu 13. AHV-Monatsrente«Altersarmut verringern» – «Keine Giesskanne!»
Von Gil Bieler
14.12.2022
Rentner fordern 13. AHV-Rente: Nationalrat sagt «Nein»
Der Nationalrat sagt Nein zur Initiative «Für ein besseres Leben im Alter». Er hat das Volksbegehren für eine 13. AHV-Monatsrente abgelehnt. Am Nachmittag warben Rentner*innen auf dem Bundesplatz noch für ein Ja.
14.12.2022
Links-grün gegen Bürgerliche im Nationalrat: Brauchen Pensionierte eine 13. AHV-Monatsrente, um über die Runden zu kommen? Einige Voten aus der stundenlangen Monsterdebatte zur Gewerkschafts-Initiative.
Von Gil Bieler
14.12.2022, 12:27
14.12.2022, 17:17
Gil Bieler
Im Nationalrat gab es am Mittwochmorgen nur ein Thema: Die Volksinitiative des Gewerschaftsbundes (SGB), die eine 13. AHV-Monatsrente für Pensionierte verlangt. Mehrere Stunden lang lösten sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Fraktionen am Rednerpult ab, saftige Voten gab es zuhauf.
Links-grüne Politiker*innen betonten dabei oft, wie viele Pensionierte in der Schweiz nicht von der AHV-Rente leben könnten und Ergänzungsleistungen bräuchten. Das bürgerliche Lager kritisierte im Gegenzug, dass unklar sei, wie eine solche 13. AHV-Rente finanziert werden solle und ob eine Verteilung nach dem Giesskannen-Prinzip wirklich gerecht sei.
Am Schluss unterlag das Befürworter*innen-Lager klar: Der Nationalrat lehnte das Volksbegehren mit 123 zu 67 Stimmen ohne Enthaltungen ab. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Bevor es so weit ist, folgend eine – kleine – Auswahl von Äusserungen aus der Monsterdebatte.
Andri Silberschmidt, FDP
Der Zürcher FDP-Nationalrat kritisierte die hohen Kosten, die diese Initiative verursachen würde. Diese Kosten würden dem 16-Fachen des Gotthardbasistunnels entsprechen. Silberschmidt kann sich die Initiative nur mit der Jahreszeit erklären: «Es ist bald Weihnachten, und da macht man einander gern Geschenke, aber im Privaten weiss man: Jedes Geschenk muss auch refinanziert werden.»
Manuela Weichelt, Grüne
Die Zugerin steht hinter der Initiative und verweist auf Artikel 112 der Bundesverfassung, der lautet: «Die Renten haben den Existenzbedarf angemessen zu decken.» Doch was heisse das konkret? Die Hälfte aller Menschen, die in Rente gingen, müsse mit weniger als 1'800 Franken im Monat auskommen. Weichelt fragt ihre Ratskolleg*innen: Wer von ihnen könne mit 1'800 Franken die Miete, die Heizkosten, die Zahnarztrechnungen bezahlen? «Wohl niemand.»
Flavia Wasserfallen, SP
Auch die Bernerin wirbt im Rat für ein Ja zur Initiative, denn: «Die drei Säulen, wie wir sie kennen, funktionieren nicht für alle gleich gut», sagt Wasserfallen. «Unsere Aufgabe hier im Parlament ist es, Altersarmut zu verringern.» Doch seit zehn Jahren steige die Ergänzungsleistungsquote. «Rentnerinnen haben ein reales Kaufkraftproblem», beklagt Wasserfallen. Doch der Bundesrat und auch die bürgerlichen Politiker*innen wollten der Initiative nicht einmal einen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Dabei sei klar: «Die Menschen hätten Vorschläge und Lösungen verdient.»
Mike Egger, SVP
«Die Schweiz wird weit über die Grenzen hinaus für ihr Drei-Säulen-System beneidet», sagt der St. Galler SVP-Nationalrat klar. Und natürlich gebe es Bedarf für Anpassungen. In diesem Zusammenhang preist er die im September angenommene AHV-Reform, für die alle Seiten «zähneknirschende Kompromisse» gemacht hätten. Die nun vorliegende Initiative stehe aber «im diametralen Widerspruch zur finanziellen Situation». Egger kritisiert sie als Wahlkampf-Vehikel. «Damit beginnt einmal mehr die Zeit, in der die Politik der Bevölkerung leere Versprechungen macht. Doch damit man etwas versprechen kann, muss man es erst finanzieren können.»
Tamara Funiciello, SP
Die Bernerin beklagt, dass sich bei Rentner*innen in ihrem Umfeld «ein Trauerspiel» abspiele. «Früher war es ein Running Gag zu sagen, diese Rentnerinnen sind ausgebucht. Doch um ausgebucht zu sein, dafür braucht es Geld.» Die Frage sei für viele Pensionierte nicht mehr, ob ausgehen oder nicht, sondern: wie überleben? Elf Prozent der Frauen müssten direkt nach der Pensionierung Ergänzungsleistungen beziehen, das sei kein Goodwill. Funiciello sagt: «Das ist kein Alter in Würde.» Die Bürgerlichen erinnert sie an deren Versprechen im Vorfeld der Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 Jahre. Damals sei den Frauen landauf, landab versprochen worden, dass ihre Situation sonst verbessert werde. In der zweiten Säule sei dies noch nicht geschehen: «Halten. Sie. Ihre. Versprechen.»
Thomas Rechsteiner, Mitte
Pensionierte sähen ihre finanzielle Situation im Vergleich als besonders gut. Mit der Initiative würde daher vielen Pensionierten die finanzielle Situation verbessert, die das gar nicht nötig hätten. Und am schwersten treffe der Ausbau der AHV-Rente die junge Generation, da diese die dafür nötige Erhöhung der Lohnabgaben um 0,8 Prozent am längsten zu bezahlen hätten. Der Appenzeller fordert daher: «Keine Giesskanne!»
Therese Schläpfer, SVP
Bundesrat Ueli Maurer habe dem Parlament erst kürzlich ins Gewissen geredet, sagt die Zürcherin. Es sei leicht, fremdes Geld zu verteilen. Und ihr sei aufgefallen, dass der Blick des Finanzministers dabei auf die linke Ratshälfte gefallen sei. Denn dort werde besonders gerne Steuergeld verteilt. «Die Initiative ist untauglich und ein typisches Wahlkampfvehikel», urteilt Schläpfer. Die Lohnabzüge würden sich erhöhen, die Arbeitgeber hätten weniger Geld für Innovation zur Verfügung. «Vielleicht haben ja die SP und die Grünen das Abstimmungsresultat zur 70 Franken mehr AHV vergessen, aber das Stimmvolk hat dazu Nein gesagt.»
Pierre-Yves Maillard, SP
Der Gewerkschaftspräsident hält fest: Die Solidarität mache ein Land aus. Dies hätten jene verstanden, die 1948 die AHV zum hundertsten Geburtstag des Bundesstaats eingeführt hätten. Das heutige System erfülle das Versprechen, die Menschen vor Altersarmut zu schützen, aber längst nicht mehr. Tausende Personen seien davon betroffen.
Die Pensionskassenrenten würden seit Jahren sinken. Rentnerinnen und Rentnern bleibe wegen der Teuerung, steigender Mieten und Krankenkassenprämien immer weniger zum Leben, so der Waadtländer.