Prozess Affäre um Schweizer Hochseeflotte: Betrug und Urkundendelikte

SDA/aka

22.6.2020

Das schweizerische Frachtschiff St. Cergue, Bale, aufgenommen am 23. Dezember 1985. Nun steht ein ehemaliger Reeder vor Gericht.
Das schweizerische Frachtschiff St. Cergue, Bale, aufgenommen am 23. Dezember 1985. Nun steht ein ehemaliger Reeder vor Gericht.
Bild: Keystone

In Bern beginnt heute Morgen der Prozess gegen einen ehemaligen Reeder der Schweizer Hochseeflotte. Die Berner Staatsanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem Betrug in Millionenhöhe vor.

Ein ehemaliger Reeder der Schweizer Hochseeflotte steht heute in Bern vor dem Gericht: Der Gesamtdeliktsbetrag des Mannes soll laut dem Verhandlungsprogramm des kantonalen Wirtschaftsstrafgerichts mehrere Millionen Franken betragen. Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung und Urkundendelikte werden ihm vorgeworfen.

Anklage erhoben hat nach einer Strafanzeige der Bundesbehörden die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern für die Verfolgung von Wirtschaftsdelikten. Dies im Dezember des vergangenen Jahres. Sie schrieb damals in einer Mitteilung, der 66-jährige Beschuldigte bestreite die Vorwürfe.

Bei Hausdurchsuchungen Akten gefunden

Die Staatsanwaltschaft war dem Verdacht nachgegangen, wonach bei der Einreichung von Bürgschaftsgesuchen für die Finanzierung von Hochseeschiffen überhöhte Bau- und Erwerbspreise geltend gemacht worden seien. Die Täterschaft soll so widerrechtlich in den Genuss von Bürgschaften gekommen sein.

Die Untersuchung richtete sich insbesondere gegen den 66-jährigen Reeder, der die Gesuche eingereicht hatte. Er wurde vorübergehend festgenommen. Im Zuge von Hausdurchsuchungen wurden umfangreiche Akten und Vermögenswerte beschlagnahmt.

Im Communiqué hiess es auch, der Verdacht habe sich in fünf Fällen erhärtet. Dabei seien zu hohe Bau- und Erwerbspreise vorgetäuscht worden. Die gestützt darauf gewährten Bürgschaften beliefen sich auf insgesamt rund 130 Millionen Franken. Die fraglichen Bürgschaften wurden in den Jahren 2005 und 2013 gewährt.

Dauerbrenner in Bundesbern – Bundesrat räumt Fehler ein

Bundesbürgschaften für die Hochseeschifffahrt beschäftigen seit langer Zeit auch die Politik. Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte kritisierten 2018 das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Es sei gegenüber dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) zu passiv gewesen.



Der Bundesrat räumte in der Folge Fehler bei der Aufsicht und Führung der Bürgschaften für die Schweizer Hochseeschifffahrt ein. Das Risikomanagement sei verbessert worden. Zweimal musste das Parlament einen Nachtragskredit sprechen. Es ging um insgesamt 344 Millionen Franken.

Das Bundesgericht entschied vor Kurzem, dass ein erster Untersuchungsbericht über das Debakel bei der Schweizer Hochseeflotte veröffentlicht werden kann. Mitte Januar hatte Bundesrat Guy Parmelin eine neue Administrativuntersuchung der Affäre in Auftrag gegeben.

Schiffe auf Weltmeeren unter eigener Flagge

Die Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe haben historische Gründe. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam es zu Versorgungsengpässen. Um die Versorgung zu gewährleisten, setzte die Schweiz auf den Weltmeeren Schiffe unter eigener Flagge ein.

Der Bundesrat schätzte das Risiko der Bürgschaften lange Zeit als gering ein. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 geriet die Hochseeschifffahrt jedoch weltweit in die Krise. Bürgschaften mussten gezogen und Schiffe verkauft werden.

Drei Tage für Beweisverfahren

Das Gericht tagt am Sitz des Regionalgerichts Bern-Mittelland im Berner Amthaus. Drei Tage hat das Wirtschaftsstrafgericht für das Beweisverfahren reserviert. Die Parteivorträge sollen am 2. und 3. Juli über die Bühne gehen, das Urteil am 9. Juli verkündet werden.

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