«Tickende Zeitbomben» Russische Schattentanker bedrohen die Weltmeere

tbz

22.4.2024

Die russische Ust Luga wird in der Nähe von Oslo von Greenpeace-Aktivisten blockiert.
Die russische Ust Luga wird in der Nähe von Oslo von Greenpeace-Aktivisten blockiert.
Bild: Keystone

In der Ostsee floriert der Handel mit sanktioniertem russischem Öl. Veraltete, rostige Frachter ohne Lotsen transportieren es auf die Weltmeere und gefährden dabei Schifffahrt und Umwelt zugleich.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Es hört sich an wie in einem Katastrophenfilm: Uralte Öltanker navigieren ohne Lotsen durch tückische Meerengen und gefährden dabei Mensch und Umwelt. 
  • Wie das dänische Investigativ-Medienhaus Danwatch und ZDF berichten, gehört das in der Ostsee seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs zum Alltag.
  • Seit der Einführung von Sanktionen auf russisches Öl ist die Anzahl der Öltanker, die unter zweifelhaften Flaggen aus den russischen Häfen Ust-Luga und Primorsk auslaufen, stark angestiegen.
  • Die Tanker sollen ihre Schiffsdaten manipulieren und auf die wichtige Erfahrung dänischer Lotsen verzichten. Gemäss Stimmen aus Dänemark «eine tickende Zeitbombe».

Die Gewässer zwischen den dänischen Inseln Darss und Falster sind berüchtigt für ihre Tücken. Geringe Wassertiefen, wandernde Sandbänke und starke Strömungen machen den Kapitänen zu schaffen. Um die Meeresenge gekonnt zu durchfahren, stehen dänische Lotsen zur Verfügung, die gegen Bezahlung an Bord kommen und dem Navigator beratend zur Seite stehen. Durch ihre ausgezeichneten Kenntnisse der Gewässer sorgen sie für erhöhte Sicherheit in der Schifffahrt.

Dieses Angebot wird seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs aber immer weniger genutzt. Der Grund: Viele der Öltanker auf dieser Route sind Teil der russischen Schattenflotte, die sanktionierte Ware über die Ostsee auf die Weltmeere tragen. Sie navigieren auf eigenes Risiko und gefährden damit den Schiffsverkehr und die Umwelt. Das berichtet der «Tages-Anzeiger» unter Berufung auf das dänische Investigativ-Medienhaus Danwatch.

«Tickende Zeitbomben»

Nebst der Weigerung, erfahrene Lotsen an Bord zu holen, fallen die Ozeanriesen auch mit ihrer Schrottreife auf. Viele der Schiffe seien veraltet, schlecht gewartet und von Rost durchsetzt. Gemäss Martin Lidegaard, dem Chef der dänischen sozialliberalen Partei, nichts anderes als «tickende Zeitbomben».

Wie ZDF bereits im vergangenen Jahr aufdeckte, ist die Ostsee seit Einführung der Sanktionen auf russisches Öl zum grossen Umschlagplatz für das verbotene Schwarze Gold geworden. Auf dem finnischen Meerbusen vor St. Petersburg steht Putins Schattenflotte Schlange. Ein zusammengewürfeltes Sammelsurium aus alten Tankern, die stetig umgetauft und immer wieder unter anderer Flagge segeln.

Ihr Ziel: Russisches Öl von den Häfen Ust-Luga und Primorsk über die Ostsee auf die Weltmeere zu führen, um es dann in China, Indien oder der Türkei zu verkaufen.

Umweltschäden und fragwürdige Versicherungen

Dabei soll mit allen Regeln der Kunst versucht werden, die Herkunft der Ware zu verschleiern. Die Schiffe fälschen laut ZDF Daten über ihre Routen und die geladene Fracht und schalten sogar Transponder aus. Zudem würden sie kaum kontrolliert oder gewartet werden, weil sie unter den Flaggen von Staaten wie Gabun oder Eswatini segeln, die bekannt für ihre fragwürdigen Schifffahrtskontrollen sind. 

Auch bei sogenannten «Schiff-zu-Schiff-Transfers», bei denen Öl auf internationaler See von einem Schiff auf ein anderes gepumpt wird, um dessen Herkunft zu verfälschen, kommt es zu Verschmutzungen der Gewässer.

Dabei besonders problematisch: Laut Danwatch ist auch das in Russland ansässige Versicherungsunternehmen hinter den Geisterschiffen fragwürdig. In den Verträgen soll eine Sanktionsausschlussklausel aufgeführt sein, laut der die Versicherung bei einem Unfall nicht bezahlen müsste. Die Reinigungskosten gingen bei einer Ölkatastrophe demnach zulasten der an den Unfallort angrenzenden Länder.