Late Night USAWollte Trump den «Late-Night-Losern» die Witze verbieten?
Von Philipp Dahm
24.6.2021
Einem Bericht zufolge soll Donald Trump sich 2019 bei Beratern und sogar dem Justizministerium erkundigt haben, ob er TV-Lästermäulern nicht das Maul stopfen könne. Jimmy Kimmel schlägt zurück.
Von Philipp Dahm
24.06.2021, 06:50
24.06.2021, 06:57
Philipp Dahm
Er wisse nicht, ob die Ränge im Studio nun halb leer oder halb voll seien, sagt der Gastgeber: 89 geimpfte Zuschauer verfolgen seine Show «Jimmy Kimmel Live» vor Ort in Los Angeles. «Ich denke, das hängt davon ab, wie man das Leben sieht.»
Es sei, als habe der Comic-Bösewicht Thanos mit den Händen geschnippt und – schwupps – die Hälfte der Leute liquidiert – und Thanos bringt Kimmel dann prompt auf den früheren US-Präsidenten. «Der orange, Ihr erinnert euch.»
Der Grund: The Daily Beast berichtet, dass Donald Trump 2019 versucht haben soll, gegen Satire und Spott gegen ihn im Fernsehen vorzugehen. Der 75-Jährige soll erst seine Berater und Anwälte gefragt haben, ob man nicht über die Bundeskommission für Kommunikation etwas gegen «Saturday Night Live (SNL), Jimmy Kimmel und andere Late-Night-Hosts» tun könne.
Dann soll sich Trump in der Sache sogar an das Justizministerium gewendet haben. «Können Sie sich das vorstellen? Präsident Mimose wollte uns die Behörden auf den Hals hetzen, damit wir keine Witze mehr über ihn machen. Und nicht nur das», giftet Kimmel und zeigt auf seinen Sidekick, «er wollte auch, dass Guillermo für die Grenz-Mauer zahlt.» Der gebürtige Mexikaner schüttelt nur den Kopf: «Auf keinen Fall!»
«Sowas wollte Trump: einen Schlägertrupp»
Nachdem Trump seinen Stab angewiesen haben soll, nach Bundes-Bestimmungen zu suchen, mit denen die Lästermäuler gestopft werden können. «Hätte ich das gewusst, ich stehe hier und mache Witzchen über ihn, und er sagt der Bundespolizei, sie soll sonst was machen», wundert sich Kimmel.
«Und als sie ihm erzählt haben, dass man nicht juristisch dagegen angehen und dass man Comedians nicht davon abhalten kann, sich über dich lustig zu machen, wenn du Präsident bist, hat Trump gefragt, ob man nicht etwas anderes dagegen tun kann», erklärt der Late-Night-Host und erinnert an Pengiun, den Bösewicht aus der alten Batman-Serie. «Sowas wollte Trump: einen Schlägertrupp. Einen Haufen harter Typen, die Leute aufmischen.»
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Kimmel kann es nicht fassen: «Er kann nicht ertragen, dass man einen Witz über ihn macht. Aber er kann einen machen. Er hat sogar mehrere gemacht.» Der 53-Jährige zählt auf: «Eric, Ivanka, Don Junior ...» Das Ganze soll sich auch noch zu der Zeit zugetragen haben, als Trump Nordkoreas Kim Jong-un getroffen hat. «Vielleicht hat er die Idee von ihm – ich könnte jetzt Hundefutter sein», spielt Kimmel den Betroffenen.
«Late-Night-Loser»
Der Moderator unterrichtet das Publikum auch darüber, dass Trump dem Bericht bereits widersprochen hat – in der ihm eigenen Art: «Die Geschichte, dass ich das Justizministerium gebeten habe, gegen Saturday Night Live, die gegen Quotenschwund kämpfen (ohne Trump!), und andere Late-Night-Loser zu ermitteln, ist totale Fake News», teilte der 45. Präsident mit.
Der Rest des Statements ist mit Schlagworten wie «Lamestream Media» – der Anfang von mainstream ist durch lame, also lahm, ersetzt – oder «Alec Baldwin has no talent» gut zusammengefasst: Schauspieler Baldwin hat Trump bei SNL regelmässig parodiert. Ach ja, eines noch: Weil die Late-Night-Shows «100 Prozent einseitig» seien, solle man sie doch als illegale Parteispende für die Demokraten einordnen. Und die Wahl war verschoben, fügt er an. Das darf nicht fehlen.
«Danke fürs Zuschauen, Mister Ex-Präsident», ätzt Kimmel. «Ich schicke Ihnen einen Kapuzenpulli, wenn Sie wollen. Haben Sie immer noch Grösse XXXL?»
Never gets old
Trump kündigt in dem Statement seine Rückkehr «2024 oder vorher» an, aber eigentlich lässt ihn die Wahl 2020 immer noch nicht los, verrät der New Yorker bei einem Anruf bei Just the News beim Sender Real America's Voice (Kimmel trocken: «Von dem habe ich auch noch nie gehört.»).
«Ich habe nie eine Wahlniederlage eingeräumt», erzählt der Ex-Präsident da. «Es passieren gerade eine Menge Sachen. Sie müssen nur die Zeitung lesen, was jetzt gerade herauskommt.» «Er gibt nicht auf», kommentiert Kimmel. «So viel ist sicher.»
Dann gibt der Gastgeber noch eine Zahl zum Besten: Zwischen März 2020 und März 2021 haben sich 881 Mitarbeiter des Secret Service mit Covid-19 infiziert. «Ich frage mich, wo sie das herhaben», feixt Kimmel. Das bringt ihn auf den erlahmenden Impf-Fortschritt in den USA zu sprechen, wo 54 Prozent inzwischen geimpft sind.
Wer braucht schon corn teen?
Das Desinteresse sei besonders bei den 18- bis 24-Jährigen gross, rapportiert der New Yorker. «Weil sie nur Müll auf Tiktok lesen, denke ich. Wir sind ein Volk von Dummköpfen.» Dazu passen die Worte, die in den einzelnen Bundesstaaten am häufigsten falsch geschrieben werden (sehr lustig: corn teen statt quarantine).
Abgerundet wird der Monolog von einer Job-Vermittlung ab 6.30 Minute: Weil ein Marihuanna-Versand einen Praktikanten sucht, der dessen Produkte testen und beschreiben soll, wird Freddy von Kimmel eingeflogen und empfohlen.
Freddy ist ein recht verstrahlter Charakter, der in «Jimmy Kimel Live» schon einmal vorgekommen ist – müssig zu sagen, dass der CEO ihm den Job vor laufender Kamera nicht abschlägt.
Aus Gründen hier noch das SNL-Video der TV-Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten vom Oktober 2020 – mit Alec Baldwin als Donald Trump, Jim Carrey als Joe Biden und 31 Millionen Klicks.