Bewaffnete demonstrieren vor FBI-Büros, Republikaner sehen «Gestapo-Methoden» und Donald Trump fordert Dokumente zurück: Eine Woche nach der Mar-a-Lago-Durchsuchung kommen die USA nicht zur Ruhe.
«Wir sind auf der richtigen Seite der Geschichte», sagt die Frau, die sich am 14. August auf einer heissen Kreuzung in Phoenix eingefunden hat. Sie steht bei einem Mann, der sein Sturmgewehr präsentiert: Diese sind in Arizona legal, wenn sie offen getragen werden. Die Gruppe protestiert gegen das FBI, das hier seinen lokalen Sitz hat.
«Wir sind hier, um für unseren Präsidenten Trump zu kämpfen», erklärt die Dame mit dem «Let's Go Brandon»-T-Shirt, was so viel heisst wie: «Fuck Joe Biden.» «Wir sind hier, um Trump zu unterstützen, nach dem, was ihm passiert ist.»
Gemeint ist natürlich die FBI-Durchsuchung von Mar-a-Lago. «Wir stehen hier für die Freiheit. Wir sind die tyrannische Regierung leid, die wir das Biden-Regime nennen. Wir werden den Kampf zum FBI tragen, wenn nötig.» Ein anderer Demonstrant sagt: «Institutionen wie diese sollten in unserer föderalen Regierung gar nicht existieren.»
Die Konföderierten-Flagge darf nicht fehlen: Demonstranten am 14. August vor dem FBI-Gebäude in Phoenix, Arizona.
Ähnliche Szenen spielen sich vor dem FBI-Büro in Los Angeles ab – und auch unweit von Mar-a-Lago in Florida sammeln sich erneut Demonstranten: Eine Woche nach dem Besuch der Bundesbeamten in Donald Trumps Luxus-Club diskutieren die USA weiter hitzig über die Hausdurchsuchung beim Ex-Präsidenten.
Namen von FBI-Agenten veröffentlicht
Die Offenlegung des Durchsuchungsbefehls und der Liste der konfiszierten Gegenstände durch Justizminister Merrick Garland hat die Gemüter nicht beruhigen können. Im Gegenteil: Nachdem der von Trump nominierte Richter, der die Aktion abgesegnet hat, mit Morddrohungen konfrontiert ist, sind nun auch die Namen der FBI-Agenten veröffentlicht worden, die den Antrag gestellt haben.
Das Rechtsaussen-Portal Breitbart hat eine unzensierte Version des Durchsuchungsbefehls publiziert und so die Namen der Beamten öffentlich gemacht. Auch anderen konservativen Medien wie «Fox News» und dem «Wall Street Journal» ist das Dokument zugespielt worden – angeblich aus dem Trump-Lager.
Und damit nicht genug: Donald Trump fordert nun sogar die Rückgabe eines Teils der Dokumente, die das FBI kassiert hat. Wie der 76-Jährige auf Truth Social schreibt, hätten die Ermittler Kisten mit Material mitgenommen, das im Zusammenhang mit seinen Anwälten oder auch dem Executive privilige, dem Sonderrecht des US-Präsidenten stünde – und das daher geschützt sei.
Faktisch falsch
Das ist aber nur eine von Trumps Reaktionen: Der New Yorker hatte zuvor behauptet, er habe sämtliche Akten per standing order automatisch freigegeben, bevor er sie «zum Arbeiten» mit ins Mar-a-Lago genommen habe. Gleichzeitig wiederholt Trump den Vorwurf, das FBI spiele ein falsches Spiel: «Das mit den Nuklearwaffen ist ein Schwindel», schreibt er am 12. August auf Truth Social.
Am selben Tag noch schickt Trump hinterher: «Präsident Barack Hussein Obama hat 33 Millionen Dokumente behalten, viele davon geheim. Wie viele davon Atom betreffen? Angeblich sind es viele.» Weiter beschwert sich der Ex-Präsident, dass seine Anwälte der Durchsuchung nicht beiwohnen durften, obwohl sie vor Ort waren.
Und überhaupt: Wenn die Behörden ihn bloss nett gefragt hätten, hätte er ihnen gegeben, was sie haben wollten. Doch wenn es allein um Fakten geht, ist das alles nur eins: falsch. Das Justizministerium hat Trump im Frühling per Subpoena aufgefordert, fehlende Dokumente zurückzugeben. Daraufhin sind 15 Kisten retourniert worden – und im Juni erklären Trumps Anwälte, es gebe im Mar-a-Lago nichts mehr.
«Die Fläche mit Unsinn fluten»
Weiterhin haben die Anwälte nicht das Recht, einer Durchsuchung beizuwohnen. Und nicht zuletzt die Obama-Mär stimmt nicht: Wie die National Archibeves und Records Administration hastig richtigstellt, sind nach Obamas Demission 30 Millionen Dokumente, die freigegeben worden sind, von der Behörde in Chicago eingelagert worden, um sie der Barack Obama Presidential Library zur Verfügung zu stellen, wenn die fertiggestellt ist.
Doch es geht bei dem Vorgang ohnehin nicht um Fakten, glaubt CNN. «Trump und seine Verbündeten kehren zur bekannten Strategie zurück: Die Fläche mit Unsinn fluten», titelt der Medien-Riese. Michael Cohen, der frühere Anwalt und Problemlöser Trumps, ist sich dagegen sicher, dass das FBI gute Gründe für die Durchsuchung hat.
«Das sind nicht die Liebesbriefe von Kim Jong-un oder Wladimir Putin», sagt er dem Sender MSNBC. «Darum drehen sich die Dokumente nicht.» Cohen würde gern Beweise für die These sehen, Trump habe die Akten freigegeben, bevor er sie mitgenommen habe. «Er wird dann behaupten, ich habe jemandem aufgetragen, es zu tun. Er wird nach jemandem suchen, dem er die Schuld geben kann. Jeder ist schuld, ausser er selbst.»
Trump oder Merrick Garland?
Problematisch sei für den 45. Präsidenten die Tatsache, dass er verpfiffen worden ist. «Er ist nicht sicher, ob es [seine Ehefrau] Melania ist. Er ist nicht sicher, ob es nicht eines der Kinder war. Die Sache mit [Schwiegersohn Jared] Kushner kommt mir komisch vor: Er war im Weissen Haus der Sekretär von allem.» Doch wenn es um die Justiz geht, bleibt der Mann von Ivanka Trump aussen vor, spekuliert Cohen darüber, dass der 41-Jährige der Maulwurf sein könnte.
Doch ist nun vollkommen auszuschliessen, dass sich die Behörden einen Fehler erlaubt haben? Nein, sagt der konservative CNN-Moderator Scott Jennings: «Diese Sache kann nur auf zwei Arten enden», so der frühere Berater von George W. Bush: «[Trump] wird angeklagt, oder Merrick Garland muss zurücktreten.» Jennings argumentiert: Entweder der Justizminister hatte einen guten Grund, oder er ist klar zu weit gegangen.
Weil nicht bekannt ist, was für geheime Dokumente mitgenommen worden sein sollen – und weil das angesichts der Geheimhaltung auch nicht öffentlich werden wird, bleibt Raum für Spekulationen. Führende Demokraten haben deshalb Avril Haines angeschrieben: Die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste soll mit Blick auf die Akten einen Schadensbericht erstellen.
In der Republikanischen Partei schadet der Vorgang Trump nicht. Im Gegenteil: In Umfragen hat der 76-Jährige zehn Prozentpunkte auf seinen grössten parteiinternen Widersacher Ron DeSantis gutgemacht. Doch andererseits verbessern sich auch die Umfragewerte der Demokraten, nachdem die Benzinpreise und die Inflation sinken, Joe Biden einige Gesetze durchgebracht und der Oberste Gerichtshof die Spielregeln bei der Abtreibung geändert hat.
Trump wird froh sein, dass die Demokraten nicht mehr die Schlagzeilen beherrschen. Ob es sich auszahlt, dass er mal wieder die Diskussionen beherrscht, wird sich zeigen.