Schweizer Helfer«Wir sorgen uns um die Frauen und Mädchen in Afghanistan»
Von Philipp Dahm
17.8.2021
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
Marinesoldaten der 24. Expeditionseinheit (MEU) bei einer Frau, die ein Kind auf dem Arm trägt, während einer Evakuierung am Hamid Karzai International Airport in Kabul.
Bild: U.S. Marines/ZUMA Press Wire Service/dpa
Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme mit wehender Fahne des Islamischen Emirats Afghanistan durch Kabul.
Bild: Rahmat Gul/AP/dpa
Eine Familie, die zusammen mit weiteren Ortskräften aus Afghanistan am frühen Freitagmorgen (20. August 2021) auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung im deutschen Doberlug-Kirchhain angekommen ist, geht zu ihrer Unterkunft.
Bild: Keystone
Afghanen in Kabul schiessen am 19. August 2021 Selfies mit patrouillierenden Taliban.
Bild: Bild: Keystone
US-Soldaten stehen am 19. August 2021 am Flughafen in Kabul vor Menschen, die aus dem Land gelangen wollen.
Bild: Getty Images
Die Taliban nehmen am 15. August 2021 den verlassenen Präsidentenpalast in Kabul ein.
Bild: Keystone/AP Photo/Zabi Karimi
Afghanen warten vor der Einnahme Kabuls durch die Taliban in langen Schlangen vor einer Bank in der Hauptstadt, um ihr Geld abzuheben. (15. August 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Rahmat Gul
Menschen aus den nördlichen Provinzen Afghanistans sind vor den Taliban nach Kabul geflüchtet, wo sie in einem öffentlichen Park wohnen müssen. (13. August 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Rahmat Gul
Taliban beten am 15. August 2021 in Ghazni im Südosten Afghanistans mit ihrer Flagge.
Bild: Keystone/AP Photo/Gulabuddin Amiri
Vor dem Weissen Haus in Washington protestieren am 15. August 2021 Demonstranten gegen die Taliban.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Ein Helikopter des US-Militärs von Typ Chinook fliegt über der US-Botschaft in Kabul.
Bild: Keystone/dpa
Transportflugzeuge vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe stehen am Abend auf dem Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover.
Bild: Keystone/dpa/Moritz Frankenberg
Taliban-Kämpfer sitzen in einem Raum des Präsidentenpalastes. Nur wenige Stunden nach der Flucht von Präsident Ghani hat die militant-islamistische Gruppierung das Regierungsgebäude in der Hauptstadt Kabul eingenommen.
Bild: Keystone/dpa
Passagiere gehen am Samstag vor der Umzingelung von Kabul durch die Taliban zum Abflugterminal des internationalen Flughafens Hamid Karzai.
Bild: Keystone/AP/Rahmat Gul
Taliban-Kämpfer stehen Wache an einem Checkpoint in Kabul.
Bild: KEYSTONE
Taliban-Kämpfer an der Strasse zum Flughafen in Kabul: Die Islamisten haben Posten in der ganzen Stadt bezogen und Behörden besetzt.
Bild: KEYSTONE
Der ehemalige Präsident Hamid Karsai (dritter von links) mit Taliban-Führer Anas Hakkani (rechts neben ihm) und Abdullah Abdullah (rechts neben Hakkani), Präsident des Nationalen Versöhnungsrats.
Bild: KEYSTONE
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
Marinesoldaten der 24. Expeditionseinheit (MEU) bei einer Frau, die ein Kind auf dem Arm trägt, während einer Evakuierung am Hamid Karzai International Airport in Kabul.
Bild: U.S. Marines/ZUMA Press Wire Service/dpa
Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme mit wehender Fahne des Islamischen Emirats Afghanistan durch Kabul.
Bild: Rahmat Gul/AP/dpa
Eine Familie, die zusammen mit weiteren Ortskräften aus Afghanistan am frühen Freitagmorgen (20. August 2021) auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung im deutschen Doberlug-Kirchhain angekommen ist, geht zu ihrer Unterkunft.
Bild: Keystone
Afghanen in Kabul schiessen am 19. August 2021 Selfies mit patrouillierenden Taliban.
Bild: Bild: Keystone
US-Soldaten stehen am 19. August 2021 am Flughafen in Kabul vor Menschen, die aus dem Land gelangen wollen.
Bild: Getty Images
Die Taliban nehmen am 15. August 2021 den verlassenen Präsidentenpalast in Kabul ein.
Bild: Keystone/AP Photo/Zabi Karimi
Afghanen warten vor der Einnahme Kabuls durch die Taliban in langen Schlangen vor einer Bank in der Hauptstadt, um ihr Geld abzuheben. (15. August 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Rahmat Gul
Menschen aus den nördlichen Provinzen Afghanistans sind vor den Taliban nach Kabul geflüchtet, wo sie in einem öffentlichen Park wohnen müssen. (13. August 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Rahmat Gul
Taliban beten am 15. August 2021 in Ghazni im Südosten Afghanistans mit ihrer Flagge.
Bild: Keystone/AP Photo/Gulabuddin Amiri
Vor dem Weissen Haus in Washington protestieren am 15. August 2021 Demonstranten gegen die Taliban.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Ein Helikopter des US-Militärs von Typ Chinook fliegt über der US-Botschaft in Kabul.
Bild: Keystone/dpa
Transportflugzeuge vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe stehen am Abend auf dem Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover.
Bild: Keystone/dpa/Moritz Frankenberg
Taliban-Kämpfer sitzen in einem Raum des Präsidentenpalastes. Nur wenige Stunden nach der Flucht von Präsident Ghani hat die militant-islamistische Gruppierung das Regierungsgebäude in der Hauptstadt Kabul eingenommen.
Bild: Keystone/dpa
Passagiere gehen am Samstag vor der Umzingelung von Kabul durch die Taliban zum Abflugterminal des internationalen Flughafens Hamid Karzai.
Bild: Keystone/AP/Rahmat Gul
Taliban-Kämpfer stehen Wache an einem Checkpoint in Kabul.
Bild: KEYSTONE
Taliban-Kämpfer an der Strasse zum Flughafen in Kabul: Die Islamisten haben Posten in der ganzen Stadt bezogen und Behörden besetzt.
Bild: KEYSTONE
Der ehemalige Präsident Hamid Karsai (dritter von links) mit Taliban-Führer Anas Hakkani (rechts neben ihm) und Abdullah Abdullah (rechts neben Hakkani), Präsident des Nationalen Versöhnungsrats.
Bild: KEYSTONE
Die Schweizer Afghanistanhilfe engagiert sich seit Jahren in dem Land, das nun von den Taliban regiert wird. Präsident Michael Kunz erklärt, wie es so weit kommen konnte und welche Rolle Korruption spielt.
Von Philipp Dahm
17.08.2021, 06:45
17.08.2021, 06:46
Philipp Dahm
Die Afghanistanhilfe ist 1988 von Vreni Frauenfelder und vier weiteren Schweizern gegründet worden. «Wir engagieren uns in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Nothilfe», erklärt Präsident Michael Kunz.
Was tun die Schweizer im Mittleren Osten? «Wir sind in fünf verschiedenen Provinzen tätig. Dort betreiben wir in verschiedenen Ortschaften regionale Gesundheitseinrichtungen, bauen Schulen, betreiben drei grosse Waisenhäuser und verteilen Nutztiere an Bedürftige und verarmte Frauen.»
«blue News» hat bei der Afghanistanhilfe telefonisch nachgefragt, wie sie die Lage in dem gebeutelten Land einschätzt.
Herr Kunz, wie fühlen Sie sich nach den vielen Hiobsbotschaften aus Afghanistan?
Es ist natürlich eine schwierige Situation. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren lokalen Partnern und spüren die Angst der Menschen vor Ort vor dem, was passiert. Es gibt viele Rückmeldungen und Fragen – etwa von den Mädchen aus unseren Waisenhäusern, aber auch von Frauen, die einfach bloss Angst davor haben, was die Zukunft bringt.
Wie halten Sie den Kontakt zu den Menschen?
Zum einen über Facebook: Wir telefonieren entweder über den Messenger oder via Skype. Aber das geht natürlich nur in den Städten, weil es in den abgelegenen Gebieten kein Internet gibt.
Viele Menschen sind von der schnellen Eroberung überrascht: Wo waren die Taliban in den letzten 20 Jahren?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, sie hatten sicherlich Zeit, sich vorzubereiten. Das ist, glaube ich, der eine Aspekt – dass sie die Geduld hatten, um nun das Momentum zu nutzen. Andererseits gibt es da die Vermutung, dass im grossen Stil Kämpfer aus Pakistan eingeschleust wurden. Das wird wohl stimmen: Ich könnte mir andernfalls nicht erklären, wie man in so kurzer Zeit ein ganzes Land übernehmen kann. Es gab allerdings auch wenig Gegenwehr.
20 Jahre nation building sind innerhalb von Tagen und Wochen zerstört worden. Wie erklären Sie sich das?
Bei der Bildung dieses Staates hat es grundlegende Fehler gegeben. Die Warlords, die nach dem Zusammenbruch der alten Taliban-Regierung eingesetzt worden sind, waren grundsätzlich nur darauf bedacht, ihre Macht zu sichern, sie zu stärken und sich am Staatsbudget und an der Entwicklungshilfe zu bereichern. Dass die Weltgemeinschaft das mitgemacht hat, ist für mich unerklärlich.
Das staatliche Fundament steht auf tönernen Füssen?
Es gibt einerseits in den meisten Landesteilen kein Verständnis von Afghanistan als Staat. Und andererseits ist es die Korruption, die verstärkend wirkt: Wenn Sie nur alle zwei, drei Monate einen Sold bekommen, weil der Kommandant oder die Politiker das Geld gestohlen haben, ist das nicht gut für die Moral. Und wenn sie dann noch auf dem Schlachtfeld erfahren, dass die lokalen Regierungsmitglieder von den Taliban im Konvoi aus der Stadt gebracht werden, würden Sie sich vermutlich auch eher ergeben, als für die zu kämpfen.
Warum konnte die Korruption so gross werden?
Grundsätzlich war das Problem, dass die Weltgemeinschaft die Gelder der afghanischen Regierung übertragen hat. Sie hatte die Verantwortung, diese Gelder in entsprechende Projekte fliessen zu lassen – ohne wirkliche Kontrolle. Das hat sich insbesondere im Gesundheitswesen gezeigt: Wenn ich bei Projektreisen entsprechende Einrichtungen besucht habe, waren dort die Türen zwar offen, aber meistens gab es kein Personal. Und wenn es Personal gab, erzählten sie uns, dass sie oft den Lohn nicht bekommen und keine Medikamente vorhanden sind und die Leute deshalb nicht in diese Spitäler kommen. Zuerst wird Geld in Kabul gestohlen, dann in den Provinzen – und in den Projekten selber kommt wenig an. Diese Korruption wurde in 20 Jahren professionalisiert. Das zeigte sich auch im Umgang mit den NGOs.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Wir haben früher für die Gesundheitseinrichtungen Gebäude gebaut und die Regierung störte sich daran, dass sie daran nichts verdient. Deshalb haben sie ein neues Gesetz lanciert, nach dem nur noch staatliche Firmen bauen können. Wir haben das umschifft, indem wir eine eigene Baufirma gegründet haben. Zum anderen haben wir einfach Gebäude gemietet. Wir sind also etwa in einen abgelegenen Ort gegangen und haben gesagt: «Wir richten eine Klinik ein, aber wir können nicht bauen.» Dann wird uns von der Gemeinde kostenlos ein Gebäude zur Verfügung gestellt. Bei allem, was wir getan haben, haben wir versucht, es möglichst ohne die Regierung zu machen.
Um wen machen Sie sich jetzt am meisten Sorgen?
Am meisten sorgen wir uns um die Frauen und um die Mädchen. Sie sind die Leidtragenden in diesem Konflikt und werden am meisten verlieren. Sie haben jetzt 20 Jahre Entwicklung mitgemacht und haben Freiheiten dazugewonnen. Sie können zur Schule gehen, studieren, einer Arbeit nachgehen und sich frei bewegen. Aus den Gebieten, die von den Taliban kontrolliert werden, hören wir, dass nun wieder die alten Regeln gelten. Sprich: Die Frauen werden wieder in die Häuser zurückgedrängt und dürfen nicht mehr ohne männliches Familienmitglied auf die Strasse.
Neuerdings geben sich die Taliban ja ganz zahm.
Sie kommen sehr fortschrittlich daher und erzählen, dass sich nichts ändern wird, dass sie keine Rache üben und auch die Frauen fördern wollen. Aber aus meiner Sicht ist das bloss Taktik: Sie wollen, dass ihre neue Regierung international anerkannt wird. Im Land selbst sprechen die Taliban eine ganz andere Sprache.