Waffen für die Ukraine «Wir denken immer noch nicht gross genug»

Von Philipp Dahm

20.4.2022

Ukraine hat laut USA zusätzliche Kampfjets erhalten

Ukraine hat laut USA zusätzliche Kampfjets erhalten

Die Ukraine hat nach US-Angaben Kampfjets für den Krieg gegen Russland erhalten. Die USA hätten beim Transport von «einigen zusätzlichen Ersatzteilen geholfen», aber keine kompletten Flugzeuge transportiert, erklärte das Pentagon.

20.04.2022

Kaum haben die USA die letzte Ukraine-Militärhilfe bekannt gemacht, wird schon über die nächste Unterstützung geredet. Und auch bei Ausbildung und Versorgung von Kiews Soldaten macht der Westen vorwärts.

Von Philipp Dahm

Es ist nicht einmal eine Woche her, dass Joe Biden neue Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 800 Millionen verkündet – und prompt auch das entsprechende Material geliefert hat. Nach wenigen Tagen sind bereits 500 Javelin-Raketen und Haubitzen aus den USA in der Ukraine angekommen.

Und obwohl seither so wenig Zeit vergangen ist, will Joe Biden in Kürze erneut das Scheckbuch ziehen, berichtet «Reuters»: Wie die Nachrichtenagentur aus mehreren Quellen erfahren haben will, steht ein ähnlich grosses Hilfspaket noch in dieser Woche verabschiedet.

Die neuen Militärhilfen, die ebenfalls im Rahmen von 800 Millionen Dollar liegen sollen, werden demnach weitere Artilleriesysteme, Munition, Schützenpanzer, Drohnen-Boote zur Küstenverteidigung umfassen und andere schwere Waffen, die bisher noch nicht geliefert worden sind.

«Wer sich nun fragt, wieso Washington denn nun schon wieder Waffen in die Ukraine pumpt», wie es der russische Aussenminister Sergej Lawrow gerade gegenüber «India Today» wiederholt hat, ahnt wahrscheinlich nicht, wie hoch der Verbrauch ist: 500 Javelin, die rund 94 Millionen Dollar kosten, sind innert drei bis fünf Tagen aufgebraucht.

Training in der Ukraine und in den Nachbarländern

Die 18 Haubitzen, die die USA geschickt haben, erhöhen die Schlagkraft der ukrainischen Artillerie gerade mal um drei Prozent, verdeutlicht Yaroslav Trofimov. Der in der Ukraine geborene Italiener berichtet für das «Wall Street Journal» und zeigt mit seiner Einordnung auf, wie enorm der Verschleiss von Mensch und Material im Krieg in der Ukraine ist.

Die Kraft der Artillerie: Einheiten der 82. Luftlande-Division im Dezember 2020 beim Übungsschiessen im Nordosten Syriens.
Die Kraft der Artillerie: Einheiten der 82. Luftlande-Division im Dezember 2020 beim Übungsschiessen im Nordosten Syriens.
US Army

Neben den vier Flügen, die Waffen aus den neuen Militärpaketen aus den USA nach Osteuropa gebracht haben, greift das Pentagon auch noch auf anderem Wege in den Krieg ein: Seit Wochen schon werden ukrainische Soldaten von GIs ausgebildet, um die neuen Systeme auch nutzen zu können, die geliefert worden sind.

Demnach wurden ukrainische Soldaten nicht nur im Umgang mit Radargeräten, sondern auch im Einsatz von Switchblade-Kamikaze-Drohnen oder Radargeräten trainiert – und das angeblich innerhalb der Ukraine. Die Operation der neu gelieferten 155-Millimeter-Geschützen soll in einem europäischen Nachbarland geschehen, heisst es weiter.

Ex-General wirft Pentagon «übertriebene Angst» vor

Auch bei der ukrainischen Luftwaffe gibt das Pentagon Hilfestellung: «Sie haben zusätzliche Flugzeuge und Ersatzteile bekommen, die ihnen helfen, mehr Jets in die Luft zu bringen», erklärt Sprecher John Kirby. Die USA selbst hätten nur beim Verschiffen von Ersatzmaterial geholfen. «Aber wir haben keine kompletten Flugzeuge transportiert.»

«Kauft mir ein Kampfflugzeug»: Ein inzwischen viral gegangenes Video der ukrainischen Luftwaffe, in dem ein Pilot Reiche und Mächtige auffordert, ihn mit einem Jet zu versorgen.

Experten diskutieren derweil, wie weit der Informationsaustausch mit der Ukraine gehen soll: Das Weisse Haus zögert noch, Kiew beispielsweise mit Daten über russische Basen zu versorgen. Das stösst auf Kritik: «Sieben Wochen zuvor gab es Diskussionen, ob man ihnen Stinger-Raketen geben soll – wie albern scheint das jetzt zu sein?», fragt Frederick B. Hodges die «New York Times».

Der pensionierte Lieutenant general der US Army fordert von Washington ein beherzteres Vorgehen: «Wir haben uns von einer übertriebenen Angst abschrecken lassen, was möglicherweise passieren könnte. Wir denken immer noch nicht gross genug. Wir denken immer noch nicht nach dem Motto ‹Die Ukraine gewinnt›.»

Kanada will schwere Artillerie liefern

Bisher haben nur die Slowakei und Tschechien eingeräumt, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Bratislava hat das Flugabwehrsystem S-300 verschenkt, nachdem die USA zugesichert haben, der Slowakei das westliche Konkurrenzprodukt Patriot zu verkaufen. Aus Tschechien kommen ehemalige BMP-1-Panzer der ostdeutschen Volksarmee und T-72 Panzer. Ausserdem hat Prag angeboten, ukrainische Panzer zu reparieren: Einige T-64 sollen dort schon in den Werkstätten stehen.

Ein BWP-1, die polnische Version des BMP-1, im Juni 2016 auf einem Übungsgelände.
Ein BWP-1, die polnische Version des BMP-1, im Juni 2016 auf einem Übungsgelände.
Commons/Konflikty.pl

Verwirrung gab es um eine angebliche Lieferung von 100 T-72 sowie BWP-1-Schützenpanzern aus Polen, die nicht bestätigt worden ist. Unbestritten ist dagegen eine andere Hilfsbereitschaft: Warschau pflegt verletzte ukrainische Soldaten – und ist auch bereit, solche in separaten Transporten nach Polen zu holen, wie Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in Wroclaw erklärt.

Handfestere Unterstützung will übrigens Kanada beibringen: «Kanada wird schwere Artillerie in die Ukraine liefern», kündigt Premier Justin Trudeau laut «National Post» an. «Weitere Details gibt es in den kommenden Tagen.» Fest steht bisher nur, welchen Weg diese Militärhilfe nicht nehmen wird: Ungarn verwehrt auch weiterhin Waffenlieferungen den Weg über sein Territorium – und wird sich auch weiterhin nicht an den Russland-Sanktionen der EU beteiligen.