Nachschub-Wege Wie westliche Waffen in die Ukraine gelangen

Von Philipp Dahm

3.12.2022

Leben an der Front in der Ukraine: Kein Wasser, kein Strom, dafür Minen

Leben an der Front in der Ukraine: Kein Wasser, kein Strom, dafür Minen

Im Dorf Dowgenke an der Front im Osten der Ukraine sind alle Häuser zerstört oder beschädigt. Die wenigen Menschen, die hier noch ausharren, haben weder Strom noch Gas oder fliessendes Wasser. Viele klingen resigniert.

01.12.2022

Die Unterstützung des Westens für die Ukraine reisst nicht ab. Doch wie gelangen die Waffen eigentlich an die Front? Die Nachschub-Drehscheibe liegt in Polen: Putin kennt die Wege, aber er kann nichts tun.

Von Philipp Dahm

Wie kommen westliche Waffen eigentlich in die Ukraine? Wenn London Kiew Lenkraketen von Typ Brimstone 2, Munition und leichte Waffen liefern will, bietet sich das Flugzeug an. 

Die britische Agentur BFBS Creative darf den Transport mit der Boeing C-17 Globemaster III begleiten.  «Das Flugzeug wie auch ich fliegen heute nach Osten», sagt der Reporter. «Uns wurde nicht gesagt, wohin.» Es sei das erste Mal, dass die Royal Air Force so einen Dreh erlaube.

Der Lufttransport von der Insel ist die schnellste Liefer-Lösung: Alles Gerät, was zu sehen ist, «wird in den nächsten Tagen gegen Russland benutzt werden», weiss der Reporter. Nach der Landung am Zielort darf er seine Kamera nicht aus der C-17 rausschwenken – um nicht die Geolocation herausfinden.

Ein «gewisser Mann würde wohl liebend gerne wissen, wo dieses Zeug hier ausgeladen wird», ist sich der Reporter sicher. Dabei ist kein Geheimnis, wo die meisten Transportflugzeuge landen, die das Material für die Ukraine heranschaffen: Es geht um den Flughafen Rzeszów-Jasionka.

Drehscheibe Rzeszów-Jasionka

Er liegt bei der südpolnischen Stadt Rzeszów, ist rund 75 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und an die Autobahn E40 angebunden, die hinter der Grenze bis nach Lwiw führt. Der Verkehr auf dem Flughafen hat sich nach dem Ausbruch des Krieges verdreifacht, zeigen die Statistiken.

In der Nähe des Flughafens sind diverse Lagerhäuser hochgezogen worden, wie der Vergleich mit älteren Satellitenbildern zeigt. An einer speziellen Station können die Güter zeitnah auf Lastwagen verladen werden. Alternativ bietet sich die Eisenbahn an, die von hier acht Kilometer über die Grenze ins Dorf Mostyska Druhi fährt, wo von der europäischen Spurweite von 1435 auf die osteuropäischen 1520 Millimeter umgestellt wird.

Lage des Flughafens Rzeszów-Jasionka.
Lage des Flughafens Rzeszów-Jasionka.
Google Earth

Auch die USA nutzen den Flughafens Rzeszów-Jasionka extensiv. Entweder sie fliegen Polen direkt von ihrer Drehscheibe in Dover im US-Bundesstaat Delaware an, wo das Air Mobility Command stationiert ist. Oder das Gerät wird mit Schiff nach Griechenland gebracht und von dort aus per Flugzeug an die Grenze geliefert.

Keine Lufthoheit

Eine Achillesferse des Transportsystems ist die Eisenbahn: Die Ukraine hat stets auf elektrisierte Verbindungen gesetzt, weil Strom im Gegensatz zu Sprit vorhanden war. Die Standorte der verschiedenen Umformerwerke, die den Strom auf die Leitungen bringen, sind bekannt. Auch in Moskau.

Schienennetz in der Ukraine.
Schienennetz in der Ukraine.
Logistics Cluster

Gezielte Angriffe könnten also den Schienenverkehr in der Ukraine schnell lahmlegen. Und was für die Bahn-Infrastruktur zutrifft, gilt auch für das Strassennetz, über das etwa eine deutsche Panzerhaubitze 2000 – per Lastwagen – ihr Ziel erreicht.

Hauptverkehrswege-Netz der Ukraine: Die blauen Strassen sind internationale Fernstrassen.
Hauptverkehrswege-Netz der Ukraine: Die blauen Strassen sind internationale Fernstrassen.
Commons/Gnesener1900

Doch der Kreml verfügt offenbar nicht über die Mittel, die Anlagen auszuschalten oder die Fernstrassen gezielt zu überwachen. Dabei rächt sich, dass Russland nicht die Lufthoheit erstritten hat: Bomber-Angriffe sind so weit im Westen der Ukraine wegen der Flugabwehr unmöglich. Und der Vorrat an Raketen reicht wohl nicht aus, um neben der Stromversorgung der Zivilbevölkerung auch noch die der Bahn anzugreifen.