US-Wahl 2020 Wie die US-Demokraten an Trump scheitern – und wer sie retten kann

Von Philipp Dahm

5.2.2020

Gesucht: ein Gegner für Trump.
Gesucht: ein Gegner für Trump.
Bild: Keystone

Nach dem Impeachment scheint Donald Trump fester denn je im Sattel zu sitzen, und die Demokraten spielen noch unfreiwillig den Steigbügelhalter. Ein Cowboy der Demokraten hätte im Duell mit Trump dennoch Chancen.

Impeachment, aus, vorbei. Bleibt die Frage: Warum kann Donald Trump machen, was er will? Dass dem US-Präsidenten nicht mehr Gegenwind ins Gesicht weht, hat vielerlei Gründe – und einer davon ist die Demokratische Partei.

Warum es ausgerechnet der politische Gegner ist, der dem Republikaner im Weissen Haus in die Hände spielt, kann am besten einer erklären, der das Metier aus dem Effeff kennt: Der Gastgeber von «Real Time with Bill Maher» ist ein erklärter Anhänger der amerikanischen Linken – aber er ist vielleicht auch einer der schärfsten Kritiker jener Demokraten, die dem Phänomen Trump scheinbar hilflos gegenüberstehen.

Dabei bietet der 73-Jährige doch genug Angriffsfläche. Im Sommer befinden beispielsweise 70 Prozent der Amerikaner, Trump sei nicht präsidentenhaft und twittere zu viel. Eine «Trump-Müdigkeit» macht Bill Maher damals aus: Obwohl bereits im Juli 2019 die Arbeitslosenquote unter vier Prozent liegt, kommt Trump nur auf magere 43 Prozent Zustimmung.

Einfach weniger «crazy»

Gleichzeitig ist es seit je schwierig, einen Präsidenten abzulösen, wenn die Wirtschaft brummt. «Jeder Amtsinhaber seit Franklin D. Roosevelt hat die Wiederwahl gewonnen, wenn eine Rezession vermieden werden konnte», erläutert der Moderator. Und dennoch sei ein Sieg an der Urne möglich: «Die Wähler, die die Demokraten gewinnen müssen, sind die moderaten mit dieser Trump-Müdigkeit.»

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Drake University, in Des Moines, Iowa, am 30. Januar 2020.
Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Drake University, in Des Moines, Iowa, am 30. Januar 2020.
Bild: Keystone

Trump setze vor allem auf Panikmache: «Angst vor Sozialismus, Angst vor offenen Grenzen, Angst, die private Krankenversicherung zu verlieren, Angst vor höheren Steuern. Er verfährt nach dem Motto: ‹Die Kommunisten kommen: Scheisst euch in die Hose!›» Die Demokraten müssten deshalb eigentlich bloss etwas weniger «crazy» sein als der Amtsinhaber. «Und natürlich versagen sie!»

Maher kommt in Fahrt: «Ich kann es nicht mehr hören, dass Demokraten die Basis in Aufregung versetzen müssen – Trump versetzt die Basis in Aufregung.» Wer ihn schlagen wolle, müsse die Angstmacherei relativieren – immerhin könne in den USA zu jener Zeit ja auch ein Song wie «Old Town Road» Chartsrekorde brechen, auch wenn sich darin mit Lil Nas ein Schwarzer durch einen Country-Song rappe, der auf einem Pferd sitze und homosexuell ist.

Drei Monate später hat Bill Maher so nachgelegt: Trump habe verstanden, dass die politische Landschaft der USA ein binäres System ist, in dem es nur zwei Parteien gibt. Belegt wird das mit einem Clip von einer Wahlkampfrede des Amtsinhabers – ab Minute 0:50. «Wenn Sie Donald Trump wirklich mögen, ist das grossartig, aber wenn Sie es nicht tun, müssen Sie trotzdem für mich stimmen», tönt er da.

Und an anderer Stelle: «Ob Sie mich nun lieben oder hassen, Sie müssen mich wählen.» Aber warum sollte ein Wähler, der Trump hasst, für ihn stimmen? Wegen dem binären hopp oder top – weil es trotz Aversion nun mal keine Alternative für die Abstimmenden gibt, meint Maher.

Elizabeth Warren, Joe Biden und Bernie Sanders: More of the same?
Elizabeth Warren, Joe Biden und Bernie Sanders: More of the same?
Bild: Keystone

Partikularinteressen regierten nun einmal bei den Demokraten: Ein Bernie Sanders etwa habe sich dafür starkgemacht, dass der Attentäter von Boston im Gefängnis wählen dürfe.

«Warum ist es eine gute Sache, einem gestörten Serienmörder eine Stimme in der zivilen Gesellschaft zu geben?», fragt Maher genervt. «Man kann gewiss Argumente dafür finden, aber wir versuchen, hier eine Wahl zu gewinnen – und das gibt Trump bloss Kanonenfutter.» Belegt wird das mit entsprechenden Trump-Clips ab Minute 1:43.

Steuerfinanzierte Geschlechtsumwandlungen

Ähnlich sei es mit Elisabeth Warren, die sich ebenfalls auf Nebenkriegsschauplätzen abkämpfe. Die Schlagzeile dazu: «Warren: Gefängnisinsassen haben ‹Anspruch› auf steuerfinanzierte Geschlechtsumwandlungen». «Wie will man dafür Stimmen kriegen? Wissen Sie, wie viele Transsexuelle in Bundesgefängnissen sitzen? 473 – und die dürfen [als Inhaftierte] nicht einmal wählen», so Maher.

Maher dreht den Spiess um, um es noch klarer zu machen: «Wenn du ein progressiver Wähler bist, der Elizabeth Warren mag, einen Prius fährst, Waffen hasst und Grünkohl in Grossmengen kauft, aber dann herausfindest, dass Elizabeth Warren nicht für die steuerfinanzierte Geschlechtsumwandlung für Gefängnisinsassen ist – brichst du dann mit ihr und wählst Trump? Natürlich nicht. Das ist die binäre Sache, die die Demokraten nicht verstehen. Sie haben eben nie ‹Ein Offizier und Gentleman› gesehen, in dem ein Army-Ausbilder Richard Gere zwingt, dieselbe Wahrheit anzuerkennen, der sich auch demokratische Wähler stellen müssen.»

Welche das ist? Ein verzweifeltes «Ich kann nirgendwo anders hingehen!!!»

Hinzu komme laut Maher, dass sich nur 46 Prozent der demokratischen Wähler auch als liberal einschätzten. Deshalb bringe es auch nichts, dass ein Beto O’Rourke jenen Kirchen mit dem Ende der Steuerfreiheit drohe, die gegen die gleichgeschlechtliche Ehe seien. «Das kommt bei schwarzen Kirchgängern bestimmt gut an, und versuch mal als Demokrat, ohne diese zu gewinnen.»

Es würden sogar Abtreibungsrechte von Transfrauen thematisiert, die gar nicht schwanger werden könnten. Und: 69 Prozent der Wähler würden Trump persönlich nicht einmal mögen, stöhnt Maher. «Es sollte einfach sein: Seid einfach weniger crazy als Donald Trump. Habt Ihr echt Probleme damit?»

Wer also an eine Niederlage Donald Trumps im Jahre 2020 glaubte, hat scheinbar schlechte Karten: Abgesetzt wird er schon mal nicht, und vielleicht gelingt es ihm sogar noch, dass Impeachment-Verfahren für seine Zwecke zu nutzen.

Ob Bernie Sanders oder Elizabeth Warren seinem Augen-zu-und-durch-Charme etwas entgegensetzen können, scheint fraglich. Und Joe Biden, der zu Beginn des Rennens Trump um Längen voraus zu sein schien, wird der parteiinterne Vorwahlkampf wohl die Kandidatur kosten.

Es gibt aber einen unter den anfangs über 20 Kandidaten, der das Weisse Haus doch noch für die Demokraten erobern könnte.

Der Aufstieg dieses Kandidaten aus der zweiten Reihe zeichnete sich im letzten Quartal 2019 ab. Bis dato konnten von 417'000 Personen Wahlkampfspenden eingesammelt werden, doch zwischen Oktober und Dezember 2019 kamen 326'000 neue Überzeugte hinzu. In Iowa arbeitete sich diese Person gar zum Spenden-Krösus der Demokraten auf, und auch in New Hampshire, wo der nächste Urnengang stattfindet, hat niemand so viele Dollar eingesammelt wie er: Pete Buttigieg ist der einzige, der Trump schlagen könnte. Der Mann, so scheint es, macht einfach sehr viel richtig.

Krösus aus der zweiten Reihe

Nicht wegen des vorhandenen Geldes, obwohl die Masse der Spender schon als ein Indiz für Überzeugungskraft auf breiter Ebene gewertet werden kann. Aber zum Beispiel, weil er Grossspenden, die 25'000 Dollar übersteigen, umgehend von sich aus deklariert. Weil er es geschafft hat, die Stadt South Bend in Indiana in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld als Bürgermeister wieder nach vorn zu bringen.

Kompetenter Kandidat aus der zweiten Reihe: Pete Buttigieg.
Kompetenter Kandidat aus der zweiten Reihe: Pete Buttigieg.
Bild: Keystone

Weil er einerseits die Unis in Harvard und Oxford durchlaufen hat, andererseits auch als Zeitsoldat in Afghanistan gedient hat. Und weil der erste öffentlich homosexuelle Präsidentschaftskandidat in spe 38 Jahre alt ist. Er stünde insofern am ehesten für einen Neubeginn – bei Barack Obama hiess das damals «change».

Nicht zuletzt TV-Giftspritze Mahers Stimme hätte Pete Buttigieg sicher: «Mayor Pete» müsse seine Antworten nicht verändern, wenn es ums Ansprechen der breiten Masse gehe, lobte der Moderator jüngst und attestierte Buttigieg in seiner Show, «deutlich reifer als einige andere Kandidaten» zu sein.

Wofür der Kandidat steht

«Ich nehme an, dass man in jedem Alter antreten und gewinnen kann», meint der verheiratete Christ dazu. «Aber die wirklich wichtige Sache ist doch die: Konzentrieren wir uns auf die Zukunft oder sind wir in der Politik der Vergangenheit verhaftet. Wenn wir regieren und gewinnen wollen, müssen wir uns in einem Moment wie diesem auf die Zukunft konzentrieren. Wir müssen das ganz sicher, wenn wir regieren wollen, weil wir dann mit Bedrohungen der Cybersicherheit, mit globalen Gesundheitsrisiken und einer sich durch Technologien veränderten Wirtschaft zu tun haben.»

Der Mann weiss sich zu verkaufen, was bei einer Wahl nicht gerade nichtig ist. Wenn Maher über seinen unaussprechlichen Namen witzelt, kontert Buttigieg: «Sprechen Sie es aus, wie Sie wollen – Sie müssen bloss in der Lage sein, mich auf einer Liste wählen zu können.»

Pete Buttigieg beim Wahlkampf in Concord, New Hampshire, am 5. Februar 2020.
Pete Buttigieg beim Wahlkampf in Concord, New Hampshire, am 5. Februar 2020.
Bild: Keystone

Und wenn es um Buttigiegs vergleichsweise geringe politische Erfahrung geht, pariert jener das mühelos: «Immer, wenn meine Partei in den letzten 50 Jahren das Weisse Haus gewonnen hat, gelang das mit einem zukunftsorientierten Kandidaten, der neu in der nationalen Politik war und einer neuen Generation die Tür geöffnet hat.»

Buttigieg könnte wirklich das Zeug dazu haben, bis anhin politisch Andersdenkende für sich zu vereinnahmen. «Ein Teil des Erfolgsrezepts für einen Wahlsieg ist, einen breiten Zusammenschluss zu erwirken», erklärt er. «Es gibt viele von jenen, die ich gern zukünftige Ex-Republikaner nenne. Wir haben in einigen Bezirken in Iowa gar keinen Wahlkampf geführt, weil Trump dort um die 20 Prozent Vorsprung hat, und dennoch kommen Leute aus der Holz-Branche zu meinen Veranstaltungen. Ich versuche nicht, sie hereinzulegen. Ich tue nicht so, als sei ich ein Konservativer. Aber ich setze alles daran, dass wir eine Vision haben, mit der sich eine gesunde Mehrheit der Amerikaner anfreunden kann. Das gilt nicht nur für das Programm, sondern auch für den Ton und den Stil.»

Vereiniger der Staaten?

Der Demokrat setzt auf gesellschaftlichen Konsens: «Wir müssen sicherstellen, dass wir alle Muster der Ausgrenzung beim Namen nennen. Und wenn ich davon rede, dass wir eine Kultur der Zugehörigkeit für dieses Land schaffen müssen, schafft das die Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben – und zwar unabhängig davon, woher man kommt, welcher Rasse man angehört oder welche wirtschaftliche Position man bekleidet.»

Volksnah: Buttigieg in in Des Moines, Iowa, am 3. Februar.
Volksnah: Buttigieg in in Des Moines, Iowa, am 3. Februar.
Bild: Keystone

Harvard hin, Oxford her – Buttigieg gibt sich auch bodenständig. «Ich bin gerade in Ost-Iowa, wo es viele Städte wie South Bend gibt: Der Präsident sagt, er sorge sich um die vergessenen Männer und Frauen sowie die Industriearbeiter, aber wenn man sich seine Wirtschaftspolitik bisher ansieht, profitieren nur die Reichen und die Konzerne. Trump tut nichts für Arbeiter oder Bauern, und die Leute wissen das.»

Auch wenn es um seine bisher fehlende Ausstrahlung punkto schwarze Wählerschaft geht, weiss Buttigieg zu relativieren. «Deswegen ist es so wichtig, sich bei der Basis gut zu schlagen. Die stärkste Unterstützung von schwarzen Wählern habe ich dort, wo die Leute mich am besten kennen: in South Bend.» Und er sagt: «Niemand bekommt den Schmerz der Trump-Präsidentschaft mehr zu spüren als die farbigen Communitys. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gewinnen.»

Trump Kontra

Zu konstatieren ist: Wer glaubt, Trump könnte diesen Kandidaten einfach mit einem Spitznamen versehen und über ihn hinwegsehen, der unterschätzt Buttigieg.

Als Maher festhält, dass er seit George Bush Senior der erste Präsident wäre, der beim Militär gewesen sei, nutzt der 38-Jährige die Chance für einen Vorstoss. «Wir haben hier einen Präsidenten, der sich auf die Brust trommelt, eine Militärparade für sich schmeisst und dann die Truppe im Stich lässt.»

Und mit Blick auf die medizinische Versorgung der Veteranen: «Wer sich nur ein bisschen damit auskennt, was den Soldaten in den Kriegen nach 9/11 geschehen ist, weiss, dass ein Schädelhirntrauma sehr viel ernster ist als ein Überbein.» Ernsthaft wegen eines Überbeins blieb Trump Vietnam erspart.

Am Ende des Interviews wird Buttigieg mit Bill Mahers These konfrontiert, dass ein Donald Trump das Feld nicht freiwillig räumen werde, selbst wenn er verlöre. Wie er denn dann reagieren würde, wenn Trump und der streng christliche Vize Mike Pence einfach blieben?

Die Antwort – genüssliches Grinsen inklusive: «Nun ja, es wäre dann vielleicht schon ein bisschen unbehaglich, wenn [mein Ehemann] Chasten und ich dann ins Weisse Haus einzögen …»

Road to Impeachment

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