Late Night USA«Wer auf den Teufel feuert, sollte nicht danebenschiessen»
Philipp Dahm
1.4.2019
Alles Mueller, oder was? Nachdem der US-Sonderermittler keine Beweise für eine Verschwöung gefunden hat, begleitet «Saturday Night Live» Donald Trump und Co beim Feiern.
Die USA laborieren noch an den Nachwehen des Untersuchungsberichtes von Sonderermittler Robert Mueller. Das ist bei «Saturday Night Live» (SNL) nicht anders: Im traditionellen Eröffnungssketch «Cold Open» nehmen sich die Hollywoodstars Robert de Niro als knautschgesichtiger Sonderermittler und Alec Baldwin als Donald Trump des Themas an – unterstützt von der 31-jährigen Komikerin Aidy Bryant als Justizminister William Barr, der im Gegensatz zur Öffentlichkeit des Inhalt des kompletten 380 Seiten starken Berichtes kennt.
Und das ist auch das Kernproblem der ganzen Sache: Robert Mueller legt Ausführliches vor, William Barr zeigt daraus Verkürztes und der US-Präsident twittert dann Erratisches. Aus dem 380-Seiten-Bericht wird bei Barr eine vierseitige Zusammenfassung, und Donald Trump hat womöglich nicht einmal die gelesen. Im Sketch freut sich der Präsident nur noch über eine bestärkende Nachricht von Sean Hannity, dem ultra-konservativen «Fox»-Moderator.
Während Robert Mueller keine Russland-Verschwörung belegen konnte, entlastet er den Republikaner aus dem Weissen Haus in puncto Justiz-Behinderung nicht. Ein Punkt, den Trump nicht nur im TV, sondern auch in der Realität dezent unter den Tisch hat fallen lassen.
Angeblich benennt Robert Mueller fragwürdige Handlungen, doch William Barr liest bloss: «No collusion, no diggity, no doubt.» Also: «Keine Verschwörung, mit Sicherheit, keine Zweifel.» Den 44 Personen, die im Laufe der Ermittlungen angeklagt wurden, laut Barr allesamt «sehr gute Leute», ist SNL zufolge eine präsidiale Begnadigung sicher.
Und während Mueller mit seiner Arbeit am Ende ist, gibt es immer noch diverse Untersuchungen. Und zwar gegen Donald Trump, auch wenn der lieber die Demokraten, gemeine TV-Shows und Puerto Rico im Fokus der Justiz sehen möchte. Mit dem dortigen Gouverneur lieferte sich der echte 72-Jährige zuletzt unschöne Wortgefechte. Ricardo Rossello sagte gar: «Wenn ein Schlägertyp zu nahe kommt, haue ich ihm aufs Maul. Es wäre ein Fehler, Höflichkeit mit Zivilcourage zu verwechseln». Der Grund: Trump hatte gesagt, Puerto Rico habe nach dem Hurrican Maria zu viele Hilfsgelder bekommen. Die Insel, die noch ein Aussengebiet der USA ist, soll bald der 51. Bundesstaat werden.
Um die Herausgabe des Mueller-Reports wird in Washington hart gerungen: SNL hat da so eine Ahnung, dass äusserst viel geschwärzt werden könnte. «Wer auf den Teufel feuert, sollte nicht danebenschiessen», bekundet Baldwins Trump, was seinen Anwalt Rudy Giuliani auf den Plan ruft: «Hat hier jemand Teufel gesagt?», fragt dessen Alter Ego Kate McKinnon, um sich dann selbst zu feiern. «Alle meine Psychotricks haben funktioniert. Und wenn du wissen willst, was meine Psychotricks sind, frag die Goblin-Familie, die in meinem Kopf wohnt und meine Augen weiiiiit offenhält.»
SNLs «Cold Open».
Trump kündigt noch «Vergeltung» für die Untersuchung an, Giuliani fordert das Erstgeborene jedes Demokraten – «es sei denn, sie kennen meinen Namen: Rumpelstilzchen. Und Mueller? Der gibt den Stab an die Staatsanwaltschaft des Southern District of New York ab, die ebenfalls gegen Trump ermittelt.
Die Reaktionen: «Fox»-Frau feiert frenetisch
In den SNL-Nachrichten bekommt Colin Jost Besuch von Cecily Strong, die als Richterin Jeanine Pirro eine beeindruckende Vorstellung hinlegt: Sie spricht im exakt gleichen Duktus wie die «Fox»-Moderatorin, die wegen fragwürdiger Kommentare über eine muslimische US-Abgeordnete zuletzt keine Bildschirmpräsenz mehr bekam.
«Colin, ich möchte die Gelegenheit nutzen und meinen Super-Fans da draussen danken», poltert die TV-Frau: «Gemeinen notgeilen Männern, die zuhause im Spitalbett liegen, und weissen Gefängnisgangs, die samstags Kontrolle über die Fernbedienung ausüben. Danke fürs Zuschauen.» Diese Jeanine Pirro hat Valium und Chardonnay im Hinterkopf, wenn sie erklärt: Mueller wasche den Präsidenten rein. Ohne Frage!
Der Jeanine-Pirro-Sketch.
Und die Dame hat noch mehr auf Lager: «Der Präsident ist 35 Jahre alt, 78,5 Kilo schwer, hat das gute raue Aussehen von Bradley Cooper und riecht nach Steak abgestimmt mit Kölnisch Wasser. Und er ist eine vom Landwirtschaftsministerium zertifizierte Sexmaschine, der sich vom morgens bis abends den Po mit Wachs behandeln lassen kann.»
Zum Vergleich: So tönt die echte Jeanine Pirro.
Den Bericht solle man verbrennen, nicht veröffentlichen: Kein «kleines Stück Scheisse» werde Trump dann noch behindern. Waren es nicht solche Kommentare, die der Richterin ein Sendeverbot eingebracht haben, fragt Colin Jost? «Sorry Colin, nach diesem Mueller-Report können wir in Trumps Nation tun, was wir wollen.»
SNL hat dankbarerweise auch gleich aufgenommen, wie der Mueller-Report in Moskau angekommen ist. Wladimir Putins Generalstab kann die Enttäuschung nicht verbergen, dass der US-Präsident nun doch keine Marionette Russlands gewesen sein soll: Warum hat der Amerikaner immer so gut über Putin geredet, wenn der ihn gar nicht erpresst habe, fragt der Stab. «Ich weiss es nicht», antwortet der russische Präsident, gespielt wie immer von Beck Bennett. «Ich glaube, er mag mich einfach.» Vielleicht kann ja Kim Jong-un Licht ins Dunkel bringen, der mit seiner Übersetzerin Sandra Oh («Grey's Anatomy») im Kreml auftaucht?
Der Kreml-Treffen-Sketch.
Lustige Schwarz-Weiss-Malerei im News-Segment
Wir beginnen erst bei Minute 1:27 und SNL-Nachrichtensprecher Michael Che: «Ich kann nicht glauben, dass ich nur für eine Sekunde gedacht habe, dass das FBI den amtierenden Präsidenten verhaftet, nur weil er schuldig ist. Das liegt wohl daran, dass ich zu viel mit Weissen rumhänge. [Die] haben etwas, was ich ‹giftigen Optimismus› nenne. So als würde man denken, man kommt ins College, weil deine Mutter Tante Becky ist.»
Eine Anspielung auf Schauspielerin Lori Loughlin, die unlängst wegen des Skandals um den Verkauf von College-Plätzen verhaftet worden ist. «Ich bin mir sicher, die Kinder von Tante Viv [aus ‹Der Prinz von Bel Air›] haben diesen Optimismus nicht. Schwarze sind einfach nicht so optimistisch. Als ich neulich bei einer schwarzen Lady den Begriff ‹Gewaltenteilung› hat sie so lange die Augen verdreht, dass ich dachte, sie sei eingeschlafen.»
Sprecher-Kollege Colin Jost verweist dann noch auf die Einschätzung des Geistes von Russel Crowe alias Steve Bannon, Trump sei «aus den Ketten entlassen» und werde jetzt «total zum Tier werden». Bilder eines Wahlkampfauftritts des Präsidenten in Michigan («Ich bin Präsident und die nicht», ab Minute 2:24) geben dem rechten Strategen Recht. Animalischer ist nur Trumps Sohn, dessen Vortrag ab 3:14 bestaunt werden kann. Josts knapper, aber kraftvoller Kommentar dazu: «Sucks!»
Das SNL-Weekend-Update.
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