Julia Nawalnaja sagt Putin den Kampf anWas kann die «First Lady» der russischen Opposition bewirken?
Von Philipp Fischer
20.2.2024
Julia Navalnaja: «Ich sollte dieses Video nicht aufnehmen»
Sie warf dem russischen Präsidenten Putin vor, ihren Mann deshalb getötet zu haben, weil er Nawalny nicht habe brechen können. Julia Navalnaja werde jedoch das Werk ihres Mannes fortführen und für ein freies Russland kämpfen.
19.02.2024
Nach dem Tod ihres Ehemanns wird Julia Nawalnaja zum Symbol für Mut und Stärke. Präsident Wladimir Putin wirft sie Mord vor. Jetzt will sie den Kampf ihres Mannes für ein freies Russland fortsetzen.
Von Philipp Fischer
20.02.2024, 20:36
Philipp Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Nach dem Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny richtet sich die Aufmerksamkeit auf seine Witwe Julia Nawalnaja.
Sie will den Freiheitskampf ihres Mannes fortsetzen.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wandte sie sich direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: «Sie werden bestraft werden für das, was sie unserem Land angetan haben, was sie meiner Familie angetan haben, was sie meinem Mann angetan haben. Sie werden zur Verantwortung gezogen werden und dieser Tag wird bald kommen.»
Julia Nawalnaja hat ihre Entscheidung getroffen: Sie will das schwere Erbe ihres Mannes antreten.
In einer emotionalen Kampfansage an Kremlchef Wladimir Putin hat die Witwe des im Straflager gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny eine Fortsetzung der Mission ihres Mannes angekündigt. «Ich werde die Sache von Alexej Nawalny fortsetzen, kämpfen um unser Land. Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen», sagte Nawalnaja in einer am Montag veröffentlichten Videobotschaft auf Youtube.
Noch am Vorabend hatte die Witwe erstmals seit dem Tod ihres Mannes auf Instagram einen Beitrag abgesetzt. Ein Foto zeigt das Paar in inniger Umarmung. Dazu titelt Nawalnaja: «Ich liebe dich.» Tausende Menschen kommentierten den Beitrag und sprachen ihr Mut und Kraft zu. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.
Unklar war, ob die 47 Jahre alte Ökonomin für die Oppositionsarbeit nach Russland zurückkehren will. Sie würde dort ebenfalls eine Haft im Straflager riskieren, weil die Nawalny-Bewegung von den russischen Behörden als extremistisch eingestuft worden ist. Am Montag hielt sie sich zu einem Besuch in Brüssel auf.
Nawalnaja nennt Putin einen «Mörder»
Unter Tränen warf die zweifache Mutter Putin vor, nicht nur ihren Mann getötet zu haben. Putin habe so auch versucht, Russland die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit zu nehmen. Deshalb wolle sie den Kampf ihres Mannes nun fortsetzen. In ihrem Video mit vielen privaten Bildern und Aufnahmen von Nawalnys öffentlichen Auftritten beschuldigte sie Putin des Mordes an ihrem Ehemann.
Kreml-Sprecher Peskow bezeichnete ihre Worte daraufhin als «unflätige und absolut unbegründete Anschuldigungen gegen den russischen Staatschef». Angesichts der Tatsache, dass Nawalnaja seit wenigen Tagen Witwe sei, werde er ihre Worte aber nicht weiter kommentieren, erklärte der Kreml-Sprecher.
Nawalnaja agierte bei den politischen Projekten ihres Mannes meist im Hintergrund. Mit dem Giftanschlag auf den Kremlkritiker am 20. August 2020 änderte sie jedoch ihre Zurückhaltung.
Während Nawalny in der sibirischen Stadt Omsk um sein Leben rang, stand Nawalnaja in einer Lederjacke und mit dunkler Sonnenbrille vor dem Spital und rief die Welt dazu auf, sich für das Leben ihres Mannes einzusetzen.
Umringt von Reporter*innen und Kameras war sie es plötzlich, die alles tat, um ihren Mann aus der Gewalt der russischen Ärzt*innen zu befreien. Unterdessen versuchten die Mediziner*innen im abgeriegelten Spital, mit kruden Theorien die Vergiftung Alexej Nawalnys hinter abenteuerlichen Diagnosen verschwinden zu lassen.
«In jenem Augenblick habe ich gedacht‚ ich muss ihn hier rausholen», berichtete Nawalnaja später. Schliesslich gelang es ihr, eine Überführung ihres Mannes in die Berliner Charité zu organisieren, um eine sichere ärztliche Behandlung zu ermöglichen. In den sozialen Netzwerken zeigte sich die gebürtige Moskauerin anschliessend in Deutschland immer wieder am Krankenbett ihres Mannes.
Freiheitskämpferin wie Swetlana Tichanowskaja
Trotz aller Warnungen kehrte Nawalny nach seiner Genesung in seine russische Heimat zurück. «Kellner, bringen Sie uns Wodka, wir gehen nach Hause», sagte Nawalnaja während des Fluges und zitierte damit eine Zeile aus einem russischen Kultfilm.
Direkt nach der Landung wurde Nawalny von der Polizei festgesetzt – und von seiner Frau getrennt. Eine Menschenmenge empfing Nawalnaja damals vor dem Flughafen mit «Julia!»-Rufen. Nach der Inhaftierung ihres Mannes startete Nawalnaja eine breit angelegte Kampagne in den sozialen Netzwerken und rief zu Protesten gegen die Inhaftierung ihres Mannes auf. Bei einer Protestveranstaltung wurde die zweifache Mutter 2021 festgenommen und mehrere Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten.
Bei den Gerichtsprozessen ihres Mannes stand Julia Nawalnaja ihm immer zur Seite. Inzwischen zählt sie zu den starken Frauen in Russland, die sich gegen die Kremlgarde auflehnen. Sie zeigt Mut und Standhaftigkeit. Damit steht sie in einer Reihe mit Swetlana Tichanowskaja und Maria Kalesnikava, die in Weissrussland zum Symbol der Proteste und später zur international anerkannten Sprecherinnen der Opposition wurden.
Das ist nicht abwegig. «Aus einer Politikerehefrau wurde sie selbst zu einer Politikerin», sagt der Politologe Konstantin Kalatschow im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. «Sie hat Charisma und Charme, sie ist eine kreative und mutige Person. Sie kann, wenn nötig, ihren Mann leicht ersetzen.»
Politologin: Nawalnaja braucht eigenes Profil für Oppositionsarbeit
Zu den Erfolgsaussichten einer Oppositionsarbeit von Nawalnaja schrieb die russische Politologin Tatjana Stanowaja bei Telegram, dass es für sie viele «Fallen» gebe. Die Witwe müsse dafür aus dem Schatten ihres Mannes treten und ein eigenes Profil als selbstständige politische Figur mit einem Team herausbilden. Zudem sei «Prowestlichkeit» gerade im Land toxisch, sie gelte für viele Russ*innen als Verrat und Arbeit für den Feind.
«Das alles heisst nicht, dass sie nichts zustande bringen wird», sagte Stanowaja. Aber alles sei abhängig von ihren Inhalten und ihrem Stil.
Die Familie steht geschlossen hinter ihrem Vater
Alexej Nawalny und seine Frau Julia lernten sich im Jahr 1998 in den Türkei-Ferien kennen. Sie heirateten im Jahr 2000. Im selben Jahr wurde Wladimir Putin Präsident von Russland. Ihre gemeinsame Tochter Daria Nawalnaja kam 2001 zur Welt. 2008 folgte Sohn Zahar Nawalny.
Daria Nawalnaja erlebte mit zehn Jahren die erste Verhaftung ihres Vaters. Sie hat sich in der Vergangenheit in sozialen Medien und auf politischen Bühnen immer wieder kritisch zur Inhaftierung ihres Vaters geäussert und zuletzt dessen Freilassung gefordert. Als dieser wegen seiner Inhaftierung 2021 nicht persönlich den Sacharow-Preis der EU entgegennehmen konnte, übernahm sie für ihn.