Mordanschlag auf ReporterPeter de Vries steht auf der Todesliste der Drogenmafia
Von Lukas Meyer
7.7.2021
Peter R. de Vries ist bei einem Attentat in Amsterdam lebensgefährlich verletzt worden. Der Reporter ist Vertrauensperson eines Kronzeugen in einem Prozess gegen die Rotterdamer Drogenmafia.
Von Lukas Meyer
07.07.2021, 13:48
07.07.2021, 14:23
Lukas Meyer, mit Material der SDA
Am Dienstag um 19.30 Uhr hat ein Unbekannter aus nächster Nähe mehrere Schüsse auf Peter R. de Vries abgefeuert und ihn unter anderem am Kopf getroffen. Der Journalist hatte gerade ein Fernsehstudio im Zentrum von Amsterdam verlassen. De Vries ist schwer verletzt ins Spital eingeliefert worden und kämpft um sein Leben.
Die Tat hat das Land schockiert, Ministerpräsident Mark Rutte nannte sie einen «Anschlag auf den freien Journalismus». Auch das Königspaar meldete sich aus seinem Staatsbesuch in Berlin zu Wort und zeigte sich schockiert.
Sohn Royce de Vries meldete sich am Mittwochmittag im Namen der Familie auf Twitter. «Gestern wurde unser schlimmster Albtraum wahr.» Vieles sei noch ungewiss, aber die Bekundungen aus dem ganzen Land seien eine grosse Unterstützung.
Gisteren is onze grootste nachtmerrie werkelijkheid geworden. Wij als familie omringen Peter met liefde en hoop in deze moeilijke fase. Veel is nog onzeker, maar wat vaststaat is dat alle steunbetuigingen uit het hele land nu enorm veel steun bieden. De familie
Der 64-jährige Peter R. de Vries ist der führende Kriminalreporter der Niederlande und tritt regelmässig auch als Sprecher von Opfern oder Zeugen bei Prozessen auf. International bekannt wurde der Reporter 1987 mit seinem Bestseller über die Entführung des Bierbrauers Freddy Heineken. Wegen seiner Arbeit stand de Vries immer wieder unter Polizeischutz.
De Vries laut eigenen Angaben auf Todesliste
Vor dem Anschlag sprach de Vries im Fernsehen über den Mord an einem Mann, der 2019 in seinem Auto erschossen worden war. Ob der Fall mit dem Angriff zu tun hat, ist nicht klar. De Vries hatte zuvor Drohungen von verschiedenen Seiten erhalten, er hatte Polizeischutz aber abgelehnt.
Zurzeit ist er die Vertrauensperson von Nabil B., dem Kronzeugen im Marengo-Prozess, und vertritt ihn vor Gericht. Im März 2018 war bereits der Bruder von Nabil B. erschossen worden, im September 2019 auch sein Anwalt Derk Wiersum. Diese beiden Taten werden in einem separaten Verfahren verhandelt.
De Vries hatte Anfang des Jahres selber gesagt, dass er auf der Todesliste des Hauptverdächtigen Ridouan Taghi stehe. Dieser stand lange auf der Most-Wanted-Liste der europäischen Polizeibehörde Europol, ehe er im Dezember 2019 in Dubai festgenommen und an die niederländische Justiz überstellt wurde.
Der Prozess begann im März in Amsterdam unter massivem Polizeischutz in einem Hochsicherheitsgericht. Dabei müssen sich Taghi und 16 weitere mutmassliche Mitglieder der Rotterdamer Drogenmafia unter anderem wegen sechsfachen Mordes und mehrerer Mordversuche verantworten. Die Opfer waren entweder Kontrahenten aus dem Drogenmilieu oder Bandenmitglieder, die als Polizeispitzel verdächtigt wurden.
Eine «gut geölte Tötungsmaschine»
Der 43-jährige Ridouan Taghi habe die kriminelle Vereinigung wie eine «gut geölte Tötungsmaschine» geführt, so der Staatsanwalt. Taghi wurde 1977 in Marokko geboren und kam 1980 mit seiner Familie in die Niederlande. Taghi soll an allen sechs Morden beteiligt gewesen sein, um die es in dem Prozess geht.
Taghi soll gemeinsam mit einem Camorra-Mitglied, einem irischen Gang-Boss und einem bosnischen Drogenschmuggler auch ein Drogen-Kartell angeführt haben. Laut der US-Behörde Drug Enforcement Agency (DEA) war es eines der fünfzig grössten Kartelle, das einen Drittel des Kokainhandels in Europa kontrolliert habe. Alle Drogenlieferungen seien über niederländische Häfen gelaufen.
Ein ehemaliger Anwalt von Kronzeuge Nabil B. ist laut RTL.de überzeugt, dass der Anschlag auf Peter de Vries mit dem Prozess zu tun hat. «Taghi hat gesagt, dass jeder, der sich in seinen Fall einmischt, erschossen wird», sagte Oscar Hammerstein im Radio. «Zuerst war es der Bruder des Kronzeugen, dann ein Anwalt. Jetzt ist es ein Mann, der ohne Rüstung rausgegangen ist.»
Zwei Tatverdächtige festgenommen
Zwei Männer gelten als dringend tatverdächtig, wie die Amsterdamer Polizei am Mittwoch mitteilte. Es handelt sich dabei um einen 35-jährigen Mann mit polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Ort Maurik im Südosten des Landes sowie einen 21-Jährigen aus Rotterdam. Ein am Dienstagabend festgenommener Mann wurde freigelassen. Er habe nichts mit der Tat zu tun.
Die zwei Verdächtigen sollen am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden. Sie waren nur wenige Stunden nach dem Anschlag auf der Autobahn A4 bei Leidschendam – etwa 60 Kilometer von Amsterdam entfernt – festgenommen worden.