Kurz vor der Pleite Von Trump ignoriert, verdingt sich Giuliani jetzt im Internet

Von Philipp Dahm

15.8.2021

Da waren sie noch buddies: Rudy Giuliani und Donald Trump im September 2016 in Greenville, North Carolina.
Da waren sie noch buddies: Rudy Giuliani und Donald Trump im September 2016 in Greenville, North Carolina.
AP

Früher war er der Bürgermeister Amerikas, und gerade eben noch der Anwalt des Führers der freien Welt. Heute sind seine Finanzprobleme so gross, dass Rudy Giuliani für Geld den Gruss-August spielen muss.

Von Philipp Dahm

Einst wurde der Mann, der da spricht, bewundernd «America's mayor» genannt. Der Über-Bürgermeister wurde 2001, als New York die Terroranschläge verkraften musste, vom honoren «Time»-Magazin zur Person des Jahres gekürt. Ein Jahr darauf schlug ihn die Queen zum Ritter – und noch vor einem Dreivierteljahr war er der Anwalt des mächtigsten Mannes der Welt.

Heute sieht die Welt anders aus. Ganz anders.

«Hi, hier ist Rudy Giuliani, und ich bin bei Cameo. Wenn Sie etwas bewegt und Sie darüber sprechen wollen, wenn Sie eine Geschichte hören oder mit mir teilen wollen, oder wenn ich jemanden für Sie grüssen und so den Tag versüssen kann, wäre ich erfreut, es zu tun. Das kann arrangiert werden. Wir können reden – durch die Magie von Cameo. Vielen Dank.»

Gruss-August – für eine Handvoll Dollar

Der Anwalt, der früher eine Sicherheits-Beraterfirma gegründet hat, an einer Investment-Bank beteiligt war und im April 2018 zum persönlichen Anwalt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump aufgestiegen ist, muss sich heute auf Cameo verdingen, wo B-Promis für eine Handvoll Dollar eine Grussbotschaft einsprechen.

Giuliani auf Cameo – erst 199, dann 275 und nun 375 Dollar verlangt der 77-Jährige für seine Dienste.
Giuliani auf Cameo – erst 199, dann 275 und nun 375 Dollar verlangt der 77-Jährige für seine Dienste.
Screenshot: Cameo

Rudy Giuliani ist für 375 Dollar zu haben, nachdem zuerst 199 und dann 275 Dollar verlangt worden waren. Sein etwas verzweifelt anmutender Aufruf dokumentiert den tiefen Fall des 77-Jährigen, der von seinem früheren Boss wie heisse Kartoffeln fallengelassen worden ist und nun in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten steckt – obwohl der Anwalt stets seinen Kopf für Donald Trump hingehalten hat.

Etwa im Ukraine-Skandal, der im Amtsenthebungsverfahren gemündet hat und bei dem Giuliani die unrühmliche Rolle des Agenten spielte, der für Trump in Osteuropa nach Munition für den politischen Kampf gegen Joe Biden gesucht hat. Als die Republikaner dennoch die Wahl 2020 verlieren, ist es Giuliani, der an vorderste Front die Mär vom Wahlbetrug unters Volk bringt.

Bei diesem inzwischen legendären Auftritt am 7. November 2021 in Philadelphia, Pennsylvania,  berichtet Giuliani vom angeblichen Wahlbetrug: Die Four Seasons Total Landscaping press conference hat sogar einen eigenen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag.
Bei diesem inzwischen legendären Auftritt am 7. November 2021 in Philadelphia, Pennsylvania,  berichtet Giuliani vom angeblichen Wahlbetrug: Die Four Seasons Total Landscaping press conference hat sogar einen eigenen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag.
AP

Finanziell getrieben

Der Lohn? Nichts als Ärger: Der frühere Bürgermeister des Big Apple hat im Bundesstaat New York im Juni seine Zulassung als Anwalt verloren. In Washington D.C. darf der frühere Generalstaatsanwalt von New York seit Juli nicht mehr juristisch tätig werden. Dabei braucht der Mann Geld, denn für seine Aussagen zur angeblichen Wahlfälschung muss sich Giuliani vor Gericht verantworten: Millionenzahlungen stehen im Raum.

«Ich habe kein Verbrechen begangen», sagt der Jurist dem Sender NBC. «Und wenn Sie glauben, ich habe ein Verbrechen begangen, sind Sie wahrscheinlich dumm, denn Sie wissen nicht, wer ich bin.» Die FBI-Ermittlungen gegen ihn wegen seiner Ausflüge in die Ukraine nennt er «verrückt»: «Ich habe nichts Falsches getan.» Aber wenn er ins Gefängnis müsse, sei das eben so.

Die Prozesse wegen seiner Aussagen zur Wahlfälschung dürften aber noch  mehr pressieren: Das Unternehmen Dominion Voting Systems hat ihn auf 1,3 Milliarden Dollar verklagt, weil Giuliani dessen Wahlmaschinen für manipuliert erklärt hat. Die Klage ist gerade erst zugelassen worden – von einem Richter, den Trump berufen hatte. Giuliani steht am Rand der Zahlungsunfähigkeit, war zuletzt zu lesen.

Team Trump ignoriert Hilferuf

Ein eigener juristischer Hilfsfond ist deswegen eingerichtet worden. Auf Donald Trumps Hilfe kann er aber nicht zählen: Obwohl der Ex-Präsident 2021 schon 102 Millionen Dollar eingesammelt haben soll, ist für Schützenhilfe kein Cent übrig. Das Team Trump hat den Hilferuf bisher geflissentlich ignoriert.

Donald Trump, dessen Vermögen auf 2,4 Milliarden Dollar geschätzt wird und dem in diesem Jahr über 100 Millionen Dollar gespendet worden sind, lässt Giuliani am ausgestreckten Arm verhungern – nachdem dieser ihn in der Wahlnacht im November 2020 ermutigt hatte, er solle einfach seinen Sieg verkünden. Man müsste es tragisch nennen, wären die Umstände nicht so unappetitlich.

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass der von Trump Ignorierte nun von seinen Gegnern umso mehr Aufmerksamkeit bekommt. Etwa für seinen Cameo-Auftritt: «Wo ist er? Hat er in einem Ikea-Showroom gefilmt?», fragt sich der Late-Night-Gastgeber Seth Meyers.

«Giuliani konnte nicht anders»

«Warum sieht alles so geschmacklos aus?», fährt Meyers fort. «Es erinnert mich an einen Action-Film aus den 80ern, bei dem die Darsteller vor Regalen streiten, die so billig aussehen, dass du sagst: Einer von denen wird definitiv da reingeworfen.»

Seth Meyers (rechts) steht die Häme ob Giulianis Online-Bettelei ins Gesicht geschrieben.
Seth Meyers (rechts) steht die Häme ob Giulianis Online-Bettelei ins Gesicht geschrieben.
Screenshot: YouTube

Am Donnerstag legte Meyers dann noch mal nach, weil Zitate von Giuliani von 2018 aufgetaucht sind, in denen er sagt, es sei völlig okay, im Wahlkampf zu lügen. «Giuliani konnte nicht anders, fiel [seinem Kanzlei-Partner] ins Wort und gestand alles», wundert sich der Late-Night-Host über die unbedarften Aussagen des New Yorkers.

Meyers ergänzt, dass vor Gericht Fakten eben doch zählten. Und nachdem Rudy Giuliani nun allein gegen das Gesetz kämpfen muss, dürfte sein grösster Widersacher in dem Rechtsstreit nur noch ein Mann sein: Rudy Giuliani.