Lagebild Ukraine Videos zeigen, wie effektiv die Krim-Angriffe wirklich waren

Von Philipp Dahm

15.9.2023

In Berlin: Klitschko-Brüder bitten um Taurus-Raketen

In Berlin: Klitschko-Brüder bitten um Taurus-Raketen

In Berlin: Klitschko-Brüder bitten um Taurus-Raketen.

15.09.2023

Das ganze Ausmass der Krim-Attacke: Videos zeigen nicht nur Zerstörung in den Trockendocks von Sewastopol, sondern auch Gefechte zwischen Patrouillenbooten und ukrainischen Seedrohnen.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Neue Videos und Details zu den Drohnenangriffen auf die Krim am 13. und 14. September sind publik geworden.
  • Ukrainische Seedrohnen und zwei russische Patrouillenboote haben sich am 13. September Gefechte geliefert, zeigt ein Clip. Zum Ausgang gibt es unterschiedliche Berichte.
  • Elf Drohnen waren am 14. September notwendig, um eine Radarstation zu zerstören und die Flugabwehr erblinden zu lassen.
  • Wo die Flugabwehr zu suchen ist, hat bereits vor einem Jahr ein Tourist auf Social Media publik gemacht.
  • Die Russen haben Avdiivka im Süden von Bachmut geräumt. Die Gegend soll ein «Fleischwolf» für Putins Truppen sein.
  • Im Raum Donezk und Saporischschja gibt es schwere Gefechte, aber kaum Geländegewinne.
  • Kiews setzt seine Leopard-2-Panzer vor allem nachts ein.

Der ungeheuerliche ukrainische Doppelangriff auf die Krim am 13. und 14. September hallt nach. Neue Details kommen ans Tageslicht – und alte Annahmen werden bestätigt.

Die kritische Frage muss erlaubt sein, ob beim Raketenangriff auf Sewastopol das russische Landungsschiff und das U-Boot wirklich zerstört – oder doch nur beschädigt worden sind. Neue Videos und Bilder schaffen Klarheit: Sowohl die Minsk ...

... als auch die Rostow am Don sind arg in Mitleidenschaft gezogen worden.

Aber vielleicht ist ja noch was zu retten? Mark Hertling, ein früherer Generalleutnant der US-Army, schreibt, er sei zwar kein Marine-Experte, doch es scheine, als seien die Schiffe in wichtigen Bereichen schwer beschädigt. «Ich bin ein Marine-Experte», antwortet James Stavridis, ein früherer Admiral der US-Navy. «Und Sie haben vollkommen recht.» 

Inzwischen hat sich auch die Meldung bestätigt, dass ukrainische Seedrohnen russische Patrouillenboote angegriffen haben. Dass eines dabei versenkt worden sei, scheint aber nicht den Fakten zu entsprechen.

Video zeigt Seedrohnen-Angriff

Die ukrainischen Streitkräfte selbst haben ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie ein Boot der Wassili-Bykow-Klasse angegriffen wird. Dabei sind offenbar mehrere Seedrohnen im Einsatz, was sich daran erkennen lässt, dass das Geschütz am Bug in eine andere Richtung schiesst.

Zwei russische Patrouillenboote kommen als Ziele infrage: Die Wassili Bykow und die Sergei Kotow sollen Geleitschutz für Tanker gefahren sein. Sie wurden erst 2018 und 2022 in Dienst gestellt. Moskau teilt mit, die Sergei Kotow sei von fünf Drohnen attackiert worden, die jedoch alle zerstört worden seien. Kiew will dagegen zwei Boote beschädigt haben.

Auch zur Attacke auf die russischen Flugabwehrstellungen am 14. September gibt es Neuigkeiten: Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben zunächst elf Drohnen aufsteigen lassen, um eine gegnerische Radarstation auszuschalten.

Gezielte Attacke auf Radar- und Flugabwehrsysteme

Wo anschliessend die S-400-Startrampen zu suchen sind, weiss Kiew angeblich durch Touristen-Schnappschüsse auf Social Media, die bereits vor einem Jahr die Stellungen verraten haben. Der Angriff mit Neptun-Raketen erfolgte wahrscheinlich aus der Nähe von See aus, um die Vorwarnzeit möglichst gering zu halten.

Kiews Kräfte versuchen offenbar gezielt, seit Wochen die Radar- und Flugabwehr-Kapazitäten auf der Krim systematisch auszukundschaften und einzuschränken. So sollen wohl weitere Angriffe im Hinterland der Halbinsel ermöglicht werden.

An der Front hat sich seit dem letzten Lagebild kaum etwas verändert. Was nicht heisst, dass nicht gekämpft wird. Im Gegenteil: Südlich von Bachmut erleidet die russische Armee schwere Verluste, als ukrainische Artillerie Gebäude in Klischtschijwka zerstört, in die kleine Gruppen gegnerischer Infanterie eingerückt sind. Avdiivka wurden von den Russen geräumt.

«Fleischwolf» im Süden von Bachmut

«Es scheint, als versuche die russische Armee – koste es, was es wolle – im Norden von Klischtschijwka präsent zu bleiben», fasst Military Lab treffend zusammen, «obwohl die russischen Kräfte einen hohen Preis zahlen, weil sie in exponiertem Gelände bleiben.» Der Wald im Westen der Siedlung, den die Ukraine hält, liegt nämlich erhöht.

Gelb: Der erhöht liegende Wald im Westen von Klischtschijwka macht deutlich, dass es für den Kreml vorerst unmöglich ist, Teil des Dorfes zurückzuerobern. Der Bahndamm führt östlich von Andriivka und Klischtschijwka entlang.
Gelb: Der erhöht liegende Wald im Westen von Klischtschijwka macht deutlich, dass es für den Kreml vorerst unmöglich ist, Teil des Dorfes zurückzuerobern. Der Bahndamm führt östlich von Andriivka und Klischtschijwka entlang.
Bild: YouTube/Military Lab

Kiews Militär scheine nicht in Eile, weiter vorzurücken, sondern nutze die Situation, um Klischtschijwka zum «Fleischwolf» zu machen, meint Military Lab. Hinzu kommt, dass die nächste russische Linie an der Zugverbindung im Osten für Infanterie schwierig einzunehmen ist: Der hohe Bahndamm wurde durchlöchert, um russische Soldaten vor Artilleriebeschuss zu schützen, und dient als Deckung, Durchgang und Refugium.

Nördlich des Donezker Flughafens ist Optyne zu sehen, das kürzlich befreit worden ist. Awdijwka liegt nördlich davon, Marjinka (unten links) wird ebenfalls attackiert.
Nördlich des Donezker Flughafens ist Optyne zu sehen, das kürzlich befreit worden ist. Awdijwka liegt nördlich davon, Marjinka (unten links) wird ebenfalls attackiert.
Bild: DeepStateMap

Auch in Donezk setzt Moskau zum Gegenangriff an, nachdem der Gegner zuvor Optyne befreien konnte. Bisher scheinen die ukrainischen Streitkräfte den Attacken bei Awdijiwka und Marjinka zu widerstehen. Heftig bleiben die Gefechte im Süden des Schlachtfelds bei Robotyne, wo Kiews Kräfte sich kleinere Geländegewinne erkämpfen.

«Der Feind hat sich seit Langem vorbereitet»

Die ukrainischen Streitkräfte greifen weiter Novoprokopiwka und Wrbowe an, während der Gegner versucht hat, von Kopani vom Westen aus in die Flanke von Kiews Armee vorzustossen. Der Angriff ist jedoch angeblich abgewehrt worden. Im Osten schlug ein Vorstoss von Luhwiske nach Bilohirja fehl.

«Der Feind hat sich seit Langem vorbereitet», schreibt der ukrainische Soldat Olexandr Solonko über die Schlacht im Süden seines Landes. In so gut wie jeder Baumreihe versteckten sich feindliche Soldaten, während die Zufahrtsstrassen regelmässig unter Feuer genommen würden.

«Wir reden nicht nur von Schützengräben», schreibt der Ukrainer. «Es gibt ein ganzes System von Gräben, Unterständen und mitunter auch mit unterirdischen Tunneln.» Minen bildeten einen zusätzlichen Schutz. Wer sich beschwere, die Gegenoffensive verlaufe zu langsam, verstünde nicht, dass diese Verteidigungsstellungen überwunden werden müssten.

Leopard-2-Panzer vor allem nachts im Einsatz

Im Süden sind auch viele westliche Waffen im Einsatz: Um Verluste zu minimieren, meiden dort die Leopard 2 das Tageslicht. «Wir operieren vor allem nachts und in der Dämmerung», verrät Jurii von der 47. Mechanisierten Brigade «Business Insider». Dann sei der deutsche Panzer am effektivsten – «genau wie eine Katze».

Sogar die russische Seite bezeichnet den Leopard 2A6 als «besten Panzer Europas», der vor allem mit guten Nachtsichtgeräten auftrumpft. Die grösste Schwäche sei die Seiten- und Oberpanzerung, will Moskau erkannt haben. Trotz dieser Analyse loben ukrainische Soldaten, dass die Überlebenschancen im Leopard 2 sehr gross seien.