«Hoffnungslos fehlerbehaftet» USA stellen Hilfe für Palästinenser-Hilfswerk der UN ein

DPA

1.9.2018

US-Aussenminister Mike Pompeo (l) und US-Präsident Donald Trump sind der Meinung,  das Flüchtlingsprogramm der Vereinten Nationen für Palästina (UNRWA) sei «hoffnungslos fehlerbehaftet». (Archiv)
US-Aussenminister Mike Pompeo (l) und US-Präsident Donald Trump sind der Meinung,  das Flüchtlingsprogramm der Vereinten Nationen für Palästina (UNRWA) sei «hoffnungslos fehlerbehaftet». (Archiv)
Bild: KEYSTONE/AP/EVAN VUCCI

UNRWA unterstützt mehr als fünf Millionen Palästinenser unter anderem mit Nahrungsmitteln und Schulen. Nun streichen die USA ihre Finanzhilfe. Die Organisation sei «hoffnungslos fehlerbehaftet».

Die USA stellen ihre Zahlungen für das Flüchtlingsprogramm der Vereinten Nationen für Palästina (UNRWA) komplett ein. Das US-Aussenministerium begründete dies am Freitag (Ortszeit) in Washington damit, dass die USA einen überproportionalen Teil der Last schultern müssten. Zudem wurde kritisiert, dass das UNRWA zu viele Personen als Flüchtlinge anerkenne. Das Hilfswerk sei «hoffnungslos fehlerbehaftet». Die Palästinenser verurteilten den Schritt, das UNRWA bedauerte ihn am Samstag.

Das Flüchtlingshilfswerk erhält pro Jahr umgerechnet rund 947 Millionen Euro Finanzhilfen. Die USA gaben bisher etwa ein Drittel davon - 2017 waren es nach UNRWA-Angaben rund 291 Millionen Euro. US-Präsident Donald Trump hatte zu Jahresbeginn bereits amerikanische Hilfen für die Palästinenser auf Eis gelegt, denen er die Verantwortung für den Stillstand im Friedensprozess mit Israel gibt.

Keine Unterstützung mehr für palästinensische Flüchtlinge: Die USA stellen die Zahlungen an das entsprechende Uno-Hilfswerk (UNRWA) ein.
Keine Unterstützung mehr für palästinensische Flüchtlinge: Die USA stellen die Zahlungen an das entsprechende Uno-Hilfswerk (UNRWA) ein.
Bild: KEYSTONE/EPA/MOHAMMED SABER

«Exponentiell wachsende Gemeinschaft von Anspruchsberechtigten»

Mehr als 700 000 Palästinenser wurden während des ersten Nahostkriegs im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 vertrieben oder flüchteten. Viele kamen in den Gazastreifen, der damals unter ägyptische Kontrolle geriet und heute von der radikalislamischen Hamas beherrscht wird.

Die UN gründete 1949 das Palästinenserhilfswerk, um den Flüchtlingen zu helfen. Mittlerweile unterstützt dieses nach eigenen Angaben mehr als fünf Millionen Palästinenser - Menschen, die 1948 flüchteten, sowie ihre Nachkommen. Das UNRWA ist unter anderem in Jordanien, im Libanon und in den Palästinensergebieten tätig.

Dass die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge so dramatisch angewachsen ist, liegt vor allem daran, dass der Flüchtlingsstatus von einer zur nächsten Generation weitergegeben wird. Das US-Aussenministerium spricht in diesem Zusammenhang von einer «endlos und exponentiell wachsenden Gemeinschaft der Anspruchsberechtigten». Dieses «Geschäftsmodell» der UNRWA sei «unhaltbar und befindet sich seit vielen Jahren im Krisenmodus», so das Ministerium weiter.

Zutiefst besorgt sei die USA mit Blick auf palästinensische Schulkinder. Daher seien «direkte bilaterale Hilfen der Vereinigten Staaten» zugunsten der Schüler möglich. Man werde auch aus diesem Grund den Dialog mit der UN und anderen internationalen Akteuren intensivieren.

Wer schliesst die entstandene Finanzlücke?

Das UNRWA bedauerte die Streichung der US-Hilfen. «UNRWA bietet grundlegenden Service für palästinensische Flüchtlinge und trägt zur Stabilität in der Region bei», sagte Generaldirektor Pierre Krähenbühl. Er rufe andere Länder dazu auf, zu helfen, die bleibende Finanzlücke zu schliessen.

Palästinenservertreter kritisierten den Schritt der USA scharf. «Wir weisen diese amerikanische Entscheidung komplett zurück und verurteilen sie», sagte Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. «Die Vereinigten Staaten haben überhaupt kein Recht, den Diebstahl des palästinensischen Landes durch die israelische Besatzung zu unterstützen und abzusegnen.»

Aussenminister Riad Malki forderte arabische Staaten dazu auf, die Entscheidung ebenfalls zu verurteilen und Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung zu finden.

Ein Sprecher der radikalislamischen Hamas sagte, die Entscheidung der USA «bringt die Regierung in die Position des Feindes für unser Volk und für die arabischen und muslimischen Menschen».

Die Situation im Gazastreifen hat sich in den vergangenen rund zehn Jahren massiv verschlechtert. 2007 riss die Hamas, die 2006 die Parlamentswahl dort gewonnen hatte, aber international isoliert wurde, die Macht gewaltsam an sich. Israel verhängte daraufhin eine Blockade über den Gazastreifen, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird. Aus- und Einreisen werden strikt kontrolliert, ebenso die Ein- und Ausfuhr von Waren. Die Hamas und Israel führten seither drei Kriege.

Rund die Hälfte der Bewohner erhält Nahrungsmittel von der UNRWA. Bereits Ende Juli teilte das Palästinenserhilfswerk im Gazastreifen mit, Stellen wegen der Kürzung der US-Mittel streichen zu müssen.

Seit Ende März protestieren Palästinenser jeden Freitag an der Grenze zu Israel. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten wurden dabei nach palästinensischen Angaben 171 Menschen im Gazastreifen getötet. Ein israelischer Soldat wurde erschossen.

Die Palästinenser fordern ein Ende der Gaza-Blockade und ein Recht auf Rückkehr in ihre frühere Heimat oder die ihrer Eltern und Grosseltern. Diese Dörfer oder Städte gehören heute zum israelischen Staatsgebiet. Die Palästinenser beziehen sich dabei auf Flucht und Vertreibung im Jahre 1948. Israel lehnt die Forderungen ab.

Netanjahu für Abschaffung des Palästinenserhilfswerks

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert die Abschaffung des Palästinenserhilfswerks. «UNRWA ist eine Organisation, die das Problem der palästinensischen Flüchtlinge verewigt; sie verewigt auch die Idee von einem Recht auf Rückkehr mit dem Ziel der Zerstörung des Staates Israel», sagte Netanjahu beispielsweise im Januar.

Das israelische Aussenministerium äusserte sich zunächst nicht zur US-Entscheidung und verwies dabei auf den Sabbat. Der jüdische Ruhetag endet am Samstagabend.

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