18. Jahrestag Und wo waren Sie während 9/11?

Von Gil Bieler

11.9.2019

Am 11. September 2001 hält die Welt den Atem an: Wohl ein jeder im entsprechenden Alter weiss, wo und wie er von den Terroranschlägen in den USA erfahren hat – oder glaubt es zumindest zu wissen. 

Es dürfte eine der bekanntesten Szenen aus der Präsidentschaft von George W. Bush sein: Das Staatsoberhaupt der USA besucht am 11. September 2001 gerade eine Schulklasse in Florida und liest den Kindern aus einem Buch vor, als ihm Stabschef Andrew Card die unheilvolle Kunde ins Ohr wispert: «Die USA werden angegriffen.» Der sichtlich konsternierte Bush weiss zunächst nicht, wie er reagieren soll – und bleibt einfach mal sitzen. 

Selbstmordattentäter der Al Kaida haben zu diesem Zeitpunkt zwei Flugzeuge in die New Yorker Twin Towers gesteuert. Die Zwillingstürme des World Trade Centers kollabieren schliesslich, rund 3'000 Menschen verlieren ihr Leben. Ein weiteres entführtes Flugzeug fliegen die Terroristen ins Pentagon, ein anderes stürzt bei Shanksville, Pennsylvania, ab – es war mutmasslich auf dem Weg nach Washington. Die Attacken treffen die USA mitten ins Herz, die Bilder davon verbreiten sich in Windeseile in die ganze Welt.

Die Bilder der brennenden Twin Towers in New York haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Die Bilder der brennenden Twin Towers in New York haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Bild: Keystone

Was in den USA in diesen Stunden vor sich geht, davon erfahren viele Schweizer aus dem (Röhren-)Fernseher, dem Radio – und durchs Internet. So zynisch es klingt: Für einige soeben gegründete Nachrichtenseiten im Web ist 9/11 der Durchbruch. Social Media und Smartphones aber sind noch Zukunftsmusik, hier und da piepst eine SMS etwa auf dem legendären Nokia 3210 auf.

Alles andere verkommt an jenem Tag rasch zur Randnotiz. Etwa die Kundgebung von aufgebrachten Weinbauern aus der Westschweiz, die sich auf dem Bundesplatz in Bern versammelt haben. Sie fordern von der Regierung Massnahmen gegen den Import von ausländischem «Billigwein».

US-Präsident George W. Bush besucht gerade eine Schulklasse in Florida, als er über die Anschläge informiert wird. 
US-Präsident George W. Bush besucht gerade eine Schulklasse in Florida, als er über die Anschläge informiert wird. 
Bild: Keystone

In Gelsenkirchen, Deutschland, ist für den Abend eigentlich eine grosse Fussballparty geplant, sie wird jedoch von Trauer überschattet: Schalke 04 darf zum ersten Mal in der Klubgeschichte in der Champions League spielen, dies auch noch in der neuen Arena. Zwar diskutiert man in der Uefa, ob aus Pietätsgründen ein Spielabbruch angebracht wäre, schliesslich entscheidet man sich aber dagegen. Doch Spieler und Fans werden mit den Gedanken ganz woanders sein. 

Die trügerische Erinnerung

Wo warst du während 9/11? Die meisten von uns wissen auch heute noch auf Anhieb, wie sie von den Anschlägen erfahren haben. Forscher sprechen von sogenannten Blitzlichterinnerungen, auf Englisch: Flashbulb Memories. Diese sind oft mit negativen Erfahrungen und starken Emotionen verknüpft. Die Betroffenen haben deshalb auch das Gefühl, sich besonders detailliert und lebhaft zu erinnern – dass es wirklich so ist, wird aber durch diverse Studien in Zweifel gezogen.

Zu nennen wäre jene breit angelegte Untersuchung mehrerer Universitäten aus 2015, für die Tausende Personen über einen Zeitraum von zehn Jahren befragt wurden. Dabei zeigte sich, dass auch Erinnerungen an ein so prägendes Ereignis wie 9/11 fehlerhaft sind und sich im Laufe der Zeit verändern können. Sie müssen freilich nicht kreuzfalsch sein, sind aber eben auch nicht so akkurat, wie sich das jeweils gern eingeredet wird. Und immerhin sind seit den Terrorangriffen 18 Jahre vergangen – eine ordentliche Zeitspanne.

2001 flimmerten in den hiesigen Kinos gerade die ersten Teile von «Harry Potter» und «Herr der Ringe» über die Leinwand, längst sind daraus epische Filmreihen geworden. Bundespräsident war noch Moritz Leuenberger, und auch ein Blick des damaligen Bundesrats verdeutlicht, wie viel Zeit ins Land gezogen ist. Jüngere Leser dürften kaum noch einen der Magistraten mit Namen kennen. 

Die eine Hälfte der Landesregierung 2001: Joseph Deiss, Pascal Couchepin und Kaspar Villiger mit Bundekanzlerin Annemarie Huber-Hotz.  
Die eine Hälfte der Landesregierung 2001: Joseph Deiss, Pascal Couchepin und Kaspar Villiger mit Bundekanzlerin Annemarie Huber-Hotz.  
Bild: Keystone
Und die andere Hälfte: Moritz Leuenberger, Ruth Dreifuss, Ruth Metzler-Arnold und Samuel Schmid.
Und die andere Hälfte: Moritz Leuenberger, Ruth Dreifuss, Ruth Metzler-Arnold und Samuel Schmid.
Bild: Keystone

18 Jahre: Verblüffend, wenn man bedenkt, wie sehr die Ereignisse von damals noch immer nachwirken: der «Krieg gegen den Terror», der Krieg in Afghanistan, islamistischer Fanatismus, ständig verschärfte Überwachungsmassnahmen im Namen der Sicherheit, Verschwörungtheorien – all diese Themen begegnen uns noch heute dauernd und überall. Und werden uns bis auf weiteres begleiten.

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