Late Night USATrumps Infektion – «West Wing» trifft «The Walking Dead»
Von Philipp Dahm
9.10.2020
Trumps Genesungsgeschichte ist eine Geschichte voller Missverständnisse – zumindest muss man das aus dem herausinterpretieren, was der Coronapräsident zuletzt zum Besten gegeben hat.
«Leute, ich werde nicht lügen», beginnt Steven Colbert den Monolog seiner «Late Show». «Die Pandemie wütet weiter in Amerikas Kampfzone – der 1600 Pennsylvania Avenue.» Das Weisse Haus gleiche einer «Geisterstadt».
Dass dort, wo der Mensch zurückweicht, die Natur nachrückt, beweist der Clip nach 43 Sekunden: Da sehen wir den «CNN»-Reporter Joe Johns, der vor laufender Kamera einen Waschbären verjagt. Die Tiere sind im Weissen Haus zu einer kleinen Plage geworden, haben schon mehrere Journalisten angegriffen – und Johns ist bereits zum zweiten Mal ihr «Opfer» geworden.
«Armer Joe Johns», lacht Colbert im Anschluss. «Steckt im Weissen Haus mit einem von Krankheiten befallenen Tier fest, das herumrennt und Müll frisst. Und dann ist ja noch dieser Waschbär!»
Weil die Coronainfektion des Präsidenten keine gute Voraussetzung für die geplante zweite TV-Debatte mit Herausforderer Joe Biden ist, soll das Gespräch virtuell stattfinden, hat zumindest die zuständige Kommission vorgeschlagen. Trumps Wahlkampfmanager ist davon aber nicht so begeistert. Kein Wunder: Bill Stepien hat ebenfalls Covid und läuft nicht mehr Gefahr, sich anzustecken.
«Sie können einen stummschalten»
Die Begründung: Trump werde vor der Debatte mehrere negative Tests vorweisen, versprach sein Lager. «So läuft das nicht», findet Colbert. «Man kann nicht einfach darauf vertrauen, was vielleicht passieren wird, wenn die mögliche Konsequenz der Tod sein könnte.»
Ab Minute 3:24 werden wir dann auch nochmal, wie Donald Trump «Fox»-Frau Maria Bartiromo während der Sendung anruft: «Ich verschwende nicht meine Zeit mit einer virtuellen Debatte.» Konter Colbert: «Trump sagte, seine Zeit sei sehr kostbar, während er Mitten in einer tödlichen Plage bei ‹Fox› anrief.»
Was Trumps Problem ist? «Sie können einen stummschalten, wann auch immer sie wollen», erklärt der 74-Jährige «Fox». Colbert ruft aus: «Er hat Angst, die Regeln befolgen zu müssen, denen er selbst zugestimmt hat.» Trump diagnostiziert: «Ich glaube, ich bin überhaupt nicht ansteckend.» Und er sagt: «Wir haben etwas, ich nenne es Heilung, ich nenne es nicht Therapie.»
Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Donald Trump
Worum geht es? «Man nimmt es, es ist eine Antikörper-Arznei, und es macht [die Krankheit] fertig. Ich sage es Ihnen, ich hätte 24 Stunden nach meiner Einlieferung wieder das Spital verlassen können. Ich hätte ehrlich gesagt gar nicht hineingehen müssen. Ich denke, es wäre von selber weggegangen.»
Kurz darauf meint Trump: «Es ist grossartig. Ich werde dieses Medikament verbreiten. Es hat mich besser gemacht, das kann ich Ihnen sagen. Ich wurde eingeliefert und ich fühlte mich nicht so grossartig. Ich denke, es wäre mir auch ohne Medikamente wieder gutgegangen. Wissen Sie, man braucht nicht wirklich Medikamente. Ich habe sie abgesetzt, ich nehme keine mehr. Ich denke, ich nehme fast gar nichts.»
Colbert fasst zusammen: «Diese Medikamente sind grossartig, aber er braucht sie nicht, obwohl sie ihn umgehend geheilt haben. Aber er wird ihre Zulassung beschleunigen, obwohl er auch ohne sie gesund geworden wäre – deshalb nimmt er sie nicht ... Warum nimmt er die experimentelle Arznei und wird sind es, die Schwindel, Verwirrung und Übelkeit spüren?»
Leben zwischen «West Wing» und «Walking Dead»
Late Night USA – Amerika verstehen
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Unter den Mitarbeitern, die sich im Weissen Haus angesteckt haben, ist offenbar auch derjenige Militär, der den «Nuklear-Football» für den Abschuss von Atomraketen dem Präsidenten hinterherträgt. Und wer denke, es ginge nicht verrückter, den verweist Colbert noch auf den verhinderten Coup im US-Bundesstaat Michigan.
Gouverneurin Gretchen Whitmer sollte entführt werden. «Ist das echt», fragt Colbert, «oder sind wir in einer neuen Staffel von ‹24› gefangen? Ich habe mich doch gerade erst daran gewöhnt, in einer Mischung aus ‹West Wing› und‹The Walking Dead› zu leben.»
Das FBI sei durch das Facebook-Video einer der Täter auf sie aufmerksam geworden, in denen sich der Mann über die Coronaregeln seines Fitnessstudios chauffierte. «Der dümmste Grund, eine Regierung zu stürzen», schüttelt der Gastgeber den Kopf. Nicht zuletzt sollen die Täter geplant haben, eine Brücke zu sprengen, damit sie nicht auf dem Wasserweg verfolgt werden könnten.
Die verhinderte Loser-Revolution
Als das FBI zugriff, traf es einen aus der Gruppe im Keller eines Staubsauger-Verkäufers vor, wo der Mann untergekommen war, nachdem seine Freundin ihn rausgeworfen hatte.
«Er hat mir leidgetan, aber ich hätte nicht geglaubt, dass er zu sowas fähig ist. Das ist beinahe verrückt», so sein Vermieter zur «New York Times». «Ich wusste, dass er in einer Miliz war, aber viele Leute sind in einer Miliz und planen nicht, die Gouverneurin zu kidnappen. Hört doch auf!»
Wes Geistes Kind die Herren sind, haben Aussagen eines Undercover-Ermittlers enthüllt: Sie würden nicht Kidnapping vorhaben, sondern «adult napping», sollen die verhinderten Entführer unter allgemeinem Gelächter gewitzelt haben.