Zweifelhafte Rolle Trump, der Friedensstifter?

dpa

24.10.2019

US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Syrien-Politik viele vor den Kopf gestossen.
US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Syrien-Politik viele vor den Kopf gestossen.
Bild: Keystone

Donald Trump behauptet, er habe in Nordsyrien «viele Leben» gerettet. Dabei hat der US-Präsident dem tödlichen Chaos dort erst den Weg bereitet. Das schadet nicht nur den Kurden, sondern auch den USA selbst.

US-Präsident Donald Trump macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Erst ermöglicht der US-Präsident seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan den Einmarsch in Nordsyrien, um dort gegen die Kurdenmiliz YPG vorzugehen – die mit den USA gegen die Terrormiliz IS kämpften.

Zwei Wochen und viele Tote später stellt Trump sich nun als denjenigen dar, der den Frieden in der Konfliktregion gesichert und «das Leben vieler, vieler Kurden» gerettet habe. Trumps Hang zur Schönfärberei ist bekannt. Doch das ist selbst für ihn ein starkes Stück. Er rechnet sich als Verdienst die Lösung eines Problems an, das er selber erst verursacht hat.

Trump tut so, als wäre der Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien, der der türkischen Offensive den Weg bereitete, Teil eines ausgeklügelten Plans gewesen, um der Region endlich Frieden zu bringen. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Präsident eine seiner berüchtigten Bauchentscheidungen getroffen und sich damit verkalkuliert hat. Er hat seinen Wählern versprochen, die US-Soldaten aus den «endlosen Kriegen» zurückzuholen. 



Selbst glühende Anhänger sind empört

Statt Lob zu ernten, löste Trump einen Sturm der Entrüstung aus. «Er hört nicht auf seine Berater», schimpfte selbst Senator Lindsey Graham, sonst einer der treusten Verteidiger des Präsidenten in dessen Republikanischen Partei. Dass Trump die kurdischen Verbündeten in Syrien im Stich liess, nannte Graham «den grössten Fehler seiner Präsidentschaft». Trump – der wegen eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens ohnehin schwer unter Druck steht – geriet angesichts der anhaltenden Kritik zunehmend in die Defensive.

Anfang vergangener Woche verhängte Trump dann Sanktionen gegen die Türkei. Kurz danach schickte er seinen Vize Mike Pence nach Ankara – dem es gelang, Erdogan zu einem befristeten Waffenstillstand in Nordsyrien zu bewegen. Eine der Bedingungen: Die YPG musste sich aus einem Korridor südlich der türkisch-syrischen Grenze zurückziehen.

Am Mittwoch kündigte das Weisse Haus dann überraschend einen Auftritt Trumps an. Stolz verkündete der Präsident, Ankara habe seine Regierung darüber informiert, dass die Offensive beendet und der Waffenstillstand dauerhaft sein werde. Trump hob die Sanktionen wieder auf, forderte von Ankara allerdings ausdrücklich den Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordsyrien.



«Das ist ein Ergebnis, das von uns, den Vereinigten Staaten, und von keiner anderen Nation erzielt wurde», behauptete Trump. «Die Türkei, Syrien und alle Arten von Kurden haben über Jahrhunderte gekämpft. Wir haben ihnen allen einen grossen Dienst erwiesen.» Und er fügte hinzu: «Zahllose Leben werden jetzt als Ergebnis unserer Verhandlungen mit der Türkei gerettet. Ein Ergebnis, das erzielt wurde, ohne einen Tropfen amerikanischen Blutes zu vergiessen.»

Erdogan und Assad als Gewinner

Gewinner von Trumps abenteuerlicher Aussenpolitik sind Erdogan, Syriens Präsident Baschar al-Assad und dessen wichtigster Förderer, Kremlchef Wladimir Putin. Erdogan dürfte jetzt seine seit Jahren angestrebte «Sicherheitszone» im nordsyrischen Grenzgebiet bekommen. In dem bislang von Kurden kontrollierten Gebiet will er vor allem arabische Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln. Trump hat den NATO-Partner zudem weiter in Moskaus Arme getrieben. Erdogan und Putin nähern sich seit Langem an, am Dienstag trafen sie sich im russischen Schwarzmeerort Sotschi, um über Syrien zu beraten.

Verlierer sind – neben den Kurden – die USA selbst, die einen massiven Vertrauensverlust erlitten haben: Welcher Verbündete wird sich noch auf ihren Beistand verlassen wollen, wenn Trump Alliierte wie die YPG von einem Tag auf den anderen fallen lässt? Der grösste Verlierer aber ist die Kurdenmiliz. Während das Abkommen zwischen den USA und der Türkei nur einen Rückzug ihrer Kämpfer aus dem nordsyrischen Operationsgebiet der Türkei vorsah, verabredeten Erdogan und Putin einen Abzug der YPG auch entlang der Grenze ausserhalb dieses Areals.

Überraschendes Lob für Trump – war es inszeniert?

Aus dem Weissen Haus hiess es nur, das sei eine Angelegenheit, die die Türken mit den Russen und den Syrern aushandeln müssten – damit hätten die USA nichts mehr zu tun. Umso verwunderlicher, dass der Kommandeur der von der YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), General Maslum Abdi, Trump trotzdem überschwänglich lobte. «Wir danken Präsident Trump für seine unermüdlichen Bemühungen», diese hätten die «brutalen Angriffe» der Türkei und dschihadistischer Gruppen gestoppt, hiess es in einer von SDF-Sprecher Mustafa Bali via Twitter verbreiteten Mitteilung Maslums.



Der Tweet stiess nicht nur auf Fassungslosigkeit in sozialen Medien – er wirkte auch wie aus dem Drehbuch: In seiner Ansprache hatte Trump gesagt, er habe gerade mit Maslum telefoniert, und dieser sei «extrem dankbar für das, was die Vereinigten Staaten getan haben». Er sei überzeugt, dass Maslum sich dazu bald selbst äussern werde. Prompt schickte der SDF-Sprecher Maslums Statement in die Welt, während Trump noch redete. Kurz danach schrieb der Präsident auf Twitter zurück: «Danke, General Maslum, für Ihre freundlichen Worte und Ihren Mut. Bitte richten Sie dem kurdischen Volk meine herzlichsten Grüsse aus. Ich freue mich darauf, Sie bald zu treffen.»

Von einem geplanten Treffen Maslums mit Trump ist bislang nichts bekannt. Sollte es dazu kommen, würde es den bedrängten Milizenkommandeur gehörig aufwerten. Die YPG kann zwar nicht mehr auf militärischen Beistand der USA bauen - auf politische, diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung muss sie aber weiterhin hoffen. Ein anderer Termin steht dagegen schon fest in Trumps Kalender: Für den 13. November hat er Erdogan ins Weisse Haus eingeladen.

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