Streit um Migranten in Italien Schiff will Hafen in Sizilien nicht verlassen

dpa

6.11.2022 - 21:20

Das von der SOS Humanity, einer Organisation aus Deutschland, betriebene Rettungsschiff SOS Humanity 1 ist auf See vor der Küste Siziliens zu sehen.
Das von der SOS Humanity, einer Organisation aus Deutschland, betriebene Rettungsschiff SOS Humanity 1 ist auf See vor der Küste Siziliens zu sehen.
Salvatore Cavalli/AP/dpa

Zwei Schiffe mit Hunderten Migranten dürfen einen Hafen in Sizilien anlaufen, doch nicht alle dürfen von Bord. Hilfsorganisationen und Oppositionelle werfen der rechten Regierung Italiens Unmenschlichkeit vor.

Catania (AP) – Nach Tagen und Wochen der Ungewissheit haben zwei Schiffe mit geretteten Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer am Sonntag im Hafen der sizilianischen Stadt Catania anlegen können. Allerdings durften nach einer Untersuchung durch italienische Ärzte 35 der 179 Migrantinnen und Migranten vom Schiff «Humanity 1» nicht von Bord gehen, wie die deutsche Hilfsorganisation SOS Humanity mitteilte. Der Kapitän widersetzte sich daraufhin der Anordnung, den Hafen wieder zu verlassen. Auch einige der 572 Migranten auf der «Geo Barents», einem zweiten Schiff, durften am Sonntag in Catania an Land.

Die neue rechte italienische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat die Gangart in der Migrationspolitik deutlich verschärft und Schiffen von Hilfsorganisationen die Einfahrt in sichere Häfen verwehrt. Sie willigte aber am Freitag ein, Minderjährige auf der «Humanity 1» und jene, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind, von Bord zu lassen. Danach sollte das Schiff aber zurück in internationale Gewässer. Auch der «Geo Barents» wurde am Sonntag erlaubt, unter diesen Voraussetzungen in Catania anzulegen. Grundsätzlich ist die italienische Regierung der Auffassung, jene Länder, unter deren Flagge, die Schiffe fahren, seien für die Findung eines sicheren Hafens zuständig.

«Wie wir befürchtet hatten, durften nicht alle von Bord gehen», sagte SOS-Humanity-Sprecher Wasil Schauseil. Eine Ärztin der Organisation sei aufgefordert worden, die Menschen auszuwählen, die sich in einem schlechten Gesundheitszustand befänden. Sie habe jedoch erklärt, dass alle in einer prekären Lage seien und sie daher keine Auswahl treffen würde.

Zwei italienische Ärzte gingen schliesslich am Samstag nach Mitternacht an Bord der «Humanity 1» und untersuchten die ganze Nacht hindurch die Menschen. Sie stuften 36 von ihnen als nicht dringend hilfsbedürftig ein. Ein Mensch brach den Angaben zufolge nach dieser Nachricht zusammen und wurde von einem Krankenwagen abgeholt. Deshalb seien nun noch 35 Menschen an Bord, sagte Schauseil. 144 durften von Bord gehen, unter ihnen Minderjährige, Frauen und Kranke.

Die «Humanity 1» wurde daraufhin aufgefordert, den Hafen wieder zu verlassen. Wie SOS Humanity mitteilte, wolle der Kapitän das aber erst tun, wenn alle an Land seien. Die Hilfsorganisation führt an, alle Migranten an Bord seien aus dem Wasser gerettet worden und hätten nach internationalem Recht deshalb Anspruch auf einen sicheren Hafen. «Lasst alle Leute frei», sagte auch der Abgeordnete Aboubakar Soumahoro, der nach Sizilien gereist war, an Bord der «Humanity 1». Er warf der Regierung Meloni Unmenschlichkeit vor.

Am Sonntagabend lag das Schiff noch vor Anker und auch die unter norwegischer Flagge fahrende «Geo Barents» war in Catania eingetroffen. Bis zum Abend hatten 240 der 572 Migrantinnen und Migranten, das von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen betriebene Schiff verlassen. Es wurde erwartet, dass die Untersuchungen, wer von Bord gehen darf, die ganze Nacht über andauern würden.

Zwei weitere Schiffe mit Migranten harrten weiter im Mittelmeer aus. Die «Rise Above» der deutschen Organisation Mission Lifeline mit 93 Geretteten an Bord suchte sich am Wochenende eine wettergeschütztere Position östlich von Sizilien. Sprecherin Hermine Poschmann sagte am Sonntag, man habe noch keine Erlaubnis der italienischen Behörden zum Einlaufen in einen Hafen bekommen. Die von der Hilfsorganisation SOS Méditerranée betriebene «Ocean Viking» mit 234 Migranten blieb in internationalen Gewässern, südlich der Strasse von Messina. Auch ihre Anfragen nach einem Hafen blieben bisher unbeantwortet, wie ein Sprecher am Sonntag bestätigte.