Signal für US-Wahlen? Republikaner solidarisieren sich mit Trucker-Protesten in Kanada

Von Richard Lardner, Michelle R. Smith und Ali Swenson, AP

19.2.2022 - 20:44

Trudeau verhängt Notstand wegen Trucker-Protesten

Trudeau verhängt Notstand wegen Trucker-Protesten

Trudeau wende die Notstandsbefugnisse an, einschliesslich der Unterbrechung der Finanzierung, um die Proteste zu beenden. «Die Blockaden schaden unserer Wirtschaft und gefährden die öffentliche Sicherheit», begründete er den Schritt.

15.02.2022

Die Blockade durch kanadische Lastwagenfahrer wurde wesentlich von Republikanern und rechtspopulistischen Aktivisten aus den USA unterstützt. Das eigentliche Ziel dürfte dabei Stimmungsmache bei konservativen Wählern im eigenen Land sein.

Fast drei Wochen lang haben Trucker aus Unmut über Pandemie-Massnahmen Teile der kanadischen Hauptstadt Ottawa belagert. Impfgegner aus dem südlichen Nachbarland haben sie nicht nur moralisch, sondern auch mit hohen Geldsummen unterstützt. Aus Sicht von Experten geht es den amerikanischen Spendern wohl primär um eine innenpolitische Botschaft.

Das, wofür die Trucker-Konvois in Kanada ständen, werde auch bei den US-Zwischenwahlen in diesem Herbst eine wichtige Rolle spielen, sagt Samantha Bradshaw vom Digital Civil Society Lab an der Stanford University. Einige Republikaner würden deswegen «diesen Protest als Gelegenheit nutzen, um ihre eigenen Unterstützer und andere Gruppen zu mobilisieren».



Etwa 44 Prozent von insgesamt knapp zehn Millionen Dollar (9,2 Millionen Franken), die zur Unterstützung der Trucker-Proteste überwiesen wurden, kamen aus den USA, wie aus Spender-Listen hervorgeht, die von der Nachrichtenagentur AP eingesehen werden konnten. Hochrangige republikanische Politiker, darunter der Senator Ted Cruz und die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, haben die kanadischen Trucker öffentlich als «Helden» und «Patrioten» gelobt.

Justin Trudeau verurteilt US-Hilfen

Im rechtskonservativen US-Fernsehsender Fox News betonte der Moderator Sean Hannity am Mittwoch gegenüber zwei Organisatoren der kanadischen Proteste, für ihre Aktionen gebe es «sehr viel Unterstützung» von «Freunden in Amerika». «Wir haben in Amerika eine Bewegung, die sehr bald beginnen wird», fügte Hannity hinzu.

Der liberale kanadische Premierminister Justin Trudeau und einige führende Mitglieder seiner Regierung haben die amerikanische Hilfe für die Trucker-Proteste scharf kritisiert. «Das Land ist mit einem überwiegend aus dem Ausland finanzierten, gezielten und koordinierten Angriff auf kritische Infrastruktur und unsere demokratischen Institutionen konfrontiert», sagte diese Woche Bill Blair, der kanadische Minister für öffentliche Sicherheit und Notfallvorsorge.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau sieht die Einflussnahme der Republikaner kritisch.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau sieht die Einflussnahme der Republikaner kritisch.
Justin Tang/The Canadian Press/AP/dpa

Ian Reifowitz, Historiker an der State University of New York, bezeichnet die Entwicklungen in Kanada als ein «Geschenk» für die Republikaner in den USA. Und er ist überzeugt, dass diese den populistischen Charakter nutzen werden, um im Vorfeld der Zwischenwahlen im November auch Spenden für die eigene Partei einzuwerben. «Sie brauchen ständig neue Aufreger», sagt Reifowitz. Und diese Proteste, acht oder neun Monate vor der Wahl, seien für sie ein «grandioses» Thema. Sie könnten damit Geld einsammeln, Freiwillige rekrutieren und die Basis anstacheln.

Kanadische Regierung versucht, Spenden zu blockieren

Die Teilnehmer der Proteste in Ottawa wurden regelmässig mit Nahrung und Treibstoff versorgt. Das von ihnen besetzte Gelände am Parliament Hill glich zeitweise einem Festival mit Hüpfburgen, Spielfläche und einer Konzertbühne, auf der DJs Musik auflegten. Über die Fundraising-Plattform GiveSendGo wurden laut einer von der Aktivistengruppe DDoSecrets veröffentlichten Datenbank 9,58 Millionen Dollar für die Proteste gespendet; 4,2 Millionen kamen demnach aus den USA.

Die kanadische Regierung ist bemüht, den Truckern den Zugang zu diesen Geldern zu blockieren. Insofern ist unklar, wie viel tatsächlich bei ihnen angekommen ist. Mehrere weitere Millionen, die über eine andere Plattform namens GoFundMe zusammengekommen waren, wurden von dessen Betreibern mit Verweis auf die Gesetzeswidrigkeit der Aktion zurückgehalten, nachdem Vertreter der kanadischen Regierung Einwände erhoben hatten.



In der von der AP ausgewerteten GiveSendGo-Datenbank sind mehr als 109'000 Einzelspenden aufgeführt, davon knapp 62'000 aus den USA. Mehrere Amerikaner gaben demnach Tausende oder gar Zehntausende Dollar. Die mit 90'000 Dollar höchste Summe kam von einem Spender, der sich als Thomas M. Siebel ausgab. Der prominente Milliardär und Gründer des Software-Unternehmens Siebel Systems liess diesbezügliche Anfragen der AP unbeantwortet.

Auch Ex-Berater von Donald Trump mischt mit

Eine Repräsentantin der Siebel Scholars Foundation wollte sich zwar nicht dazu äussern, ob der Unternehmer hinter der in der Datenbank aufgeführten Spende stecke. Sie sagte aber, dass Siebel schon oft für diverse Zwecke gespendet habe, auch für solche, mit denen die «individuelle Freiheit geschützt» werden solle. «Dies sind persönliche Initiativen, die nichts mit den Unternehmen zu tun haben, mit denen er in Verbindung steht», schrieb sie.

Die Trudeau-Regierung treibt inzwischen eine Ausweitung des Geltungsbereichs der nationalen Regeln zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung auch auf Crowdfunding-Websites voran. «Wir nehmen diese Änderungen vor, weil wir wissen, dass diese Plattformen genutzt werden, um illegale Blockaden und illegale Aktivitäten zu unterstützen, was der kanadischen Wirtschaft schadet», sagte Finanzministerin Chrystia Freeland.

Ein Demonstrant schwenkt bei einem Protest gegen die Corona-Massnahmen in Ottawa eine kanadische Flagge.
Ein Demonstrant schwenkt bei einem Protest gegen die Corona-Massnahmen in Ottawa eine kanadische Flagge.
Bild: Justin Tang/The Canadian Press/dpa

Am 27. Januar, als über GiveSendGo die Spenden-Kampagne «Freedom Convoy» lanciert wurde, veröffentlichte Michael Flynn, der unter Ex-Präsident Donald Trump für kurze Zeit Nationaler Sicherheitsberater gewesen war, über den Messaging-Dienst Telegram ein Video von den Trucker-Protesten. «Diese Lastwagenfahrer bekämpfen den Unsinn und die Tyrannei, die vor allem von der kanadischen Regierung kommen», schrieb er. Wenige Tage später rief Flynn zu Spenden auf.

Auf Fox News wurden die Strassenblockaden im nördlichen Nachbarland regelmässig gerühmt. Der republikanische Senator Rand Paul sagte in einem Interview von Daily Signal, einer News-Website der konservativen Heritage Foundation, er hoffe, dass bald auch in den USA Trucker «die Städte verstopfen» würden. Tatsächlich sollen amerikanische Rechtsextremisten und Impfgegner bereits begonnen haben, nach dem kanadischen Vorbild vergleichbare Aktionen zu planen.

Von Richard Lardner, Michelle R. Smith und Ali Swenson, AP