Machtdemonstration So lehrt Israel den Iran und die Hisbollah das Fürchten

Philipp Dahm

1.10.2024

Israel marschiert im Südlibanon ein – Hisbollah kampfbereit

Israel marschiert im Südlibanon ein – Hisbollah kampfbereit

Soldaten der israelischen Armee bereiten sich auf den Einsatz vor. Dieser startet in der Nacht zu Dienstag mit einer Bodenoffensive gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon. Damit erreicht die Lage in Nahost eine neue Eskalationsstufe.

01.10.2024

Der Iran ist dieser Tage auffallend zurückhaltend, wenn es um den Nahen Osten geht. Kein Wunder: Israel hat Teherans langen Arm im Libanon gebrochen, und selbst im eigenen Land sind die Mullahs nicht sicher.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat sich der Iran verbal zurückgehalten: Teheran wirkt wie seine Stellvertreter im Libanon nervös.
  • US-Analyst Peter Zeihan ordnet ein: «Die Fähigkeit der Hisbollah, zurückzuschlagen oder ganz allgemein koordiniert zu handeln, hat sich im Prinzip aufgelöst.»
  • Zeihan zeichnet nach, wie konsequent Israels Geheimdienst und die Armee handeln.
  • Diese US-Truppen bremsen Teheran aus.
  • Der Mossad hat sogar die iranische Einheit unterwandert, die in Israel spionieren soll, und bedroht das Mullah-Regime im eigenen Land.

Der israelische Luftangriff in Beirut tötet am 27. September nicht nur Hassan Nasrallah, sondern auch einen hochrangigen iranischen Militär: Neben dem Hisbollah-Chef stirbt mit Abbas Nilforuschan auch ein prominenter General der Revolutionsgarde.

Doch Teheran hält sich nach dieser Attacke zurück: Vergeltungsdrohungen gegen Israel bleiben aus. «Alle sollten sich bewusst sein, dass die Lage äusserst explosiv und jederzeit alles möglich ist – auch ein Krieg», warnt Aussenminister Abbas Araghchi.

Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei erklärt lediglich: «Nasrallah war nicht nur eine Persönlichkeit, sondern Symbol einer neuen politischen Ideologie und eines Weges, der auch ohne ihn weiterhin fortgesetzt wird.» Die Reaktionen aus dem Iran wirken merkwürdig gedämpft. 

Teherans Führungsriege um Ajatollah Ali Chamenei hält sich auffallend bedeckt, was Israels Schläge gegen die Hisbollah angeht.
Teherans Führungsriege um Ajatollah Ali Chamenei hält sich auffallend bedeckt, was Israels Schläge gegen die Hisbollah angeht.
Keystone

Ein Indiz dafür, wie die Gefühlslage in Teheran ist, kommt aus Beirut, wo sich Nasrallahs Vize am 30. September erstmals zu Wort meldet. Auch Naim Kassim betont, dass jeder bei der Hisbollah ersetzbar ist und bald ein neuer Anführer gefunden werde.

«Die Israelis haben ziemlich hart zurückgeschlagen»

«Wir sind bereit, falls die Israelis entscheiden sollten, in [den Libanon] einzudringen, und die Widerstandskräfte sind bereit für den Boden-Kampf», betont der 71-Jährige, doch Kassim wirkt dabei so, als wäre ihm nicht wohl, stellt die «Times of Israel» fest. Zudem schwitze der Hisbollah-Vize in der Aufnahme sichtlich.

Naim Kassim wirkt mitgenommen, freut sich die israelische Presse.
Naim Kassim wirkt mitgenommen, freut sich die israelische Presse.
Screenshot: X

Kassim hat guten Grund, nervös zu sein. Kurz nach der Veröffentlichung des Clips beginnt Israels Armee mit ihrer Bodenoffensive, und es sieht so aus, als könnten Kassims Leute wenig dagegen tun. «Die Fähigkeit der Hisbollah, zurückzuschlagen oder ganz allgemein koordiniert zu handeln, hat sich im Prinzip aufgelöst», ordnet der US-Analyst Peter Zeihan die Lage ein.

Der Grund dafür ist das knallharte Vorgehen Israels, führt der 51-Jährige aus. Der Iran habe den Gaza-Krieg ausnutzen und ein wenig PR machen wollen, indem Teheran die Hisbollah angewiesen habe, ein paar Raketen auf Israel abzufeuern. «Die Israelis haben ziemlich hart zurückgeschlagen», sagt Zeihan, «und es geschafft, zu zeigen, dass ihre Geheimdienst-Operationen nicht so gelitten haben wie gedacht.»

«Wie tief haben die Israelis dich penetriert?»

Zeihan spielt auf das Versagen der Dienste an, den Hamas-Angriff am 7. Oktober zu verhindern und erklärt, wie Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah mit Sprengstoff versehen wurden, um die Schiiten-Organisation schwer zu treffen. «Wenn du in der Hisbollah oder im Iran bist, musst du dich fragen, wie tief die Israelis dich penetriert haben.»

Das Motto Israels sei «Deeskalation durch Eskalation», führt Zeihan aus: «Du willst dem anderen Typen beweisen, dass du mehr tun kannst, dass du härter zuschlagen kannst, bis er die Klappe hält und sich hinsetzt, damit du das letzte Wort hast.» Das sei der Wink insbesondere an den Iran, glaubt der Amerikaner: «Wir haben durch die Pager gehandelt, die ihr euren Stellvertretern gegeben habt.»

Zeihan erläutert, wie die Störung der Kommunikation schiitische Kämpfer dazu gezwungen hat, sich persönlich zu treffen – nur um diese Orte dann folgenschwer mit Bomben zu belegen. Eine Koordinierung militärischer Einheiten werde damit verunmöglicht: Dass die Hisbollah unter diesen Umständen und angesichts der Zerstörung von Waffenlagern einer israelischen Bodenoffensive standhält, scheint fraglich.

Mossad unterwandert iranische Anti-Israel-Einheit

«Der Iran sucht nach einer Möglichkeit, das letzte Wort zu haben und allen zu zeigen, dass sie noch wichtig sind, aber sie können es im Moment einfach nicht», so Zeihan. «Sie können nicht direkt zurückschlagen, denn wenn sie das tun, werden sehr viel mehr Leute und Staaten in die Sache hereingezogen – inklusive eines US-Flugzeugträgers und einer Kampfgruppe, die definitiv zurückschiessen würden.»

Angeblich haben die USA ihre Truppen in der Region auf 43'000 Soldaten und Soldatinnen aufgestockt: Im Golf von Oman liegt der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln. Die USS Harry S. Truman befindet sich im Atlantik und soll in einigen Tagen im Mittelmeer eintreffen, um der USS Wasp Gesellschaft zu leisten. Hinzu kommen verschiedene Geschwader der US Air Force in der Region.

Washingtons langer Arm trägt dazu bei, den Iran zu bremsen. Und Teheran weiss auch um die Infiltrierung durch den israelischen Geheimdienst: Laut dem früheren iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad hat der Mossad sogar die Einheit unterwandert, die für die Spionage in Israel verantwortlich ist.

Erinnerungen an das Mossad-Attentat auf Fachrisadeh

«Wir haben eine Einheit aufgestellt, um Israel zu kontern, und die Person, die sie führt, entpuppt sich als Mossad-Agent», berichtet Ahmadineschad am 30. September dem Sender CNN Turk. 2021 sei der Mann aufgeflogen, der 20 weitere Agenten geleitet habe, die für die Tötung iranischer Wissenschaftler verantwortlich gewesen sei.

Unterwandert: Der Fisch stinkt vom Kopf her, weiss Mahmud Ahmadineschad.
Unterwandert: Der Fisch stinkt vom Kopf her, weiss Mahmud Ahmadineschad.
Keystone

Dass iranische Grössen auch im eigenen Land vor dem Mossad nicht sicher sind, hat sich am 27. November 2020 gezeigt. Damals ist es israelischen Agenten gelungen, ein Maschinengewehr einzuschmuggeln, in einem Fahrzeug zu platzieren, zu verkabeln und an der Route zu positionieren, die der Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh nimmt.

Der Abzug wird aus Hunderten Kilometer Entfernung gedrückt, und der Forscher verliert dadurch sein Leben. Der Vorgang hält Teheran vor Augen, wozu Israel in der Lage ist – auch wenn das Land offiziell nie die Verantwortung für das Attentat übernimmt.

Teheran hat guten Grund, sich bei der laufenden Invasion im Südlibanon zurückzuhalten. Und vielleicht muss sich das Mullah-Regime sogar Sorgen machen: «Wenn der Iran endlich frei ist – und der Moment wird sehr viel eher kommen als die Leute denken – wird alles anders sein», orakelt Israels Premier Benjamin Netanjahu am 30. September.


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