Proteste im Iran eskalieren Nun tötet das Regime gezielt junge Frauen

Von Philipp Dahm

26.9.2022

Iranischer Präsident verlangt «entschiedenes» Vorgehen gegen Demonstrierende

Iranischer Präsident verlangt «entschiedenes» Vorgehen gegen Demonstrierende

Nach anhaltenden Protesten im Iran hat der Präsident des Landes die Sicherheitskräfte zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die Demonstrierenden aufgefordert.

25.09.2022

In der zehnten Nacht in Folge haben schwere Unruhen den Iran erschüttert. Mindestens 41 Menschen sind seither ums Leben gekommen. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Von Philipp Dahm

26.9.2022

Das Regime in Teheran versucht alles, um die oppositionellen Stimmen zu unterdrücken. Mit brutaler Härte geht es gegen Kritiker vor, doch die Unterdrückung der Stimmen, die die Absetzung fordern, gelingt nicht. Und auch wenn die Gegner der Regierung die breite Öffentlichkeit nicht mit Massenkommunikationsmitteln erreichen können, werden auf den Basaren im Land die Informationen unter der Hand weitergereicht.

Etwa mit Kassetten. Denn die Rede ist vom Jahr 1979, als die Regierung verzweifelt versucht, einem gewissen Ayatollah Khomeini das Wort zu verbieten. Sie kann jedoch die islamische Revolution nicht verhindern. Heute ist die Situation genau dieselbe, aber vollkommen anders: Nun sind es die Mullahs, die um den Erhalt ihrer Macht kämpfen. Sie zensieren Social Media und Internet, um eine weltliche, feminine Gegenrevolution zu verhindern.

Das jetzige Regime in Teheran zieht dafür alle Register. Die Bürgerbewegung, die den Aufstand probt, verbrenne iranische Flaggen und den Koran, wird verbreitet. Die Regierung versucht, Gegendemonstrationen über das massenhafte Versenden von SMS und öffentliche Bekanntmachungen zu organisieren.

Mindestens 41 Tote

Am Sonntag, den 25. September versammeln sich sich die Regimetreuen, und protestieren dabei auch gegen das Ausland, das angeblich die Opposition aufstachele. Irgendjemand anderes muss ja schuld sein. Irans Präsident Ebrahim Raisi verspricht dabei, «entschieden» gegen all jene vorzugehen, die wegen der Ermordung von Mahsa Amini durch die Sittenpolizei am 16. September auf die Strasse gehen.

Die Empörung und der Widerstand haben inzwischen nicht nur 139 Städte in allen 31 iranischen Provinzen erfasst. Mindestens 41 Menschenleben haben die Proteste bisher gefordert: Die Sicherheitskräfte setzen angeblich scharfe Munition ein. Die Gruppe Iran Human Rights in Norwegen zählt sogar mindestens 54 Tote.

Auch im Ausland bricht sich die Wut Bahn: Bei Protesten vor der iranischen Botschaft in London fliegen am Sonntag Steine. Die Polizei teilt mit, eine «beträchtliche Gruppe» in einer grossen Menge sei darauf aus gewesen, Unruhe zu stiften. Verstärkung sei angefordert und fünf Demonstranten festgenommen worden. Einige Beamte seien verletzt worden, aber nicht schwer. Auch in Paris, Köln, Oslo, Stockholm und Zürich gab es Proteste.

Iran bestellt Botschafter ein

Das iranische Aussenministerium bestellt nach eigenen Angaben am 24. September den britischen Botschafter Simon Shercliff ein, um sich über die Berichterstattung persischsprachiger Medien in London zu beschweren. Deren Berichte mischten sich in die inneren Angelegenheiten Irans ein, verletzten seine Souveränität und hätten eine feindselige Atmosphäre geschaffen, die Störungen und Gewalt provoziert hätten, hiess es.

Einbestellt wurde auch der Botschafter Norwegens, bei dem die iranische Regierung den Angaben zufolge scharf gegen Kritik des norwegischen Parlamentspräsidenten Masud Gharahkhani protestierte. Gharahkhani ist in Teheran geboren und hat zu Protesten gegen das Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte aufgerufen.

Auch Washington wird von Teheran heftig kritisiert, nachdem die USA Internet-Einschränkungen gelockert haben. Weil das Weisse Haus «gleichzeitig maximalen Druck» auf den Iran aufrechterhalte, sei das der Beweis, dass Washington «versucht, seine eigenen Ziele» in dem Land zu erreichen, sagt Nasser Kanaani, Sprecher des iranischen Aussenministeriums.

Der «ausländische Söldner» ist schuld

Es sind mal wieder «ausländische Söldner», die an allem schuld sein sollen. Es soll die Erklärung für die schwersten Unruhen im Iran seit drei Jahren sein. Es erklärt aber nicht die multiplen Schädelbrüche, die laut «Iran International» das CT-Bild von Mahsa Aminis Kopf zeigt. 

Es sind nicht ausländische Provokateure, die dafür verantwortlich sind, dass Teheran in diesem Jahr bereits 414 Bürger *innen hingerichtet hat – davon zwei Minderjährige. Und es sind auch keine Fremden, die auf diversen Videos protestierend zu sehen sind, die trotz Zensur ihren Weg ins Internet gefunden haben.

Die Wut über das Regime schwillt zu einer Flutwelle an. Noch ist es nicht absehbar, ob sie auch die Kraft hat, die seit 1979 währende Diktatur der Mullahs hinwegzuspülen.

Mit Agentur-Material.