Ukrainische Folteropfer«Sie benutzten Kabel, Gummiknüppel oder Hämmer»
klm
29.10.2023
In der ukrainischen Stadt Balakliia sollen russische Truppen schlimme Foltermethoden eingesetzt haben. Ein Untersuchungskomitee rollt die Taten nun unter anderem mit Zeugen-Aussagen auf.
klm
29.10.2023, 20:24
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Die ukrainische Stadt Balakliia war sieben Monate in den Händen von russischen Besatzern.
200 Zivilisten, darunter 30 Frauen, sollen dabei von den russischen Truppen festgehalten worden sein. Mindestens 150 Männer seien dabei gefoltert worden, eine Frau vergewaltigt und sieben Zivilisten ermordet.
Zeug*innen berichten von den mutmasslichen Gräueltaten der russischen Soldaten.
Sieben Monate war die ukrainische Stadt Balakliia im Jahr 2022 in den Händen von russischen Besatzern. In diesen Tagen soll Folter – und sogar Mord – an der Tagesordnung gestanden haben.
«The Guardian» hat einen Untersuchungsbericht der Oblast Charkiw, zu der Balakliia gehört, gesichtet, mit mehreren mutmasslichen Opfern gesprochen und sich mit der ukrainischen Untersuchungsbehörde ausgetauscht, die die verantwortlichen Russen wegen Kriegsverbrechen anklagen wollen.
Dabei kam Erschütterndes ans Licht. 200 Zivilisten, darunter 30 Frauen, wurden von den russischen Truppen festgehalten. Mindestens 150 Männer seien dabei gefoltert worden, eine Frau vergewaltigt und sieben Zivilisten ermordet.
Untersuchungskomitee rollt Folter-Methoden auf
«Während unserer Untersuchung haben wir gesehen, wie die Invasoren den Gefangenen unglaubliches Leid zufügten», sagt Maksym Blokhin, einer der Köpfe des Untersuchungskomitees zum «Guardian». «Dabei nutzten sie Elektro-Kabel, Gummiknüppel, Hämmer oder Schusswaffen.»
Die russischen Truppen seien bei der Inhaftierung von Zivilisten systematisch vorgegangen, hätten sie regelrecht «gejagt». So sei etwa Ivan Kovryga auf einer Liste der Russen gestanden, weil er ein ehemaliger Polizist gewesen sei. Auch wenn er schon Jahre vor dem Krieg begonnen hatte, als Mechaniker zu arbeiten, wurde er gefangen genommen.
«Zu Beginn des Krieges habe ich den Bewohnern von Balakliia gratis Milch verteilt, weil viele während der Besatzung an Hunger litten», so Kovryga. «Am 19. April im vergangenen Jahr haben mich Russen an einem Checkpoint angehalten. Nachdem sie meinen Pass geprüft haben, haben sie ihre Waffen auf mich gerichtet und gesagt, dass meine Reise hier endet.»
Fünf Tage lang in Keller eingesperrt
Daraufhin sei der Ukrainer durch die Hölle gegangen. Noch vor dem ersten Verhör sei der Mechaniker an einen Stuhl gebunden und zusammengeschlagen worden.
«Sie fragten mich nach Positionen der ukrainischen Truppen und dass ich gestehen soll, dass ich russische Positionen an mein Land verraten habe», so Kovryga. «Ich erklärte ihnen, dass ich kein Polizist mehr bin, aber sie glaubten mir nicht und griffen mich weiter an.»
Fünf Tage lang sei er in einem Keller eingesperrt worden. Eines Nachts sollen ihn Soldaten dann mit einem Sack auf dem Kopf in einen naheliegenden Wald gefahren haben. Dort habe man ihm eine Schaufel hingeworfen.
«Sie sagten: ‹Fang an, dein Grab zu graben›», erinnert sich der Ex-Polizist. «Ich bettelte, dass ich noch einmal mit meiner Mutter oder meiner Frau sprechen dürfe. Aber sie sagten Nein. Ich glaube nicht, dass sie mich töten wollten. Es war nur ein Spiel, um mir Angst zu machen. Ihnen machte es Spass.»
Später sei Kovryga durch Elektroschocks mit einem umgebauten Funkgerät gefoltert worden: «Ich wusste, dass mein Körper nicht mehr lange durchhalten wird.» Nach 10 Tagen voller Schmerzen und Erniedrigungen sei der Mechaniker schliesslich freigelassen worden.
Auch Albina Strelec wurde von russischen Truppen festgehalten. Laut ihr seien die gefangenen Frauen anders gefoltert worden, als die ukrainischen Männer. «Sie quälten uns psychisch», so Strelec. «Sie sagten, dass wir nie wieder freikommen würden.» In ihrer Zelle sollen die Frauen ausserdem die Schmerzensschreie der Männer gehört haben. In einem Fall soll Strelec ausserdem eine Massenvergewaltigung einer Ukrainerin durch russische Truppen mitgehört haben: «Ich konnte hören, wie sie schrie, dass sie aufhören sollen.» 16 Tage verbrachte Strelec unter diesen Bedingungen.
Oberstleutnant «Granit» war verantwortlich
Die Befehlsgewalt über die russischen Truppen hatte laut «Guardian» und «Reuters» der russische Oberstleutnant Valery Sergeyevich Buslov, bekannt unter seinem Spitznamen «Granit». Er und 374 seiner Soldaten wurden durch die Untersuchungen der ukrainischen Behörden enthüllt. Am 8. September 2022 wurde die Stadt von ukrainischen Truppen zurückerobert. Kurz darauf begann die Arbeit von Maksym Blokhin und seinem Team.
«Wir wollen den Krieg gewinnen und diesen Männern ihre gerechte Strafe zukommen lassen», so Blokhin.
Valery Sergeyevich Buslov sei vor der Rückeroberung in die russische Stadt Kaliningrad geflohen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestreitet er, jemals in Balakliia gewesen zu sein. Laut dem «Guardian» gibt es aber an die hundert Dokumente aus Balakliia, die seine Unterschrift aufweisen. Über tausend Zeugenaussagen sollen ausserdem seine Anwesenheit bei den Gräueltaten belegen.
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