Jugend, Wirtschaft, Zensur Wie Wladimir Putin die russische Gesellschaft umbaut

Von Gabriela Beck

8.7.2022

Besucher beim Blumenfestival in Moskau am 04. Juli 2022. Der Kreml verschärft Gesetze, die die ganze russische Gesellschaft betreffen.
Besucher beim Blumenfestival in Moskau am 04. Juli 2022. Der Kreml verschärft Gesetze, die die ganze russische Gesellschaft betreffen.
YURI KOCHETKOV/Keystone

Der Kreml zieht die Zügel an: Die Wirtschaft soll zu einer Kriegsökonomie umgebaut und Jugendliche im Stile der «sowjetischen Pioniere» geschult werden. Wer nicht spurt, bekommt den langen Arm des Gesetzes zu spüren.

Von Gabriela Beck

Unter dem Vorwand, die innere Sicherheit und die Wirtschaft stärken zu müssen, gerät Russland gegenüber seiner eigenen Bevölkerung immer weiter in eine Spirale von Repression und Abschottung.

Zunehmend werden von der Staatsräson abweichende Meinung und Handlungen als «Verrat» eingestuft. Unternehmen werden in ihren Vollmachten beschnitten, eine neue Jugendorganisation im Stil der sowjetischen Pioniere soll die nachfolgende Generation im «richtigen patriotischen Geist» auf Linie trimmen. Die Umformung der russischen Gesellschaft schreitet voran.

Verschärfte Spionagegesetze

Bereits im März erliess Russland Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren für die Verbreitung von dem Narrativ des Kremls entgegenstehender Informationen. Dazu gehörte insbesondere auch Kritik an der «militärischen Intervention» in der Ukraine, die Wörter «Krieg» und «Invasion» wurden geächtet. Das führte zu einem Exodus ausländischer und unabhängiger russischer Journalisten. Nun verschärfte der Kreml die Gesetzgebung betreffend Staatsverrat und Spionage.

So werden öffentliche Aufrufe, gegen «Russlands Sicherheit» vorzugehen, neuerdings mit bis zu sieben Jahren Gefängnis geahndet. Kooperationen mit Ausländern oder internationalen Organisationen können mit bis zu acht Jahren Gefängnis bestraft werden. Das Sammeln, Speichern und Übermitteln von Informationen, die gegen die russische Armee verwendet werden können, wird als eine Form der Spionage angesehen und soll mit zehn bis 20 Jahren Gefängnis geahndet werden.

Menschenrechtsaktivisten befürchten, dass das neue Gesetz dazu benutzt wird, letzte Spuren von Dissens auszulöschen.

Die Jugend auf Linie bringen

In eine ähnliche Richtung geht die Genehmigung einer «modernen Jugendorganisation im Stil der sowjetischen Pioniere». Die wurde 1922 gegründet mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche an die kommunistische Ideologie heranzuführen. Auch der neuen Jugendorganisation sollen schon Kinder ab sechs Jahren beitreten können, wie am Mittwoch von der Staatsduma in einem Gesetzentwurf steht.

Artyom Metelev, Co-Autor des Gesetzentwurfs und Vorsitzender des Duma-Ausschusses für Jugendpolitik, sagte gegenüber der «Moscow Times», dass die gesamtrussische Bewegung «die absolute Mehrheit der Schulkinder und Studenten erreichen und Millionen von Kindern helfen würde, einen Sinn im Leben zu finden».

Der Gesetzentwurf muss nun vom russischen Oberhaus genehmigt und von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten.

«Sondermassnahmen» für die russische Wirtschaft

Auch die Wirtschaft soll in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden. Laut Bericht des US-Konflikt-Thinktanks Institute for the Study of War vom 1. Juli bereiten die die russischen Behörden die Wirtschaft des Landes auf die Versorgung der Armee vor.

Die Staatsduma, das russische Parlament, hat eine Änderung der föderalen Gesetze über die Versorgung der russischen Streitkräfte eingebracht, die «Sondermassnahmen im Wirtschaftsbereich» einführen würden. Mit anderen Worten: Russische Unternehmen würden zur Unterstützung sogenannter «spezieller militärischer und antiterroristischer Operationen» verpflichtet.

Dem Kreml würde es ermöglicht, Mitarbeiterverträge und Arbeitsbedingungen zu ändern, etwa Personal zu zwingen, nachts oder an Feiertagen zu arbeiten.