«Lügen Sie Ihre Follower nicht an»Scharfe Kritik an Alain Berset nach Georgien-Reise
Lea Oetiker
29.12.2024
Alain Berset, Generalsekretär des Europarats, steht nach einem Besuch in Georgien in der Kritik. Die Opposition wirft ihm vor, das prorussische Regime durch Treffen mit Regierungsvertretern zu legitimieren.
Lea Oetiker
29.12.2024, 09:03
Lea Oetiker
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Alain Berset, der Generalsekretär des Europarats, steht nach seiner Reise nach Georgien unter Beschuss.
Die Opposition wirft ihm vor, das prorussische Regime durch Treffen mit Regierungsvertretern zu legitimieren.
Seine Haltung zu Georgien verteidigte Berset in einem Interview mit «Blick»: Er habe der Regierung sehr klar vermittelt, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in jedem Moment eingehalten werden müssten.
Alt-Bundesrat Alain Berset (52) ist seit über 100 Tagen Generalsekretär des Europarats. Nach seiner Reise nach Georgien hagelt es Kritik.
Grund dafür: Berset verbrachte kurz vor Weihnachten ein paar Tage in der Hautstadt Tiflis und traf dort mehrere Regierungsvertreter, was er auf X festhielt. Unter anderem den Regierungschef Irakli Kobachidse, Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili und den Milliardär und Ex-Premierminister Bidsina Iwanischwili.
Excerpt from today's press conference summing up my official visit to #Georgia. Georgia's place is and remains in Europe. We will continue to accompany our #CoE member state on its democratic & European path. Full conference recording👇 https://t.co/Pbg1SFDWDIpic.twitter.com/iW6FuRSp3P
Ivanishwili, Gründer der Regierungspartei Georgischer Traum, hatte das umstrittene Agenten-Gesetz eingeführt. Dieses klassifiziert Medien und NGOS als ausländische Agenten, wenn sie zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden.
Daraufhin kritisierten ihn georgische Oppositionelle auf X in aller Schärfe, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.
Micheil Kawelaschwili im Zentrum der Spannungen
Doch im Zentrum der politischen Spannung stehe Micheil Kawelaschwili, der neue Präsident Georgiens, heisst es weiter. Der ehemalige Fussballprofi spielte unter anderem für den FC Zürich, FC Basel und FC Sion. Mitte Dezember wurde er fast einstimmig von der Wahlersammlung gewählt. Doch die Opposition erkennt ihn nicht an und wirdt der prorussischen Regierungspartei Wahlbetrug vor.
Bei einer Pressekonferenz in Tiflis erinnerte Berset sich an die 25-jährige Mitgliedschaft Georgiens im Europarat. Er betont, wie wichtig Medien-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien und kündigte die Gründung der Venica Commission an. Eine Arbeitsgruppe, die die Vorgänge in Georgien bewerten soll. Zudem begrüsste Berset die Ankündigung der georgischen Regierung, das umstrittene Gesetz zu überarbeiten, schreibt die «SonntagsZeitung» weiter.
Vorwürfe an Berset
«Es ist extrem bedauerlich, dass jemand so Einflussreiches wie Alain Berset die existenzielle Krise Georgiens auf ein Gesetz reduziert», schreibt Marika Mikiashwili, Mitglied einer jungen liberalen Oppositionspartei, auf X. Ihrer Meinung nach sei das Gesetz der Bevölkerung «ziemlich egal». Was die Bevölkerung wolle, seien neue und faire Wahlen. Jede Verhandlung mit dem «illegitimen und gewalttätigen Regime» sei ein Verrat.
Weitere Regimekritiker pflichten ihr bei. Einer schreibt: «Lügen Sie Ihre Follower nicht an.» Berset, so der Vorwurf, habe nicht mit Unterdrückten und politischen Häftlingen sprechen wollen. Stattdessen seien es die NGO gewesen, die den Dialog mit dem Vertreter aus Strassburg verlangt hätten.
Mikiashwili schreibt: «Wenn Sie dem georgischen Volk nicht helfen können, hören Sie wenigstens auf, das Regime zu unterstützen, das die Georgier im Namen Russlands unterdrückt.» Und weiter: «Um es nach dem Berset-Desaster klar zu sagen: Entweder kommt man nach Georgien, um Druck auf das Regime auszuüben, damit Neuwahlen stattfinden, oder man lässt es bleiben.»
Berset verteidigt sich in einem Interview mit «Blick»
Seine Haltung zu Georgien verteidigte Berset in einem Interview mit «Blick»: Er habe der Regierung sehr klar vermittelt, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in jedem Moment eingehalten werden müssten. Schliesslich bringe die Mitgliedschaft im Europarat auch Pflichten mit sich. «Wir sind kein Wellnesscenter.»