ATACMS- und Drohnenschläge Russlands Dickfelligkeit auf der Krim ermöglicht Kiew Erfolge

Philipp Dahm

17.5.2024

Zerstörte russische Jets auf einem Satellitenbild des Militärflugplatzes Belbek bei Sewastopol am 16. Mai.
Zerstörte russische Jets auf einem Satellitenbild des Militärflugplatzes Belbek bei Sewastopol am 16. Mai.
Keystone

Moskau weiss, dass Kiew ATACMS-Lieferungen erhalten hat. Dennoch reagiert der Kreml nicht auf die erneute Bedrohung – und zahlt auf der Krim einen hohen Preis dafür, der weitere Attacken noch befördert.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Seit Februar nehmen die ukrainischen Streitkräfte gezielt Militäreinrichtungen auf der Krim ins Visier.
  • Seit Tagen ist klar, dass Kiew wieder über ausreichend ATACMS-Munition verfügt.
  • ATACMS treffen am 15. Mai eine Radaranlage und ein Treibstoff- und Munitionsdepot bei der Basis Belbek bei Sewastopol.
  • Immer noch reagiert Moskau nicht – und verliert bei einem ATACMS-Angriff am 16. Mai vier Kampfjets, von denen zwei unersetzbar sind.
  • Durch diese Lücke stossen am 17. Mai 101 Drohnen, die Raffinerien und Hafenanlagen in Russland treffen.

Die Zeit des Munitionsmangels scheint vorüber: Offenbar sind erstmals seit langer Zeit wieder alle Einheiten mit ausreichend Artilleriegranaten versorgt. Die aus den USA gelieferte ATACMS-Munition, die noch etwas schneller bereitgestellt wurde, wird weiterhin verwendet, um strategische Ziele zu treffen.

Krieg in der Ukraine

Seit Ende Februar 2022 tobt in der Ukraine nach der Invasion russischer Truppen ein erbitterter Krieg. blue News informiert dich im Ukraine-Ticker zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Konflikt.

So wie den Militärflugplatz Belbek bei Sweastopol: Seit Februar werden dort Radaranlagen, Flugabwehrstellungen und Kommandoposten angegriffen, um Lücken in die russische Luftabwehr zu reissen. Das macht auch den Weg frei für erfolgreiche russische Drohnenangriffe im Osten.

Obwohl es schon seit Tagen Berichte darüber gibt, dass ukrainische Streitkräfte Ziele weit hinter der Front mit ATACMS attackieren, hat Moskau aus der Vorgeschichte nichts gelernt. Das zeigt sich nicht einmal so sehr beim ersten Angriff auf die Belbek-Basis am 15. Mai, als Satelliten, die Feuer erspähen, mehrere Brände auf dem Stützpunkt ausmachen.

Bei dem nächtlichen Schlag am 15. Mai werden angeblich mindestens ein Treibstoff- und ein Munitionsdepot getroffen. Bald machen russische Kanäle publik, dass auch ein kostbares Radarsystem zerstört worden ist, ohne dass die Flugabwehrbatterien blind sind. Vollkommen unverständlich ist, warum Moskaus Militär auch nach dieser Attacke sein wertvolles Gerät nicht aus der Gefahrenzone gebracht hat.

Erstaunliche Dickfelligkeit

Am 16. Mai schlagen erneut ATACMS ein: Auch diesmal ist darunter Streumunition, die diesmal auf dem Flugfeld verheerende Wirkung erzielt. Das ukrainische Militär berichtet heute mit Verweis auf Satellitenbilder auf zwei zerstörte MiG-31, eine zerstörte Su-27 oder Su-35 und eine beschädigte MiG-29.

Bei den Erstgenannten handelt es sich nicht um die Version MiG-31K, mit der Russland ballistische Raketen auf zumeist zivile Ziele in der Ukraine abfeuert. Doch der Verlust der Maschinen ist nicht zu ersetzen – weil das Flugzeug bereits seit 1994 nicht mehr produziert wird.

Eine MiG-31K mit einer ballistischen Rakete vom Typ Ch-47M2 Kinschal am Tag des Sieges über Nazideutschland am 9. Mai 2022 am Moskauer Himmel.
Eine MiG-31K mit einer ballistischen Rakete vom Typ Ch-47M2 Kinschal am Tag des Sieges über Nazideutschland am 9. Mai 2022 am Moskauer Himmel.
Imago/SNA

Der Ausfall von Jets, Radaranlagen und Luftabwehr eröffnet Möglichkeiten, die Kiew in der Nacht auf den 17. Mai weiter ausreizt: Mit über 100 Drohnen werden die Krim sowie die russischen Regionen Krasnodar, Belgorod und Kursk attackiert.

Weg für massive Drohnenattacke geebnet

Diese seien allesamt zerstört worden – inklusive sechs Seedrohnen, meldet das russische Verteidigungsministerium am Morgen. Dagegen berichtet Russlands Statthalter in Sewastopol via Telegram, dass der Strom in der Stadt ausgefallen ist, nachdem ein Umspannwerk getroffen worden sei.

Im russischen Oblast Krasnodar wurde schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Raffinerie in Tuapse in Brand gesteckt. Und auch in Noworossijsk würden Öl- und Hafenanlagen getroffen: Hier hat sich die russische Schwarzmeerflotte zurückgezogen, nachdem sie auf der Krim mehrfach angegriffen worden war. Schon damals hat Moskau sehr langsam reagiert.

Wie gross der Schaden ist, den die ukrainischen Drohnen bei Russlands Ölindustrie angerichtet haben, muss sich erst noch zeigen. Klar scheint dagegen, dass der Kreml Mühe hat, der ukrainischen Krim-Taktik zu folgen und zeitnah zu reagieren. Die nächste Chance, sich zu bewähren, wird Moskaus Militär wohl schon bald erhalten.