Hohe Verluste«Russische Streitkräfte sind schlicht kein hocheffizientes Militär»
toko
25.3.2022
Die russische Armee macht auf dem Schlachtfeld kaum Fortschritte und erleidet hohe Verluste. Für den Strategieexperten Phillips O'Brien war die Ukraine deutlich besser auf den Krieg vorbereitet.
toko
25.03.2022, 18:09
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Die vermeintliche «Spezialoperation» (O-Ton Moskau) in der Ukraine verläuft für Wladimir Putin nicht nach Plan. Der Vormarsch ist ins Stocken geraten, vier Wochen nach Kriegsbeginn hat die russische Armee bereits herbe Verluste einstecken müssen und ausser Cherson noch keine bedeutende Stadt unter Kontrolle bringen können.
Für den Strategieexperten Phillips O'Brien kommt dies nicht überraschend. Denn im Gegensatz zu Russland war die Ukraine weitaus besser auf den Krieg vorbereitet. «Die Russen hingegen sind in den Krieg gezogen, ohne zu wissen, was sie tun», sagt O'Brien dem «Spiegel» (kostenpflichtiger Inhalt).
Russische Truppen in der Ukraine wohl zunehmend mit Schwierigkeiten
STORY: Bilder von der Frontlinie nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Die ukrainischen Soldaten haben hier Schützengräben ausgehoben. Sie haben Panzerabwehrwaffen und Maschinengewehre. Die ukrainischen Truppen haben nach britischen Angaben Städte und Verteidigungsstellungen bis zu 35 Kilometer östlich von Kiew zurückerobert. Dazu beigetragen habe, dass die russischen Truppen sich zurückfallen liessen, weil ihre Nachschublinien nicht richtig funktionieren würden, teilt das britische Verteidigungsministerium mit. Russische Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau mit einem Raketenangriff ein grosses Tanklager ausserhalb der ukrainischen Hauptstadt Kiew zerstört. Das Lager sei am späten Donnerstagabend mit Marschflugkörpern beschossen worden, sagt der Sprecher des Ministeriums, Igor Konaschenkow. Sie seien von See aus abgefeuert worden. Das Tanklager sei genutzt worden, um die ukrainischen Streitkräfte im Zentrum des Landes zu versorgen. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben war nicht möglich. Der Generalstabschef der ukrainischen Streitkräfte erklärte, Russland versuche immer noch, die Offensive zur Einnahme der Städte Kiew, Tschernihiw, Sumy, Mariupol und Charkiw wieder aufzunehmen. Die russische Invasion, die am 24. Februar begann, hat nach Angaben der Vereinten Nationen Tausende von Menschen getötet. Mehr als 3,6 Millionen Menschen sind vor den Kämpfen ins Ausland geflohen.
25.03.2022
Kampfunfähigkeit droht
Demnach hätte die Ukraine «einen wirklich gut durchdachten und gut umgesetzten Verteidigungsplan». Die russische Armee sei vor allem zu Beginn des Krieges viel zu hohe Risiken eingegangen und habe «enorme Verluste» erlitten.
O'Brien stellt gar in Aussicht, dass die russische Armee bald kampfunfähig sein könnte: «Die Faustregel ist, dass eine Armee kampfunfähig wird, sobald sie mehr als 30 Prozent Verluste erlitten hat.» Denn dann sinke die Kampfeffizienz ziemlich stark, so der Professor für strategische Studien an der Universität St. Andrews in Schottland.
«Schlicht kein hocheffizientes Militär»
Die Kampfunfähigkeit könne laut O'Brien auch schon früher eintreten, denn die russische Armee «scheint nicht besonders motiviert und überzeugt vom eigenen Einsatz zu sein.»
Dass Putins Streitkräfte auch nach vier Wochen noch keine Luftüberlegenheit herstellen konnten, ist für O'Brien ein Indikator dafür, dass die Armee massive Probleme habe, komplexe Operationen durchzuführen: «Die russischen Streitkräfte sind schlicht kein hocheffizientes Militär, sondern haben erhebliche strukturelle Schwächen.» Die Armee wisse nicht, wie sie die «gute Technologie» einsetzen sollen, sagt O'Brien.
Ein Riesen-Problem sei zudem die Logistik. Um eine grosse moderne Armee sowie eine Menge schwerer Ausrüstung wie Panzer und Artillerie zu versorgen, benötige man eine riesige Menge an Treibstoff, Munition und Lebensmitteln, sagt O'Brien und fügt hinzu: «Sie scheinen nicht mit dem richtigen Verständnis dafür in den Krieg gegangen zu sein.»