Rückzug in den Irak Rückkehr nicht ausgeschlossen – IS flieht mit 200 Millionen Dollar aus Syrien

sda/dpa/ap/afp/phi

18.2.2019

Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kämpfen gegen das, was vom Islamischen Staat noch übrig ist.
Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kämpfen gegen das, was vom Islamischen Staat noch übrig ist.
Keystone

Während Donald Trump IS schon für tot erklärt, töten die Extremisten so lange weiter, bis sie ihre letzte Bastion in Syrien aufgeben müssen. Ihr Blut-Geld sollen sie mit in den Irak genommen haben.

Vor knapp 14 Tagen rüsteten sich die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zur letzten Schlacht gegen den so genannten Islamischen Staat (IS). Von dem Kalifat mit der Grösse Grossbritanniens, das die Extremisten 2014 in Teilen Syriens und des Iraks ausgerufen haben, ist so gut wie nichts mehr übriggeblieben. Ihre frühere Hochburg Raqqa ist bereits im Oktober 2017 gefallen – die verbliebenen Kämpfer konzentrieren sich inzwischen bloss noch auf ein Dorf namens Baghus, das nahe der Stadt Deir ez-Zor im Osten Syriens liegt.

Donald Trump hat schon am 1. Februar angekündigt, der IS werde innert 24 Stunden Geschichte sein. Wäre der Krieg gegen die Terroristen ein Menü, müsste man jedoch sagen: Der US-Präsident hat den Mund zu voll genommen. Die IS-Miliz hat in dem Dorf am Euphrat zahlreiche Tunnel gegraben und Minen gelegt, die den Vormarsch der SDF-Kämpfer behindern. Zudem setzt sie immer wieder Selbstmordattentäter gegen die vorwiegend kurdischen SDF-Kämpfer ein, die von der US-geführten Anti-IS-Koalition unterstützt werden.

Donald Trump hat mit dem Thema bereits abgeschlossen.
Donald Trump hat mit dem Thema bereits abgeschlossen.
Keystone/Archiv

Hinterhalte und Selbstmord-Attentäter

Auch wenn viele Menschen die Region wegen der bevorstehenden Kämpfe verlassen haben, befinden sich noch Zivilisten in der Gegend, in der sich die Dschihadisten verschanzt haben. Viele der Flüchtlinge aus Baghus sind völlig ausgehungert, doch müssen sie oft tagelang im Freien schlafen, bevor sie in Lager gebracht werden. Unter den Extremisten, die sich mit aller Macht gegen ihre Niederlage stemmen, sind auch viele Ausländer. Für sie gibt es ohnehin keine Rückzugsorte mehr: Sie kämpfen bis zur letzten Patrone.

«Die IS-Kämpfer lehnen es ab, sich zu ergeben, und setzen sich weiter zur Wehr», muss SDF-Sprecher Adnan Afrin gegenüber der Nachrichtenagentur AFP einräumen. Sie hätten unter anderem versucht, aus Hinterhalten und mit Sprengstoff beladenen Motorrädern SDF-Kämpfer zu töten. Andere versuchten sich zwischen die fliehenden Frauen und Kinder zu mischen, erläutert Generalmajor Christopher Ghika, der Vize-Kommandant des US-geführten Militärbündnisses. 20'000 Menschen haben das Gebiet zuvor verlassen, doch als die SDF vorstossen, merken sie, dass immer noch rund 1000 Zivilisten in Baghus sind.

Dorfbewohner als menschliche Schutzschilde

Die IS-Gegner werden auf Hinterhalten angegriffen.
Die IS-Gegner werden auf Hinterhalten angegriffen.
Keystone

«Das war eine Überraschung. Wir dachten nicht, dass noch so viele übrig sein würden», muss Adnan Afrin einräumen. Die Bewohner würden aus unterirdischen Tunneln an die Oberfläche gebracht, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Der SDF-Vormarsch wird gebremst: «Wir wollen kein Massaker verüben», versichert Sprecher Afrin. Eine Waffenruhe wird ausgerufen und am vergangenen Sonntag noch einmal um fünf Tage verlängert. Aber die Zivilisten lassen die IS-Terroristen dennoch nicht abziehen – egal, ob sie denselben Glauben teilen oder nicht.

Denn um Allah, also Gott, ist es den Fanatikern noch nie gegangen – auch wenn sie sich seinen Namen auf ihre Fahnen schreiben. Das Gros der Opfer des IS sind tatsächlich Muslime – es passt also, dass die Kombattanten die Bewohner als Geiseln nehmen, um freien Abzug nach Idlib zu erpressen. Weil die SDF dem aber nicht nachkommen, fliehen die verbleibenden IS-Milizionäre weiter gen Osten in den Irak: Mehr als 1000 von ihnen sollen sich über die Grenze abgesetzt haben.

Schwere Last: Bis zu 200 Millionen Dollar Bargeld

Die fliehenden IS-Kämpfer hinterlassen ein Bild der Verwüstung.
Die fliehenden IS-Kämpfer hinterlassen ein Bild der Verwüstung.
Keystone

Kurden haben zuletzt gewarnt, dass das Grenzgebiet über Tunnel mit dem Irak verbunden sei. Eine Satellitenaufnahme zeige Ende Januar eine grosse Menschenmenge, die Richtung Irak fliehe. Laut «CNN» hat die Resttruppe des IS auch deren Kriegskasse bei sich: Unter Berufung auf informierte US-Kreise wird von Bargeldreserven in Höhe von bis zu 200 Millionen Dollar berichtet, die den Fanatikern ihre Flucht erleichtern dürften. Das Geld wurde vor allem mit Drogenschmuggel, Erpressung und dem Verkauf von Öl und Mineralien verdient: Details über die IS-Finanzen finden Sie hier.

Nach diesem vorläufigen Zusammenbruch des IS auf der Arabischen Halbinseln will das Weisse Haus einen neuen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der IS-Propaganda im Internet legen. Washingtons Top-General im Nahen Osten hält den Abzug der 2'000 US-Soldaten aus Syrien jedoch für verfrüht: Er «hätte das nicht vorgeschlagen, offen gesagt», erklärte Joseph Votel in einem Gespräch mit CNN. Der Feind verfüge weiter über Anführer, Kämpfer, Unterstützer und Ressourcen, was fortdauernden, militärischen Druck gegen das Netzwerk nötig mache. «Sie haben weiter diese sehr mächtige Ideologie, also können sie inspirieren.»

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite